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US-Wirtschaft: Wenn die amerikanische Arroganz nervt

US-Wirtschaft

Wenn die amerikanische Arroganz nervt

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    Die amerikanische Arroganz bei Themen, in denen diese Arroganz nicht angebracht ist, stört Michael Hüther.
    Die amerikanische Arroganz bei Themen, in denen diese Arroganz nicht angebracht ist, stört Michael Hüther. Foto: John G. Mabanglo, dpa (Symbolbild)

    Herr Professor Hüther, Sie sind seit zwei Monaten als Gast-Professor in den USA an der berühmten Universität in Stanford, also mitten im kalifornischen Wirtschaftswunder-Land Silicon Valley. Wie ist die Stimmung nach dem Wahlsieg Trumps?

    Hüther: Das Wahlergebnis löst bis heute Entsetzen, zum Teil eine Schockstarre aus. In Kalifornien haben die meisten Hillary Clinton gewählt. Trumps Kritik an der Globalisierung und der Migration laufen genau dem zuwider, was in Kalifornien zu einem enormen wirtschaftlichen Erfolg geführt hat.

    Wie fühlt es sich an, unter den von Trump attackierten Gewinnern der Globalisierung im Valley zu wohnen?

    Hüther: Das so sehr in die internationalen Märkte verwobene Silicon Valley ist nicht nur aus deutscher Sicht, sondern auch aus amerikanischer etwas Besonderes. Es ist eine Blase. In dieser Region leben rund sieben Millionen Menschen. Die von ihnen hervorgebrachte Wirtschaftsleistung ist so groß, dass sie für die anderen 310 Millionen Amerikaner jedes Jahr pro Kopf rein statistisch das Bruttoinlandsprodukt um 750 Dollar steigern. Gäbe es das Valley nicht, wäre jeder Amerikaner – statistisch gesehen – um 750 Dollar ärmer.

    Aber das Geld wird doch nicht gleichmäßig verteilt, sondern macht die Super-Reichen im Valley von Apple, Google & Co. noch reicher.

    Hüther: Da hat Trump recht. Das im Valley verdiente Geld sickert nicht durch. Diese breitere Wohlstandsbildung durch Verteilung funktioniert nicht.

    Wie leben Sie im Silicon Valley?

    Hüther: Ich habe hier einen kleinen Bungalow gemietet. Für die zwei Zimmer mit Pappe drum herum zahle ich 3000 Dollar Miete monatlich. Es ist hier alles so teuer. Selbst wenn Sie bei Google arbeiten und ein Jahresgehalt von 100 000 Dollar haben, können sie sich kein normales Haus kaufen, denn ein solches bekommen sie kaum unter anderthalb Millionen Dollar.

    Leidet Amerika unter einer wegbrechenden Mittelschicht?

    Hüther: Genau das ist das Problem. Das sich bei wenigen ansammelnde Vermögen strahlt nicht in die Mitte der Gesellschaft aus. Das ist der große Unterschied zu Deutschland. Nehmen wir das Auto-Cluster zwischen München und Ingolstadt, also BMW und Audi. Hier wird der von diesen Konzernen erwirtschaftete Wohlstand über mittelständische Zulieferer und deren Ingenieure wie Facharbeiter in die angrenzenden Regionen – also etwa Augsburg – weiterverteilt. Dank guter Tarifverträge verdienen Facharbeiter so viel, dass sie sich Häuser kaufen können.

    Was kann Trump von Deutschland lernen?

    Hüther: Dass bei uns die Mittelschicht rund 50 Prozent der ein Einkommen beziehenden Bevölkerung umfasst, in den USA aber sind es nur rund 30 Prozent. Das ist ein riesiger Unterschied. Der Anker einer Gesellschaft ist ihre Mitte. Im internationalen Vergleich leben die Menschen gerade in Süddeutschland in einem wirtschaftlichen Paradies. Vielen ist das aber nicht bewusst.

    Wie ist dieser wirtschaftliche Erfolg in Deutschland geschichtlich begründet? Sie sind ja auch Historiker.

    Hüther: Hier greift der Begriff der Pfadabhängigkeit. In Deutschland haben wir auf unserem Pfad in der Geschichte auch einmal eine richtige Abzweigung genommen, nämlich die des Föderalismus. Deshalb geht es uns heute wirtschaftlich besser.

