Tarifrunde der IG Metall: „Arbeitgeber provozieren den Konflikt“
Jahrelang pflegten Unternehmens- und Gewerkschaftsvertreter in der Metallindustrie einen partnerschaftlichen Umgang. Doch in diesem Jahr könnte es ruppig zur Sache gehen.
Noch herrscht Friedenspflicht in der deutschen Metall- und Elektroindustrie. Erst ab Ende Januar kann die Gewerkschaft IG Metall ihre Mitglieder zu Warnstreiks aufrufen, sie also auffordern, vorübergehend die Arbeit niederzulegen. Doch schon nach den ersten Gesprächen zwischen Abgesandten der IG Metall und den Arbeitgebern ist der Ton im Vergleich zu den vergangenen Tarifrunden überraschend rau geworden. So warf der für Tarifpolitik zuständige IG-Metall-Vize Jörg Hofmann den Unternehmens-Vertretern am Montag in Frankfurt vor, „offen den Konflikt zu provozieren“.
Mit solchen Formulierungen versuchen Gewerkschafter oft verbal den Boden für Warnstreiks zu bereiten. Was verärgert den früheren baden-württembergischen IG-Metall-Chef und erfahrenen Tarifpolitiker Hofmann so? Sein Zorn richtet sich auf Rainer Dulger. Der oberste Arbeitgeber-Mann in der Metallbranche hatte gesagt: „Wir müssen auch hinterfragen, ob es überhaupt weiterhin einen Anspruch auf Altersteilzeit geben sollte.“
Genau das ist aber eine zentrale Forderung der IG Metall in dieser Tarifrunde. Nach Auslaufen der Regelung für den Wirtschaftszweig mit rund 3,7 Millionen Beschäftigten will die Gewerkschaft einen neuen, tarifvertraglich gesicherten Anspruch für Mitarbeiter festzurren, früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu können. Hofmann sieht die ablehnende Haltung der Arbeitgeber als brandgefährlich an: „So etwas nennt man gemeinhin: mit dem Feuer spielen.“
Altersteilzeit erhitzt die Gemüter
Noch ehe die Tarifrunde richtig begonnen hat, gibt es damit erste Brände. Dass ausgerechnet die Altersteilzeit die Gemüter derart erhitzt, kommt für Beobachter überraschend. Tarif-Experten hatten eher damit gerechnet, dass Hofmanns Lieblingsthema „Bildungsteilzeit“ für mehr Zündstoff sorgt. Die Nummer zwei der Gewerkschaft will wie bei der Altersteilzeit unbedingt einen tarifvertraglichen Anspruch der Arbeitnehmer festschreiben lassen, dass sie künftig auch ein Recht auf Bildungsteilzeit haben. Danach könnten sie, von Unternehmern finanziell unterstützt, etwa ihre Arbeitszeit reduzieren und einen Berufs- oder Studienabschluss nachholen. Auch hier spürt Hofmann „erheblichen Widerstand“ der Arbeitgeber.
Den Firmen-Lobbyisten missfällt es, dass künftig Betriebsräte und damit die in dem Wirtschaftszweig sehr starke IG Metall am Ende mitentscheiden, ob zum Beispiel ein junger Mann den Meister-Titel erwerben kann, auch wenn der Betrieb bereits genug Meister hat. Aus Sicht des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall müsste ein Unternehmer so die Weiterbildung eines Mitarbeiters bezahlen, der danach mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Konkurrenz geht. Hofmann will sich von seiner Idee aber nicht abbringen lassen. Seiner Ansicht nach liegt der Vorstoß im Sinne der Unternehmer, besteht doch in den Betrieben ein erheblicher Bedarf, Mitarbeiter im Zuge der Digitalisierung der Arbeitswelt weiter zu qualifizieren. Hier verweigerten sich viele Unternehmer immer noch: „Wir wissen, dass bei den Beschäftigten der Wille vorhanden ist – aber Zeit und Geld fehlen.“
IG Metall fordert 5,5 Prozent mehr Geld
Weil die Themen so knifflig sind, wollen die Gewerkschafter mit den Unternehmens-Unterhändlern zunächst über Alters- und Bildungsteilzeit sprechen. Erst danach kommt die Frage auf den Tisch, wie stark die Löhne steigen sollen. Hier scheint schneller eine Einigung möglich zu sein. Die IG Metall fordert 5,5 Prozent mehr Geld. Und weil es sich in diesem Jahr nicht wie bei der letzten Tarifauseinandersetzung um eine reine Lohnrunde handelt, müssen wohl die für die Lösung kniffliger Fälle bekannten Metall-Tarif-Experten in Baden-Württemberg ran. Vieles spricht derzeit dafür, dass – wie schon so oft – im Südwesten ein Pilotabschluss ausgehandelt wird, der dann auf das ganze Bundesgebiet übertragen wird. In der letzten Tarifrunde war noch in Bayern eine Einigung erzielt worden.
IG-Metall-Mann Hofmann jedenfalls lässt die Arbeitgeber schon einmal wissen: „Wir sehen keinen Grund zur Zurückhaltung.“
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