
Trotz Aufschwung Arbeitsmarkt vor Bewährungsprobe

Nürnberg/Berlin (dpa) - Trotz eines kräftigen Frühjahrsaufschwungs ist der deutsche Arbeitsmarkt noch nicht über den Berg. Nach der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten müsse in den kommenden Monaten mit stärker steigenden Arbeitslosenzahlen gerechnet werden.
Das sagte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, am Mittwoch in Nürnberg. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht den Arbeitsmarkt vor einer Bewährungsprobe. "Wir sind in einer Schwebesituation", erklärte sie in Berlin.
Nach Angaben der BA sank die Zahl der Jobsuchenden im März um 75 000 auf 3 568 000. Das waren 18 000 weniger als vor einem Jahr. Ohne eine Änderung der Statistik läge die Arbeitslosenzahl aber um 160 000 über dem Vorjahresniveau. Die Arbeitslosenquote nahm um 0,2 Punkte auf 8,5 Prozent ab.
"Die Konjunktur scheint anzuspringen. Für den Arbeitsmarkt gilt das aber nicht", kommentierte Bundesagentur-Chef Weise. "Der Arbeitsmarkt stabilisiert sich zwar, belebt wird die Entwicklung aber vor allem durch Puffer wie die Kurzarbeit und den Abbau der Arbeitszeitkonten. Selbst bei einem Anspringen der Konjunktur in den nächsten Monaten wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt noch verschlechtern." So werde die Zahl der Jobsucher um rund 120 000 steigen.
Mehr befristete Stellen und schlecht bezahlte Jobs
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise drücke dem Arbeitsmarkt zudem ihren Stempel auf, indem sie die Arbeitswelt in Deutschland verändere. "Wir haben zwar in der Summe nur einen vergleichsweise moderaten Anstieg der Arbeitslosigkeit, dafür aber inzwischen mehr Teilzeitbeschäftigung, mehr befristete Stellen und mehr schlechter bezahlte Arbeitsplätze", gab Weise zu bedenken. Auch nach einer Trendwende werde es zunächst zu keinem kräftigen Arbeitsaufschwung kommen, da Firmen zunächst auf ihre Stammbelegschaften, Überstunden und die Zeitarbeit setzen würden.
Die Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach Kurzarbeit ist Hochrechnungen der Bundesagentur zufolge derweil weiter rückläufig. Im März haben Firmen nach Angaben von BA-Vorstand Raimund Becker für 55 000 bis 60 000 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Im ersten Quartal dürften bundesweit geschätzte 850 000 Männer und Frauen wegen Auftragsflauten Kurzarbeitergeld bezogen haben. Den örtlichen Arbeitsagenturen liegen laut Becker bislang keine Hinweise vor, dass Firmen nach dem Auslaufen der Kurzarbeit im großen Stil Entlassungen planten.
Nur noch geringe Jobverluste zum Vorjahr
Auf eine leichte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt weist unterdessen die Erwerbstätigenstatistik als Spiegelbild der Arbeitslosenstatistik hin. So haben Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im zweiten Halbjahr 2009 kaum noch abgenommen und legten saisonbereinigt zum Jahreswechsel sogar zu. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg nach den jüngsten Daten vom Februar bereinigt um 7000, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm zuletzt um 2000 zu (Januardaten). Unbereinigt legte die Erwerbstätigkeit um 13 000 auf 39,84 Millionen zu - gegenüber dem Vorjahresmonat bedeutet dies jedoch einen Rückgang um 91 000.
Nach Ansicht von Bundesarbeitsministerin von der Leyen wird der Arbeitsmarkt "lange auf einer Ebene verharren und die Arbeitslosigkeit nicht dramatisch sinken". Deshalb wolle sie auch die Prognose der Bundesregierung von 3,7 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2010 vorerst nicht nach unten korrigieren. Nach Ansicht der FDP-Bundestagsfraktion zeigen die jüngsten Daten dagegen, dass sich die "Sorge vor massiv steigender Arbeitslosigkeit als unnötig herausgestellt hat".
Dagegen macht die Linkspartei im Bundestag hauptsächlich statistische Effekte für den Rückgang der Erwerbslosigkeit verantwortlich. Zahlen, die das reale Ausmaß der Arbeitslosigkeit deutlich machten, müsse man in der Statistik der Bundesagentur suchen "wie gut versteckte Ostereier". Der schwarz-gelben Bundesregierung warf die Fraktion vor, keine Perspektiven für die Sicherung von Arbeitsplätzen aufzuzeigen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) setzte sich unterdessen für eine Verlängerung der Kurzarbeiterregelung ein. Die Situation der Industrie bleibe bis weit ins nächste Jahr angespannt.
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