
US-Rentnerpaar bringt Bayer in Bedrängnis

Agrarchemie Die beiden Senioren erkrankten nach der Nutzung des Unkrautvernichters Glyphosat von Monsanto an Krebs. Dafür soll der Konzern jetzt büßen, findet eine US-Jury. Die Strafe: Zwei Milliarden Dollar
Oakland Ein amerikanisches Rentnerpaar bringt Bayer in Bedrängnis: Denn eine US-Jury sprach Alva und Alberta Pilliod Schadenersatz in Höhe von umgerechnet fast 1,8 Milliarden Euro zu. Das Paar war nach der Verwendung des Unkrautvernichters der Bayer-Tochter Monsanto an Krebs erkrankt. Es ist bereits die dritte Niederlage für Bayer und Monsanto in US-Verfahren im Zusammenhang mit dem Präparat. Zwar kündigte Bayer noch in der Nacht zum Dienstag Berufung an. Doch an der Börse ging die Talfahrt der Bayer-Aktie weiter.
Die Pilliods hatten den Monsanto-Unkrautvernichter Roundup über Jahrzehnte auf ihren Grundstücken verwendet. Bei Alva wurde 2011 ein Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert, eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems. Seine Frau bekam dieselbe Diagnose vier Jahre später. Aufgrund der Werbung des Unternehmens hätten sie den Eindruck bekommen, dass das Mittel sicher sei, beklagte sich Alberta Pilliod auf einer Pressekonferenz. Sie wünschten sich, dass Monsanto über die Gefahren des Mittels aufgeklärt hätte.
„Es hat unser Leben für immer verändert. Wir können nicht mehr die Dinge machen, die wir früher konnten, und das nehmen wir Monsanto wirklich übel“, erklärte die 74-Jährige. Bayer hatte vor Gericht vergeblich darauf verwiesen, dass beide Kläger eine lange Historie von Vorerkrankungen hätten, die bekanntermaßen erhebliche Risikofaktoren für eine Erkrankung am Non-Hodgkin-Lymphom seien. Es gebe keine wissenschaftlichen Beweise, dass es ohne den Einsatz von Glyphosat nicht zu der Krebserkrankung gekommen wäre, argumentierte Bayer. Doch die Jury überzeugte das nicht.
Das Gericht machte das Monsanto-Präparat für die Krebserkrankung verantwortlich. Der größte Teil der verhängten Milliardensumme entfiel dabei auf den sogenannten Strafschadenersatz, wofür es im deutschen Recht keine Entsprechung gibt. Ein Juror wurde in US-Medien mit dem Satz zitiert, das Urteil solle dem Konzern eine Lehre erteilen. Es ist bereits die dritte derartige Niederlage für Bayer.
Im ersten Prozess hatte eine Jury den Konzern vergangenen August zunächst zu 289 Millionen Dollar an Schmerzensgeld und Entschädigung verdonnert. Die Richterin reduzierte die Summe später auf rund 78 Millionen Dollar. Im Ende März verlorenen zweiten Prozess steht eine ähnlich hohe Summe im Raum.
Damals wie heute betonte Bayer, die Urteile stünden in direktem Widerspruch zu vielen Studien zur Sicherheit von Glyphosat. In der Tat hatte die US-Umweltbehörde EPA den Unkrautvernichter Glyphosat erst Anfang Mai als nicht krebserregend eingestuft. Die Klagewelle in den USA fußt im Grunde auf einer Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die den Unkrautvernichter 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen einstufte.
Die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz sieht Bayer nach der Verhängung der Milliardenstrafe in einer gefährlichen Lage. „Das Schicksal von Bayer liegt jetzt in der Hand des US-Richters, der als Nächster die Höhe der Strafe prüft“, sagte Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Er betonte, das Urteil zeige, dass Bayer das mit der Monsanto-Übernahme verbundene Reputationsrisiko unterschätzt habe. Bayer hatte Monsanto im Juni 2018 für 63 Milliarden US-Dollar übernommen. Seitdem hat sich der Wert der Bayer-Aktie fast halbiert. Erich Reimann, dpa
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