Warum werden trotz des Baubooms Bauarbeiter entlassen?
Die Baubranche klagt über fehlende Fachkräfte und trotzdem steigt auch heuer wieder saisonbedingt die Arbeitslosigkeit. Wie passt das zusammen?
Der Januar gilt als Monat, in dem traditionell die Arbeitslosenquote steigt. In ihrer Analyse sagt die Arbeitsagentur meist, der Anstieg sei „saisonbedingt“. Das heißt: Betriebe, die von Wetter abhängig sind – Unternehmen aus der Tourismusbranche, dem Gastgewerbe oder der Bauindustrie –, stellen ihre Mitarbeiter aus, weil sie nicht genug Aufträge haben.
So ist es auch in diesem Jahr. Im Vergleich zum Dezember 2017 hat die Arbeitlosenquote in Bayern um 18,7 zugenommen. Verglichen mit dem Vorjahr wird aber deutlich, dass der Beschäftigungsboom anhält. Denn im Jahresvergleich ist die Zahl der Arbeitslosen um 8,2 Prozent gesunken.
In der Baubranche droht ein Fachkräftemangel
Verbindet man diese Nachricht aber mit einer anderen, ergibt sich eine Merkwürdigkeit: In dieser Woche teilte die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt – kurz IG Bau – mit, dass der Baubranche ein verschärfter Fachkräftemangel drohe. Zwei Drittel der offenen Stellen in der Baubranche in Schwaben seien im vergangenen Jahr länger als drei Monate unbesetzt geblieben, heißt es. „Während die Baukonjunktur so gut dasteht wie zuletzt Ende der 1990er Jahre, finden Unternehmen oft keine Fachleute mehr“, sagt Michael Jäger, Bezirksvorsitzender der IG Bau. Nur wie passen die saisonbedingten Entlassungen und die fehlenden Fachkräfte zusammen?
„Ich kann mir das auch nicht erklären“, sagt Holger Seit, Sprecher der Vereinigung des Bayerischen Baugewerbes. Natürlich sei es in der Baubranche üblich, Mitarbeiter von November bis März freizustellen, fügt er an. Etwa weil öffentliche Bauträger ihre Aufträge erst im Frühjahr ausschreiben. Aber in den vergangenen Jahren hätten saisonbedingte Kündigungen nachgelassen. „Viele dieser Mitarbeiter bekommen ein saisonales Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur“, sagt er.
Sobald es das Wetter zulässt, fangen sie wieder bei ihren alten Arbeitgebern an. Dennoch zählen sie so lange als arbeitslos. Olga Saitz, Sprecherin der für Bayern zuständigen Abteilung der Arbeitsagentur, sagt, es komme auf den Fokus an: „Wenn Arbeitgeber von Fachkräftemangel sprechen, dann betrachten sie das ganze Jahr und nicht eine Saison.“ Außerdem sei auch im Januar die Zahl der offenen Stellen in der Baubranche in Bayern gestiegen. Momentan seien mehr als 8300 offenen Stellen in diesem Bereich gemeldet. Es stimmt also: Die Branche sucht.
Jugendliche für die Baubranche zu begeistern, ist schwer
Warum sie niemanden findet, hat mehrere Gründe. Zum einen haben wegen der guten Konjunktur im Bau schon viele Menschen einen Job. Und dem Baugewebe geht es erst seit etwa fünf Jahren wieder gut. Um die Jahrtausendwende wurden dagegen massiv Stellen abgebaut – dieses Personal wieder zu finden, sei eine Herausforderung, sagt Seit. Ein weiterer Grund: Die Baubranche kämpft um Lehrlinge.
Zwar sei die Zahl der Azubis im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 1994 wieder deutlich gestiegen, aber es ist schwer, junge Menschen für den Bau zu begeistern, sagt Karl Bauer, der für Schwaben zuständige Regionalleiter der IG Bau. „Das ist zum Teil ein Versagen der Unternehmen“, sagt er. „Sie haben die Branche jahrelang schlechtgeredet. Da muss man sich nicht wundern, wenn sich Jugendliche nicht mehr dafür interessieren.“ Dabei spricht aus seiner Sicht viel für den Baubereich. In den kommenden zehn Jahren werden viele in den Ruhestand gehen – auch aus der Führungsebene. „Die Aufstiegschancen im Baugewerbe sind exzellent“, sagt er.
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