Warum Unternehmen auf Vielfalt setzen
Die "Charta der Vielfalt" setzt sich dafür ein, dass Unternehmen diverser werden - etwa wenn es um Herkunft, Geschlecht oder Alter ihrer Angestellten geht. Warum?
Die Uniklinik in Ulm macht es, Siemens in München auch, genauso die Deutsche Bank in Frankfurt und die Lechwerke in Augsburg: Sie alle setzen als Arbeitgeber auf das Thema Vielfalt. Oder besser gesagt auf "Diversity", wie Vielfalt auf Englisch heißt. Seit ein paar Jahren lässt sich beobachten, dass immer mehr Unternehmen sogenannte Diversity-Manager einstellen. Also Menschen, die sich damit beschäftigen, wie verschiedene Personen zusammenarbeiten können. Und warum das alles?
Was heißt Diversity eigentlich genau?
Sebastian Haggenmüller, Personalchef beim Energieversorger Lechwerke erklärt das so: Idee des Diversity Managements sei es, in einem Team möglichst viele verschiedene Persönlichkeiten zu versammeln. Der Hintergrund: Je unterschiedlicher die Menschen, desto vielfältiger ihre Blickwinkel. Oder andersherum: Je ähnlichere die Teammitglieder, desto ähnlicher denken sie auch. Und desto weniger kommen sie auf neue Ideen.
Unterscheiden können sich Menschen nach verschiedenen Merkmalen, sagt Haggenmüller: "Es gibt sichtbare und nicht sichtbare Kriterien." Sichtbar kann etwa die Herkunft einer Person sein, das Geschlecht, das Alter oder eine Behinderung. Nicht sichtbar sind die Lebenssituation, in der sich jemand befindet, oder wie er sein Leben gestalten möchte. "Wertschätzung von Vielfalt gewinnt seit etwa 15 Jahren an Bedeutung", sagt er. Deshalb sind die Lechwerke im vergangenen Jahr etwa der Initiative "Charta der Vielfalt" beigetreten.
Allbright-Studie: Frauen haben selten Vorstandsposten
Vier Unternehmen haben die Charta 2006 ins Leben gerufen. Inzwischen sind es etwas über 3000 Unterzeichner. Alle Firmen, die mitmachen, unterschreiben eine Selbstverpflichtungserklärung. Sie bekennen sich etwa dazu, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich Menschen egal welcher Herkunft, Religion, welchen Geschlechts, Alters oder welcher sexuellen Orientierung offen und respektvoll begegnen. Sie wollen Strukturen schaffen, die alle Angestellten gleichermaßen fördern. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, hat an diesem Dienstag der Diversity-Tag stattgefunden. An dem sich bundesweit 700 Firmen beteiligt haben. Aber haben in Unternehmen nicht schon immer die verschiedensten Persönlichkeiten zusammengearbeitet?
Das stimme nur zum Teil, sagt Stephan Dirschl. Er ist Pressesprecher der Initiative für Vielfalt. "Heute ist es vielen Menschen sehr wichtig, dass sie sich individuell entfalten können. Dass sie ihr Leben so leben können, wie sie wollen", sagt er. Und das spiele eben auch im Arbeitsleben eine Rolle. "Die Gesellschaft ist heute so vielfältig und bunt wie nie. Das ist ein Kapital, das Unternehmen nutzen müssen", sagt er. Ähnlich sieht es Haggenmüller: Früher hätten in Firmen häufig Menschen zusammengearbeitet, die sich glichen. "Es wurde eher uniformes Verhalten gefördert. Das führte etwa dazu, dass Führungskräfte häufig ähnliche Hintergründe hatten", sagt er. Noch heute ließe sich auf mancher Vorstandsebene ähnliches beobachten, sagt Dirschl und zitiert die Studie der Allbright-Stiftung, wonach es in deutschen Unternehmen, die an der Börse notiert sind, mehr Vorstandsmitglieder gibt, die Thomas oder Michael heißen als Frauen.
Diverse Unternehmen sind oft wirtschaftlich erfolgreicher
Diese Tendenz, immer ähnliche Menschen zu fördern, hat wirtschaftliche Nachteile für Firmen, ist sich Dirschl sicher und nennt eine andere Studie: Vor kurzem hat der Lesben- und Schwulenverband herausgefunden, dass Menschen, die am Arbeitsplatz ihre sexuelle Orientierung verstecken müssen, 20 Prozent weniger produktiv sind. "Das ist Arbeitskraft, die den Unternehmen verloren geht, wenn sie nicht offen sind", sagt Dirschl. Und solche Beispiele gibt es noch mehr: Ist ein Unternehmensvorstand mit Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen besetzt, steigt die Wahrscheinlichkeit, höheren Profit zu machen, um 43 Prozent. Das hat eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey ergeben.
Für Dirschl ist das nicht verwunderlich. Wenn Menschen mit ganz verschiedenen Blickwinkeln zusammenarbeiten, können sie eine Situation umfassend betrachten. Und deshalb auch innovativere Lösungen finden, sagt er. Genauso sieht es der LEW-Personaler Haggenmüller. "Wir halten unsere Führungskräfte dazu an, zu überlegen: Wie stelle ich ein diverses Team zusammen? Und wir halten unsere Mitarbeiter an, diese Vielfalt im Team auch zu leben. Ihre Sichtweisen einzubringen. So bekommen wir bessere Ergebnisse für das Unternehmen", sagt er.
Das Thema Vielfalt ist also kein Selbstzweck. Einen zweiten Zweck hat es aber schon: Marketing. Unternehmen, die auf Diversity setzen, haben einen Vorteil bei der Personalsuche, sagt Dirschl. Viele Unterzeichner der Charta werben auch damit in Stellenanzeigen. "Junge Menschen wollen in Unternehmen arbeiten, die divers sind", sagt er. Aber welche Maßnahmen die Betriebe umsetzen, das kann die Initiative nicht kontrollieren. "Wir können nur Anreize setzen", sagt er. Manche Unternehmen seien sehr aktiv. Andere machen eher weniger. Etwa eine Firma aus der Region. Sie zählt schon sehr lange zu den Unterzeichnern der Charta. Auf die Nachfrage, was das konkret bedeute, erfährt man aus der Personalabteilung: "Charta der Vielfalt sagt mir gar nichts. Ist das nicht eher ein Thema für das Marketing?"
Die Diskussion ist geschlossen.