    Und worin liegt die amerikanische Misere historisch begründet?

    Hüther: In die USA sind viele Menschen ausgewandert, weil sie sich aus staatlicher Bevormundung befreien wollten. So hat sich in dem Land eine große Skepsis gegenüber dem Staat herausgebildet. Die Konsequenz ist, dass der Staat heute schlecht ausgestattet ist, was zum Teil zu einer maroden Infrastruktur führt. Amerika bräuchte mehr Staat, um die Balance auch zwischen den Regionen zu befördern.

    Kann Amerika sich wandeln und Maß am deutschen Erfolgsmodell nehmen?

    Hüther: Je älter ich werde, umso mehr glaube ich, dass Gesellschaften nicht wirklich voneinander lernen können. Da muss der Druck schon enorm sein. Ein Beispiel für meine skeptische Haltung: Schon Ende der 80er Jahre haben die Spanier festgestellt, dass sie eine zu hohe Jugendarbeitslosigkeit haben. Dann wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben – mit dem Ergebnis, dass Deutschland in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa die größten Erfolge erzielt hat. Als Grund hierfür wurde die duale Berufsausbildung, also der Mix aus Qualifikation im Betrieb und in der Berufsschule, ausgemacht. Das versuchte Spanien Ende der 80er Jahre zu kopieren.

    Mit welchem Ergebnis?

    Hüther: Spanien scheiterte, weil die Unternehmen dort nicht begriffen haben, dass sie auch den zweiten Teil machen müssen. Die Ausbildung in den Betrieben ließ zu wünschen übrig. Aus bloßer Einsicht gelingen keine Reformen. Und was sich immer wieder bewahrheitet: Sie kriegen die Kultur nie aus ihren Kleidern raus.

    Gilt das auch für Amerika?

    Hüther: Das trifft auf die USA besonders zu: Dieses ständige Gerede, Amerika sei die größte Nation der Welt, kann einem auf die Nerven gehen. Diese Ignoranz und Arroganz führt natürlich dazu, dass Bürger gar nicht zur Kenntnis nehmen, dass es woanders besser ist. Das ist ein amerikanisches Problem. Das übermäßige Selbstbewusstsein steht oft im krassen Gegensatz zur Realität.

    Nennen Sie doch ein Beispiel aus Ihrem Leben im Silicon Valley?

    Hüther: Ich nehme einfach mal eine amerikanische Waschmaschine. Überspitzt gesagt: Hier zerlegen die Waschmaschinen die Wäsche und der Trockner gleicht eher einer Mikrowelle, so wie die Handtücher rauskommen. Das ist völlig ineffiziente Technik und trotzdem macht sich keiner daran, mit einer guten Waschmaschine die veralteten vom Markt zu verdrängen, wie das in Deutschland sofort geschehen würde. Die Amerikaner müssten deutsche Technik kopieren. Aber selbst wenn sie das tun würden: So eine neue Technik würde hier keiner kaufen. Auch in den USA gibt es ein enormes Beharrungsvermögen.

    Was erwarten Sie als Ökonom von einem Präsidenten Trump?

    Hüther: Das Freihandelsabkommen TTIP ist tot. Und Trump wird sicher auf Anti-Dumpingmaßnahmen, also etwa Importzölle, setzen. Zum Glück produzieren deutsche Autohersteller wie BMW, Daimler und VW in den USA. Das könnte für sie vorteilhaft sein. Und die Amerikaner fahren auch viel zu gerne mit großen deutschen Karren durch die Gegend.

    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Michael Hüther, 54, ist einer der renommiertesten deutschen Ökonomen. Der Düsseldorfer hat zugleich Wirtschaftswissenschaften und Geschichte studiert und im ökonomischen Fach promoviert. Der Honorar-Professor war von 1999 bis 2005 Chefvolkswirt der DekaBank. Seit 2004 ist er Direktor des als arbeitgebernah geltenden Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Hüther wirkt auch als Vorstand der Atlantik-Brücke, eines Vereins, der sich um ein besseres Verständnis zwischen Deutschland und den USA bemüht. Seit 1988 ist der Wirtschaftswissenschaftler mit einer Lehrerin verheiratet und hat einen Sohn.

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