Schneller, tiefer, breiter
Klima hin, Spritsparen her - parallel zu den umweltbewussten Autofahrern wächst eine Gruppe, die sich ziemlich genau am Gegenteil erfreut. Das Veredeln von Fahrzeugen ist ein Milliardengeschäft.
Von Josef Karg
Augsburg Klimawandel hin, Spritsparen her - in Deutschland wächst parallel zu den umweltbewussten Autofahrern seit 30 Jahren eine andere Gruppe, die sich ziemlich genau am Gegenteil dessen erfreut, was politisch korrekt ist. Während in vielen Lebensbereichen gespart und abgespeckt wird, dreht sich im Tuning-Universum die Leistungsspirale immer weiter nach oben.
Der olympische Dreiklang - "höher, schneller, weiter" - wird einfach umgewandelt in "schneller, tiefer, breiter". Tuning-Fans erfreuen sich an Spoilern und Schwellern, an Leistungssteigerungs-Kits und Tieferlegungssätzen. Sie haben Lust auf Leistung, und die Frage, ob es etwas mehr sein darf, beantworten sie mit der Gegenfrage: Nur etwas?
Das Ganze ist mittlerweile in Deutschland ein Milliardengeschäft. Die Zeiten, als Auto-Tuning belächelt und als Randgruppenbeschäftigung abgetan wurde, sind längst vorbei. Inzwischen ist das Veredeln von Autos zu einem ernsthaften Wirtschaftsfaktor geworden.
Hans Jörg Köningen vom Verband der Autotuner berichtet, dass im vergangenen Jahr die Umsätze der rund 600 Unternehmen wieder gestiegen sind - allein in Deutschland auf mittlerweile 4,8 Milliarden Euro Umsatz. 1998 war es noch über eine Milliarde weniger. Es gibt bundesweit 600 Firmen mit insgesamt 19.000 Mitarbeitern. Zu den Zuwachsraten und Umsatzzahlen sollte man allerdings wissen, dass jeder Kunde, der einen Satz Alufelgen an sein Auto schrauben lässt, getunt hat. Auch in unserer Region sind weltbekannte Autoveredler wie Abt Sportsline (Kempten), BMW Alpina (Buchloe) oder Ruf Automobile (Pfaffenhausen) zu Hause.
Und ganz in der Nähe findet auch eine Schau der Branche statt, die sich sehen lassen kann: die Tuning World in Friedrichshafen. Wie beliebt die Messe ist, die vom 1. bis 4. Mai stattfindet, zeigt das Publikumsinteresse. "Wir erwarten wieder über 100 000 Besucher", sagt Messsesprecher Wolfgang Köhle gegenüber unserer Zeitung. Rund 1000 veredelte Boliden in zehn Messehallen, 250 Aussteller, 150 Clubstände, etwa 200 private Exemplare und 20 Miss-Tuning-Finalistinnen. Die Zahlen versprechen wieder ein Spektakel für PS-Freunde.
Wer übrigens glaubt, nur jugendliche Machos würden ihr Auto "aufbrezeln", der irrt. Auch im Alter über 60 Jahre weist die Käuferstatistik einen starken Anstieg aus. "Der Samen wird in der Kindheit gestreut und im Alter, wenn es finanziell möglich ist, ausgelebt", kommentiert Köningen das Phänomen.
Und nicht nur hierzulande sind Autofans scharf auf das Veredeln ihrer Fahrzeuge. Rund 50 Prozent des Geschäfts macht der Export aus, heißt es. Die wichtigsten Märkte sind neben dem Nahen und Mittleren Osten insbesondere die USA, Russland und Japan. In diesen Ländern steigt die Nachfrage stetig. Frank Gauß von der Messe Friedrichshafen glaubt: "Tuning bleibt weiter ein großes Thema. Da sind keine Grenzen erkennbar."
Zumal es auch einen Umwelttrend in der Branche gibt - das "Eco-Tuning", bei dem nicht die Leistung, sondern das Senken des Benzinverbrauchs im Vordergrund steht. "80 Prozent der Kunden sind an Drehmomentverbesserungen interessiert", so Bodo Buschmann, Chef der Edelschmiede Brabus. So ließen sich hohe Drehzahlen vermeiden und es wird Sprit gespart.
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