Uber-Fahrgäste können gegen Aufpreis jetzt Smalltalk vermeiden
Weil viele Fahrgäste lieber entspannen wollen als zu plaudern, bietet Uber jetzt einen neuen Service an: den stillen Fahrer. Was sagt ein Augsburger Taxi-Unternehmer dazu?
Lieber den wortkargen Fahrer oder die Plaudertasche? Darüber können amerikanische Kunden des Fahrdienstleisters Uber ab sofort selbst entscheiden. Möglich ist das durch eine neue Option in der App, über die sich der Extra-Komfort zubuchen lässt. Darunter fallen unter anderem mehr Beinfreiheit, die bevorzugte Lufttemperatur und ein Auto, das maximal fünf Jahre alt ist. Außerdem können die Kunden angeben, ob sie lieber einen kommunikativen Fahrer möchten oder einer Unterhaltung ganz entgehen wollen. Allerdings gibt es das nicht für umsonst: Der Stille-Modus sowie die übrigen Leistungen kosten einen Aufpreis.
Ferdi Akcaglar, Vorsitzender des Unternehmens Taxi Augsburg, hält das neue Ruhe-Modul bei Uber für absurd. In seinem Umfeld - der Taxi-Branche - gebe es solche Regelungen nicht. Die brauche es auch nicht, sagt er. Denn ein Taxifahrer habe ohnehin ein Gefühl für seinen Mitfahrer. Und: "Er spricht mit ihm." Sollte der Fahrer also bemerken, dass sein Kunde Smalltalk nicht möchte, würde er es ganz einfach bleiben lassen.
Taxi-Rücksitz gilt laut einer TÜV-Analyse als Rückzugsort
Nach seinen Erfahrungen lässt die Sitzplatzwahl außerdem Rückschlüsse auf den Fahrgast zu: "Steigt der Kunde zum Beispiel hinten rechts ein, ist klar, dass er lieber auf sein Handy schauen, lesen oder seine Ruhe haben will." Zu demselben Ergebnis kommt übrigens der TÜV Nord, der das psychologische Profil von Fahrgästen untersucht hat. Nach der TÜV-Analyse gilt die Rückbank eines Taxis „als Rückzugsort, besonders für Menschen, die nicht gerne Smalltalk mit Fremden halten“.
Das trifft laut Diplompsychologe Christian Müller zum einen auf schüchterne Persönlichkeiten zu. Diese täten sich schwer damit, Kontakte zu knüpfen, entspannt auf Fremde zuzugehen und ein unverbindliches Gespräch anzufangen. Hinter schüchtern wirkendem Verhalten könne aber noch etwas anderes stecken, erklärt der TÜV-Psychologe. "Auch introvertierte Menschen verhalten sich zurückhaltend, aber aus anderen Gründen. Sie haben einfach kein besonderes Interesse an einem Smalltalk."
Uber sieht sich lediglich als ein Scharnier, das Kunden und Fahrer einander vermittelt. Denn die meisten Uber-Fahrer sind selbstständig. Trotzdem hat das Unternehmen Interesse daran, dass immer genügend Fahrer im Einsatz sind, damit die Kunden nicht lange warten müssen. Uber tut viel dafür, neue Fahrer zu akquirieren und bestehende bei der Stange (und am Lenkrad) zu halten.
Uber-Fahrer diskutieren online über die neue Stille-Option
Bei der neuen Komfort-Option dürfte das aber schwer fallen. Einige Uber-Fahrer tauschen sich über ein Forum aus und kritisieren die zubuchbare Stille als Verletzung der Redefreiheit. "Niemand schreibt mit vor, ob ich in meinem eigenen Fahrzeug reden darf oder nicht", beschwert sich etwa ein Fahrer. Ein anderer empfindet die Service-Leistung als "beleidigend": "Meine Fahrgäste können die Bitte nach Ruhe gerne äußern", schreibt er und erklärt, dass er dieser Bitte auch nachkommen würde - weil er ein erwachsener Mensch sei. Wiederum andere Fahrer verstehen die Aufregung um die Stille nicht. "Weshalb hält man nicht einfach den Mund und lässt die Kunden fordern, was sie möchten? Dafür wird man schließlich bezahlt."
Ferdi Akcaglar von Taxi Augsburg schüttelt den Kopf, er versteht die ganze Diskussion nicht. "Wir Fahrer sind doch keine Roboter. Wir reden mit den Kunden." Oder eben auch nicht. Jedenfalls kostet das keinen Aufpreis.
Bei Uber ist der Redeanteil tatsächlich schon länger Thema. Gerade deshalb haben einige Fahrer inzwischen kreative Wege beschritten, um herauszufiltern, welche Art von Konversation ihre Gäste gerne hätten: Eine Menükarte zum Beispiel, die dem Gast die Wahl zwischen einer "Therapie-Fahrt", einer "gruseligen Fahrt", einem lustigen oder einem mucksmäuschenstillen Transport überlasst.
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