"An jedem Weihnachtsbaum hängt eine Sorgenkugel"
Wenn es sich um einen Versuchsballon handelt, den Airbus-Chef Tom Enders in die Luft steigen ließ, ist er in heftiges Wetter geraten. Hat er die Nachricht, unter anderem das Augsburger Luftfahrtwerk könnte an den US-Zulieferer Spirit verkauft werden, bewusst gestreut?
Von Stefan Stahl, Augsburg
Wenn es sich um einen Versuchsballon handelt, den Airbus-Chef Tom Enders in die Luft steigen ließ, ist er in heftiges Wetter geraten. Branchenkenner gehen davon aus, der Deutsche habe die Nachricht, unter anderem das Augsburger Luftfahrtwerk könnte an den US-Zulieferer Spirit verkauft werden, bewusst gestreut.
So wollte er wohl testen, wie groß der Widerstand gegen sein Vorhaben ausfällt. Die Pläne stoßen im eigenen Haus und beim Großaktionär Daimler auf Kritik. Der Machtkampf innerhalb des Airbus-Mutterkonzerns EADS hält an. In CSU-Kreisen regt sich offen Kritik an der Enders-Strategie. Vertreter der Partei zeigen sich gegenüber unserer Zeitung entsetzt.
Der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Christian Ruck, warnt: "Ein Ausverkauf der Spitzentechnologie aus den heimischen EADS-Werken ins Ausland widerspricht unseren Interessen." Man könne nicht von deutschen Politikern erwarten, dass sie so etwas ohne Weiteres hinnehmen.
Hintergrund: Es gibt Befürchtungen, dass Spirit, wenn der Anbieter die Werke übernimmt, große Teile der Produktion für das neue Airbus-Langstreckenflugzeug A 350 seinen amerikanischen Fabriken zuschanzt. Die Luftfahrtbranche leidet unter dem hohen Dollarkurs. Das drückt auf den Gewinn, wird doch in diesem Wirtschaftszweig in der US-Währung abgerechnet. Der Standort Augsburg hat Interesse, Baugruppen der Rumpfsektion des A 350 zu fertigen. Ob sich das Vorhaben mit Spirit verwirklichen lässt, bleibt fraglich.
Bayerns CSU-Landtags-Fraktionschef Georg Schmid hat das Problem ebenfalls erkannt. Er macht sich wie der schwäbische CSU-Vorsitzende Markus Ferber für eine nationale Lösung für den Augsburger Standort stark. Der Politiker will die Hochtechnologie in der Region halten. Zur Erklärung: Augsburg ist eines der weltweit führenden Luftfahrtwerke. Hier werden neue Verfahren zur Verarbeitung leichter und dennoch steifer Faserverbund-Kunststoffe entwickelt. Solche Materialien helfen Sprit zu sparen.
Auch Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein will sich an diesem Freitag bei einem Werksbesuch von den Fähigkeiten der Augsburger Flugzeugbauer überzeugen. Die Staatskanzlei bestätigte gestern den Termin. Beckstein kommt auf Einladung des Betriebsrates. Gerüchten zufolge könnte in dieser Woche eine Entscheidung fallen, wie es mit den Luftfahrtwerken weitergeht. Ein Aufschub ist aber auch möglich.
Heute beschäftigt sich der EADS-Verwaltungsrat mit der Verkaufsfrage. Insider halten das Rennen um die Werke nach wie vor für offen. Mittlerweile haben sich jedoch die Chancen, dass die Bremer OHB-Gruppe mit ihrer Augsburger Tochter MT Aerospace zum Zuge kommt, verbessert. Streng genommen wäre das keine rein deutsche Lösung. Nach Informationen unserer Zeitung hat sich OHB den US-Finanzinvestor Cerberus mit ins Boot geholt. Die Gesellschaft gilt als "Heuschrecke". Cerberus ist unter anderem bei Chrysler engagiert.
Unter den Beschäftigten in Augsburg ist die Stimmung vor Weihnachten gedrückt. Sie hoffen, dass Spirit nicht zum Zuge kommt und haben auch Angst vor Cerberus. Es gibt Befürchtungen, die Interessenten könnten die Kosten zulasten der Arbeitnehmer drücken. Der Betriebsrats-Vorsitzende Peter Schönfelder: "An jedem Weihnachtsbaum eines Beschäftigten hängt eine EADS-Sorgenkugel." Er kritisierte die Informationspolitik des Unternehmens: "Wir fühlen uns stiefmütterlich behandelt." Die Ungewissheit zehre in der Adventszeit an den Nerven der Mitarbeiter.
Die Diskussion ist geschlossen.