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Foto: Uli Deck, dpa (Symbol)
Foto: Uli Deck, dpa (Symbol)

Baustellen, kaputte Züge und schrumpfender Gewinn – die Bahn schafft es einfach nicht, ihre Probleme zu beheben.

Deutsche Bahn
12.09.2018

Wenig Geld, unpünktliche Züge: Bahn bleibt eine Großbaustelle

Von Jens Reitlinger

Konzernchef Richard Lutz richtet eine schonungslose Analyse an seine Führungskräfte. Die Unternehmenslage droht sich noch weiter zu verschärfen.

Schrumpfende Gewinne, immer mehr unpünktliche Züge, wachsende Schulden: Der Vorstand der Deutschen Bahn hat in einem vierseitigen Brandbrief die schwerwiegende Problemlage aufgezeichnet, in der sich das Staatsunternehmen befindet. Die Situation der Bahn habe sich in den vergangenen Monaten „nicht verbessert, sondern verschlechtert“, schreibt Konzernchef Richard Lutz darin. Die Führungskräfte des Unternehmens schwört er inständig auf bessere Zusammenarbeit ein.

Als ein Hauptproblem nennt Lutz die Pünktlichkeit im Fernverkehr: Sie sei „weiter abgerutscht“ und habe im August nach kontinuierlichem Rückgang bei nur 76 Prozent der Fernzüge gelegen – ein schlechterer Wert als im Jahr 2015, als die Bahn das Projekt „Zukunft Bahn“ ins Leben gerufen hat. „Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit ist außerdem klar, dass wir 2018 weder die Vorjahreswerte und schon gar nicht unser Ziel erreichen werden“, schreibt Lutz. Die erklärte Vorgabe war es, dass vier von fünf Fernzügen mit weniger als sechs Minuten Verspätung in ihren Zielbahnhöfe eintreffen sollten. „Eigene Themen wie die Fahrzeugverfügbarkeit haben wir schlicht nicht im Griff“, bemängelt er. Zu viele Züge müssten wegen eines Defekts ausfallen.

Auch das Informationssystem der Deutschen Bahn wird kritisiert

Was diese Missstände für die Passagiere bedeuten, weiß Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn. Dort gehen regelmäßig Erfahrungsberichte verärgerter Bahnkunden ein. „Bei uns hat sich seit längerer Zeit niemand mehr lobend geäußert“, sagt Naumann. Dennoch plädiert er für Fairness – in vielen Fällen sei die Unpünktlichkeit der Züge auf umgestürzte Bäume oder andere äußere Faktoren zurückzuführen. Wirklich ärgerlich sei aber, dass viele Bahnfahrer auf Reisen nur mangelhaft oder überhaupt nicht über alternative Routen und Züge informiert würden. „Über das Informationssystem und den Service beschweren sich weit mehr Kunden, als über die Unpünktlichkeit der Züge“, sagt Naumann.

Der Analyse des Vorstandschefs Lutz stimmt der Vorsitzende des Fahrgastverbands aber zu. In den Zugausfällen sieht auch Naumann ein Hauptproblem. „Einige Triebfahrzeuge sind sehr anfällig und wartungsintensiv, dafür fehlt ständig Geld“, sagt er. Naumanns Ansicht nach werde die Bahn „kaputtreguliert und kaputtgespart“. Der Sparkurs verursache einen Großteil der Ausfälle. Als Beispiel führt er die Ausgaben einiger Nachbarländer an, in denen das Budget pro Jahr und Fahrgast um ein Vielfaches höher liege, weswegen die Probleme dort geringer ausfielen. Auch veraltete Streckenabschnitte nennt er als Problem, nimmt die Bahn jedoch in Schutz. Für die schleppende Modernisierung der Strecken sieht Naumann auch die Öffentlichkeit in der Verantwortung: „Bürgerbeteiligung ist richtig, doch die Abwehrhaltung einiger Menschen gegen Streckenausbauten ist zum Teil schlicht irrational.“

Im Schreiben des Bahnvorstands ist auch vom Rückgang der Gewinne die Rede. Diese lägen „deutlich unter dem Vorjahr und weit weg von unserer Zielsetzung“, wie es in dem Brief weiter heißt. Das Defizit sei bereits auf rund 160 Millionen Euro angewachsen. Damit rückt die bereits auf 2,1 Milliarden Euro reduzierte Zielvorstellung weiter in die Ferne. Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn führt die fehlenden Gewinne auf Rabattschlachten mit der Konkurrenz zurück. „Fernbusse und Billigflieger unterbieten sich gegenseitig mit Angeboten, das drückt die Preise“, sagt Naumann. Trotz steigender Fahrgastzahlen könne man so auf Dauer die notwendigen Investitionen nicht decken.

