
Warum es soziale Unternehmer schwer in Deutschland haben


Immer mehr Gründer wollen nicht in erster Linie reich werden, sondern die Gesellschaft verbessern. Doch in Deutschland tun sie sich schwer – im Gegensatz zu anderen Ländern.
Die Niederlande machen es vor. Bei den Nachbarn ist ein Pflegedienst der beliebteste Arbeitgeber des Landes. Ein Pflegedienst, kein Konzern mit Top-Gehältern. In Deutschland ist das unvorstellbar. Buurtzorg (‚Nachbarschaftshilfe‘) heißt das Unternehmen, das eigentlich kein richtiges ist. Denn Buurtzorg will keine Gewinne machen. Der Pflegedienst ist ein soziales Unternehmen. Die Überschüsse, die es mit der Pflege der Patienten verdient, dürfen nicht in die Taschen der Besitzer wandern, sondern müssen in der Firma bleiben.
Welches Problem viele Jungunternehmer in Deutschland haben
In Deutschland gibt es eine Gründergeneration, der es nicht darauf ankommt, sich die Taschen zu füllen. Vier von zehn neuen innovativen Firmen arbeiten im sozialen Bereich. Den Gründern geht es um die Lösung eines gesellschaftlichen Problems, zum Beispiel Flüchtlinge in Jobs zu bringen, Plastik durch essbare Verpackungen aus Algen zu vermeiden oder mit Bienenboxen etwas gegen das Insektensterben zu tun. Doch die Jungunternehmer mit den sinnvollen Ideen haben ein großes Problem – ihnen will fast niemand Geld leihen, das sie für den Aufbau ihres Geschäfts benötigen. Denn eine Bank will irgendwann sichere Gewinne sehen, sonst gibt es keinen Kredit. Private Investoren wollen Rendite sehen, die ihren Einsatz versilbert. Und der Staat? Der könnte auf hohe Profite verzichten und zur Förderung der Wirtschaft notfalls das Risiko eines Totalausfalls der Anschubfinanzierung verkraften. Doch da sieht es mau aus.
Da ist zum Beispiel das erfolgreiche Förderprogramm Exist für vielversprechende Geschäftsideen, die Studenten oder Dozenten an Hochschulen haben. Die Gründer bekommen ein Jahr lang monatlich zwischen 1000 und 3000 Euro Unterstützung und bis zu 15.000 Euro für Sachausgaben und Schulungen. Doch gefördert werden damit neue Firmen, die intelligente Software programmieren, Antriebe für Satelliten entwickeln oder die Videosprechstunde beim Arzt einführen.
Welche Rahmenbedingungen verbessert werden könnten
Ein Pflegedienst hätte wenig Chancen auf Geld, weil die Kriterien nicht passen. Hendrik Reimers auch nicht. Er hat eine Schokoladenfabrik gegründet. Sie steht nicht in Deutschland, sondern in Ghana. Die Länder, wo der Kakaobaum wächst, sollen etwas von der Herstellung von Schokolade haben. Bislang liefern sie nur den Rohstoff, die industrielle Wertschöpfung entsteht in den reichen Ländern. Fairafric heißt die Schokolade, die Reimers auf dem deutschen Markt verkauft. „Auf Förderung haben wir nicht zurückgreifen können, denn wir produzieren in Afrika“, erzählt der Gründer. Reimers kommt aus Bremen, seine Firma sitzt aber in München. Wenn es Deutschland ernst meint, Afrika eine realistische Chance auf Entwicklung zu geben, dann brauchen die Länder eine Industrie. Nur wenn die Menschen gute Arbeitsplätze finden, werden sie nicht nach Europa auswandern.
Die Sozialunternehmen wollen von der Bundesregierung ernst genommen werden. „Es ist an der Zeit, endlich die Rahmenbedingungen zu verbessern“, sagt der Vorsitzende ihres Branchenverbandes Send, Markus Sauerhammer. Ihm geht es nicht darum, als die besseren Menschen zu gelten, sondern um Gleichbehandlung. Eine aktuelle Umfrage unter den Unternehmern zeigt, dass drei Viertel zunächst auf ihre eigenen Ersparnisse zurückgreifen müssen, um ihre Idee in die Tat umzusetzen. Geldquelle Nummer 2 sind Familie und Freunde. Lediglich ein Viertel kann auf staatliche Töpfe zugreifen. Bei den kommerziellen Kollegen sind es immerhin 40 Prozent.
Wie die Große Koalition es gemeinnützigen Gründern leichter machen will
Die Große Koalition hatte im Koalitionsvertrag versprochen, es den gemeinnützigen Gründern leichter zu machen. Im März soll es nach längeren Verzögerungen so weit sein. „Wir bereiten gerade einen Antrag vor, um das soziale Unternehmertum in Deutschland zu stärken“, sagt der für die Union zuständige Abgeordnete Andreas Lenz (CSU). Das soll erreicht werden, indem im Internet besser über Zuschüsse und Unterstützung informiert wird. „Außerdem soll der Zugang zu den bereits bestehenden Förderprogrammen verbessert werden“, erklärt Lenz.
Dass die Gründer im Sozialbereich nicht die Aussicht auf das große Geld lockt, zeigen auch die Umsätze. Im Mittel nehmen sie am Anfang 5800 Euro pro Monat ein, wie aus dem Branchenmonitor hervorgeht.
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