Siemens streicht Tausende Stellen: Wie hart trifft das Augsburg?
Siemens möchte 4500 Arbeitsplätze streichen. In Augsburg arbeiten 400 Menschen für das Unternehmen - von denen jetzt viele um ihren Job bangen müssen.
Wer dachte, dass Siemens-Chef Joe Kaeser bereits all seine Karten auf den Tisch gelegt hatte, wurde gestern überrascht. Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr kündigte er massive Einschnitte an. Nochmals sollen weitere 4500 Arbeitsplätze bei Siemens weltweit wegfallen – davon rund 2200 in Deutschland. Kaeser will den Großkonzern umbauen und rentabler machen.
Siemens ist hinter Wettbewerber wie den US-Konzern General Electric zurückgefallen. Der Konzernchef will deshalb „Wachstumsfelder besetzen“ und das „Kerngeschäft stärken“. Das Konzept hatte er unter dem Namen „Vision 2020“ bereits vor einem Jahr vorgestellt. Immer mehr zeichnete sich danach ab, dass die Umsetzung mit Stellenabbau verbunden ist. Wird also die Modernisierung des Unternehmens mit weltweit 357000 Beschäftigten zu einer Horrorfahrt für die Mitarbeiter?
Bereits im Februar kündigte Siemens an, 7800 Stellen weltweit zu streichen – davon rund 3300 in Deutschland. Nach Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern habe sich diese Zahl auf rund 2900 reduziert, hieß es am Donnerstag. Zusammen mit den neuen Plänen stehen jetzt in der Summe über 5000 Stellen in Deutschland auf der Kippe. Kaeser sagte, damit sei der Umbau „in der Hauptsache abgeschlossen“.
Die erste Sparwelle setzte vor allem in der Verwaltung an. Die zweite Sparwelle trifft nun die Werke. Besonders betroffen ist das Kraftwerksgeschäft bei fossilen Brennstoffen: Im Bereich „Power & Gas“ stellt Siemens zum Beispiel Gasturbinen zur Stromerzeugung her. Der Bereich schwächelt derzeit – gerade in Deutschland.
Zwar könnte man Gaskraftwerke als Ergänzung zur Photovoltaik oder Windkraft gut einsetzen. Da aber Braunkohlestrom billiger ist, herrscht Flaute bei den Gasmeilern. Beispielsweise stammt die Turbine des modernen Gaskraftwerks in Irsching bei Ingolstadt von Siemens; Eon will das Kraftwerk stilllegen. Daneben plant Siemens, auch in anderen ertragsschwachen Sparten zu kürzen.
In Augsburg arbeiten 400 Menschen für Siemens
Und wie stark ist Bayern von den neuen Plänen betroffen? Genaue Zahlen zu den Standorten legte Siemens nicht vor. Große Werke der Power & Gas-Sparte liegen in Berlin und in Mülheim an der Ruhr. Insofern könnte der Freistaat nun nicht ganz so hart getroffen werden, heißt es aus Branchenkreisen.
Siemens hat eine Niederlassung in Augsburg. Dort arbeiten rund 400 Mitarbeiter. Viele sind in der Fertigung und Entwicklung von Ampeln und anderen Leitsystemen beschäftigt. Da die Produktion nach England verlagert werden soll, könnten etwa 80 Stellen wegfallen.
Das zeichnete sich schon im Februar ab. Weitere Bereiche sind Vertrieb und Service für Videoüberwachung, Fabriksoftware, Automatisierung oder Medizintechnik. Der Kraftwerksbereich hat keinen Schwerpunkt in Augsburg. Das ist in der jetzigen Situation gut. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Zuge des Sparprogramms abermals einzelne Jobs verloren gehen.
Siemens ist auch in Kempten vertreten. Dort arbeiten rund 50 bis 60 Beschäftigte in Vertrieb und Service in den Bereichen Industrie, Medizintechnik und Gebäude. Der Kraftwerksbereich spielt dort ebenfalls keine Hauptrolle. Massive Einschnitte in Kempten gelten deshalb als unwahrscheinlich.
In Erlangen dagegen sitzen die Entwicklung und das Management der Power & Gas-Sparte. An dem Standort sind derzeit 24000 Menschen tätig. Bereits in der ersten Sparwelle im Februar wurde gemutmaßt, dass rund 900 Stellen wegfallen könnten.
Scharfe Kritik von der IG Metall
Die IG Metall kritisiert die Kürzungen scharf. Dass die Kraftwerkssparte aufgrund der Energiewende weniger Aufträge bekommt, kann Michael Knuth von der IG Metall Bayern nachvollziehen. „Umso trauriger aber ist es, dass Siemens nach dem bekannten Muster reagiert“, sagte er. „Statt sich zu fragen, wie man in der Energiewende Nachhaltigkeit erzeugen kann, geht Siemens den einfachen Weg und streicht Jobs.“
Der Gewerkschaftssprecher hält die Strategie für falsch. „Alle Bereiche im Konzern, die unangenehm sind, werden gestrichen. Wo aber liegen die neuen Geschäftsfelder? Wo die neuen Produkte? Hier sucht man keine Antworten“, sagt Knuth. Die IG Metall kündigte an, notfalls bundesweit massiven Widerstand zu organisieren.
Bei Siemens betont man, den Personalabbau sozial verträglich zu gestalten – zum Beispiel durch Altersteilzeit oder den Wechsel an andere Standorte. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden.
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