Warum einige Unternehmen keine Azubis finden
Manche Lehrstellen sind begehrt, andere nicht. Doch selbst gefragte Betriebe tun sich schwer. Warum nur?
Nicht mal mehr ein halbes Jahr haben alle, die 2017 eine Ausbildung beginnen wollen, noch Zeit, um sich zu bewerben und eine geeignete Stelle zu finden. Doch während sich die Bewerbungen für bestimmte Stellen gewissermaßen aufstauen, weil die Ausbildungsplätze so begehrt sind, interessiert sich für andere Stellenangebote fast niemand. Gleichzeitig ist es aber so, dass manche Unternehmen, obwohl sie viele Bewerbungen bekommen, keine geeigneten Azubis finden. Wie lässt sich das erklären?
Zunächst zur ungleichen Verteilung von Angebot und Nachfrage bei Lehrstellen: Josefine Steiger, die bei der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK) für den Bereich Ausbildung zuständig ist, sagt, dass viele Betriebe aus dem Bereich Gastronomie oder Hotelgewerbe resigniert hätten. Sie suchten zwar Lehrlinge, fänden aber nur schwer welche. Genau anders herum verhält es sich etwa bei Stellenausschreibungen zur Ausbildung für Kauffrauen oder -männer für Büromanagement. Dort bewerben sich hunderte für eine Stelle.
IHK-Expertin Steiger sagt, Das liege etwa daran, dass viele Schüler nicht genau wüssten, welche Tätigkeit sich hinter einer Berufsbezeichnung verbirgt. Ähnliche Erfahrungen hat auch Susanne Sylvester von der Handwerkskammer für Schwaben (HWK) gemacht. Sie sagt: „Es gibt Ausbildungsberufe, die bekannter sind und somit von Jugendlichen mehr nachgefragt sind.“
Dazu komme, dass manche Betriebe sich schwertun, Lehrlinge zu finden, weil sie in Regionen lägen, die für Minderjährige schwer zu erreichen seien oder weil sie unbekannt seien. Andere wiederum werben viel für sich, was dazu führt, dass sie mehr Bewerbungen bekommen. Ein Grund, warum so viele Lehrstellen offenbleiben, ist auch der demografische Wandel. Das sagen sowohl Sylvester als auch Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW).
Doch das alles erklärt nicht, warum sich selbst Betriebe mit vielen Bewerbern schwertun, geeignete Lehrlinge zu finden. Ist das Niveau an den Schulen wirklich so sehr gesunken? Oder sind die Betriebe einfach zu anspruchsvoll?
Sylvester von der HWK sagt: Im Handwerk seien zwar wenige Betriebe von diesem Problem betroffen, weil sie schon in den Schulen in Praktika und Berufsorientierung investieren, die Schüler also wüssten, was auf sie zukommt. „Es kommt aber vor, dass ein Bewerber nicht auf das Stellenprofil passt, etwa weil sein mathematisches oder technisches Verständnis ungenügend ist.“
Ähnlich sieht es auch Brossardt von der VBW: „Etwa 15 bis 20 Prozent eines Absolventenjahrgangs der allgemeinbildenden Schulen verfügen nach Abschluss der Pflichtschulzeit nur über eine unzureichende Ausbildungsreife sowie mangelndes Leistungsvermögen und eine zu geringe Motivation“, urteilt er. Sogar Simone Fleischmann, Präsidentin vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), räumt ein, dass das Niveau an den Mittel- und Realschulen gesunken sei. Allerdings liege das vor allem an der Akademisierung.
Ein Schlagwort, das alle Befragten gerne in den Mund nehmen. Gemeint ist, dass immer mehr Buben und Mädchen erst aufs Gymnasium gehen und dann studieren. „Früher sind vielleicht zwei Schüler aus einer vierten Klasse auf das Gymnasium gegangen. Der Rest wechselte auf die Real- oder Hauptschule. Heute gehen vielleicht zwei Schüler auf die Mittelschule“, sagt Fleischmann. Jacqueline Schuster von der IHK ergänzt, dass sich heutzutage die Vorstellung durchgesetzt habe, ein Kind könne nur dann Karriere machen und es zu etwas bringen, wenn es auch Abitur hat und studiert. „Das stimmt natürlich nicht. Ein Unternehmen braucht etwa 70 Prozent Fachkräfte und nur 30 Prozent Akademiker“, sagt sie. Die Quote der Bewerbungen sei umgekehrt.
Noch etwas komme hinzu, findet Fleischmann. „Die Wirtschaft weiß nicht, was sie will“, sagt sie. Ihr Kollege Jürgen Wunderlich, bayerischer Vorsitzender des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen, stimmt ihr zu. „Die Erwartungen der Ausbildungsunternehmen an die Auszubildenden sind zu hoch“, sagt er. Fleischmann erzählt dazu noch eine Geschichte: Unlängst habe sie mit einem Vertreter der bayerischen Wirtschaft in einer Podiumsdiskussion gesessen. „Er sagte zu mir, die Unternehmen bräuchten Lehrlinge, die einfach ausführen, was man ihnen sagt. Und keine, die erst noch überlegen, wie sich Dinge besser angehen ließen.“ Doch die Pädagogin sagt: „Solche Schüler bilden wir seit Jahren nicht mehr aus.“
Die Diskussion ist geschlossen.