VW zerschlägt MAN: Was der Umbau für die Mitarbeiter bedeutet
Der traditionsreiche MAN-Konzern steht vor der Zerschlagung. Was das für die rund 5.000 Beschäftigten bei Diesel & Turbo und der Tochter Renk in Augsburg bedeutet.
Umbrüche gab es in der Geschichte des MAN-Konzerns schon viele. Vor 175 Jahren entstand in Augsburg eine Textilmaschinen-Fabrik als Vorläuferin der heutigen MAN. Und Ende des 19. Jahrhunderts entsprang aus einer Fusion die spätere Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG – mit dem einprägsamen Kürzel M.A.N. Was aber in den nächsten Monaten auf das Unternehmen zukommt, ist mehr als ein nur ein weiterer Umbruch: das Ende des MAN-Konzerns in der heutigen Form. Der Mutterkonzern Volkswagen plant faktisch die Zerschlagung des Unternehmens mit weltweit rund 55900 Mitarbeitern – davon grob gerundet die Hälfte in Deutschland.
2011 übernahm Volkswagen die Aktienmehrheit an MAN
Die Zeit der Textilmaschinen ist längst vorbei. Heute steht das Unternehmen MAN für Lastwagen. Und für große Schiffs- und Kraftwerksmotoren, die in Augsburg hergestellt werden. Mit rund 3900 Beschäftigten ist MAN Diesel & Turbo einer der größten industriellen Arbeitgeber unserer Region. Im Jahr 2011 übernahm Volkswagen die Aktienmehrheit an MAN.
Nun will Volkswagen die Aktivitäten im Bereich der Lastkraftwagen bündeln. Neben MAN gehört der skandinavische Lkw-Hersteller Scania zu Volkswagen. Die Zusammenarbeit zwischen Scania und MAN aber galt als locker. War sie zu locker? Jetzt zieht Volkswagen-Chef Martin Winterkorn die Zügel an. Der Paukenschlag kam Anfang Mai: Da teilte Volkswagen mit, einen „integrierten Nutzfahrzeugkonzern“ zu gründen. Als neues Dach für die Lkw-Marken MAN und Scania wird eine Holding geschaffen – die „Truck & Bus GmbH“. An der Spitze der Gesellschaft soll Andreas Renschler stehen, der von Daimler 2015 zu VW kam und für Nutzfahrzeuge zuständig ist.
Eigenständigkeit von MAN und Scania soll erhalten bleiben
Die Zusammenarbeit zwischen MAN und Scania war immer kompliziert – und teilweise von Querelen geprägt. Dem schaut Volkswagen nicht länger zu: „Die Bündelung unserer Nutzfahrzeugmarken unter einem Dach erlaubt eine stärkere Konzentration auf Lkw- und Bus-Belange und damit schnellere Entscheidungen“, teilte Renschler mit. Die Eigenständigkeit der Marken MAN und Scania solle aber erhalten bleiben.
Ähnlich wie das Nutzfahrzeuggeschäft wird Volkswagen nach Informationen unserer Zeitung auch die restlichen Bereiche des MAN-Konzerns bündeln und direkt an Volkswagen in Wolfsburg ankoppeln. Zum einen ist dies der Großmotoren-Bereich „Diesel & Turbo“ in Augsburg, zum anderen der Getriebespezialist Renk, der mit rund 1100 Mitarbeitern ebenfalls in Augsburg seinen Sitz hat.
MAN SE wird am Ende nur eine rechtliche Hülle sein
Die Auswirkungen für den MAN-Konzern mit Sitz in München an der Ungererstraße sind gravierend. Dort gibt es kein Werk, aber rund 300 Beschäftigte in der Verwaltung. Diese wird praktisch überflüssig. Am Montag dieser Woche hat VW-Nutzfahrzeugchef Renschler den Beschäftigten auf einer Belegschaftsversammlung die Hiobsbotschaft überbracht, berichtete die Frankfurter Allgemeine. Die Mitarbeiter in München sollen nach Informationen unserer Zeitung an anderer Stelle im Konzern unterkommen können. Mit dem, was VW vor hat, gibt es den MAN-Konzern dann nicht mehr. Nur noch die Marken bleiben bestehen. Die MAN SE wird am Ende nur noch als rechtliche Hülle existieren. Ein Teil der MAN-Aktien befindet sich noch immer in Streubesitz. Die Rest-Aktionäre ganz herauszudrängen, erschien offenbar zu teuer.
In Augsburg halten sich die Auswirkungen in Grenzen
Für die Beschäftigten bei MAN Diesel & Turbo und bei Renk in Augsburg dürften sich die unmittelbaren Auswirkungen in Grenzen halten. Aus Unternehmenskreisen heißt es, dass sich an den Arbeitsverträgen nichts ändert. Die Mitarbeiter müssten sich keine Sorgen machen. In einem Schreiben an die Arbeitnehmer, das unserer Zeitung vorliegt, begrüßen Konzernbetriebsrat und IG Metall sogar die Weichenstellungen: „Alle Teile von MAN bleiben bestehen, sie werden in Zukunft effizienter geführt“, heißt es. Der Gründung der Lastwagen-Dachgesellschaft sei ein „langfristig geplanter Schritt“, der „im Einvernehmen“ mit den Arbeitnehmervertretern beschlossen worden sei. „Auch der Maschinenbau-Bereich (MAN Diesel & Turbo und Renk) erhält durch die neue Ausrichtung klare Strukturen“, heißt es weiter. Schnellere Entscheidungen und ein direkter Zugang zum Volkswagen-Vorstand werden in Augsburg als große Vorteile gesehen.
Welche langfristigen Folgen treten für den MAN-Konzern auf?
Eine andere Frage ist, was die neue Struktur langfristig für Folgen hat. Derzeit machen Renk und MAN Diesel & Turbo gute Gewinne und gelten als „Perlen“ im VW-Konzern. Trotzdem schließen Beobachter nicht aus, dass Volkswagen die Diesel & Turbo-Sparte und Renk eines Tages verkaufen oder an die Börse bringen könnte. Auf einer Hauptversammlung von MAN stellten Aktionärsvertreter schon vor einigen Jahren die Frage, wie Schiffsmotoren oder Kraftwerke zum Auto-Konzern Volkswagen passen.
Bisher sind diese Überlegungen aber Spekulation. Ein Verkauf von MAN Diesel & Turbo oder von Renk stehe derzeit jedenfalls nicht zur Debatte, heißt es in gut informierten Arbeitnehmerkreisen.
Die Diskussion ist geschlossen.