Vorstandschef Lutz kündigt strenge Kostenkontrollen an

Aus diesem Grund hat der Vorstand in seinem Schreiben eine strenge Kostenkontrolle beschlossen. Die Maßnahme gelte ab sofort und bis auf Weiteres, schreibt Lutz. Notwendige Ausgaben für den laufenden Betrieb und für alle Anstrengungen, „die wir im Sinne Kunde, Qualität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit unternehmen, laufen selbstverständlich weiter“.

Die kritische Lage der Bahn ruft auch die Politik auf den Plan. Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und Vorsitzender des Verkehrsausschusses, sieht die Bundesregierung in der Pflicht: „Die katastrophale Situation der Deutschen Bahn ist das Ergebnis einer ambitionslosen, ignoranten und hemdsärmeligen Bahnpolitik der Union in den vergangenen Jahrzehnten“, sagt Hofreiter. Seiner Ansicht nach müsse die Regierung kräftig in das Netz investieren und sich als alleiniger Eigentümer im Aufsichtsrat besser durchsetzen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zur aktuellen Situation der Bahn äußern.

Von Schuldzuweisungen sieht Bahnchef Lutz in seinem Brandbrief ab – „das bringt uns nicht weiter“, erklärt er in der letzten Passage des Schreibens. Er ruft dazu auf, zusammenzustehen und gemeinsam zu kämpfen. Auf lange Sicht müssten die Führungskräfte Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Zudem gelte es, die Zusammenarbeit zu stärken – derzeit werde „Verantwortung hin- und hergeschoben“. Insgesamt sei der Vorstand jedoch überzeugt, dass „wir diese schwierige Situation überwinden“ werden. (mit AFP)

39 Bilder
Foto: Michael Eichhammer
Was passiert eigentlich mit alten Bahnhöfen?
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Der Straßenbahn-Betriebshof der Stadtwerke Augsburg am Roten Tor. Das Gebäude diente von 1840 bis 1846 als erster Augsburger Bahnhof der Bahnlinie München - Augsburg.

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Die Halle mit basilikalem Querschnitt und hölzerner Tragwerkkonstruktion steht unter Denkmalschutz.

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Seit 37 Jahren im Dienst der Stadtwerke: Elektriker Roland Burghart (54) im Straßenbahn-Depot. Deutlich älter: der Triebwagen 14. Er fuhr 1898 mit 30 km/h durch Augsburg.

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Schöner Fahren: Die Gemeinde Diedorf kaufte der Deutschen Bahn den Bahnhof ab, um ihn selbst zu sanieren.

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Salvatore Sabino betreibt den Kiosk am Bahnhof Diedorf. Seine Stammkundschaft sind weniger Bahnreisende als Fans des FCA, denn Sabino zeigt die Spiele per Sky.

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Irgendwo im Nirgendwo: Der ehemalige Bahnhof Reichertshofen (Gemeinde Mittelneufnach) wurde vom Verein Staudenbahnfreunde e.V. vor dem Verfall bewahrt.

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Papp-Fahrkarten erinnern im stillgelegten Bahnhof Reichertshofen an die gute alte Zeit der Staudenbahn.

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Hubert Teichmann von der Firmengruppe Staudenbahn steht hinter dem Fahrkartenschalter und zeigt, wie der Bahnhof Reichertshofen früher aussah.

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Westernstadt-Atmosphäre: Der Bahnhof Reichertshofen war Teil der Staudenbahn-Strecke. Um deren Erhalt kümmert sich die Firmengruppe Staudenbahn.

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Viele bunte Sticker erinnern am Bahnhof Langweid an die Achtziger Jahre.

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Allein das Treppenhaus zeigt, wie renovierungsbedürftig der Geisterbahnhof Langweid ist.

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Auch der Ofen im alten Bahnhofshaus von Langweid ist schon lange aus.

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Die alte Fußgängerunterführung des Bahnhofs Langweid.

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Das Kellergewölbe des alten Bahnhofs Langweid.

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Das sanierungsbedürftige Gebäude des Bahnhofs Langweid soll in einer von der EU geförderten Initiative zum Kulturbahnhof ausgebaut werden.

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Von außen sieht er eigentlich ganz passabel aus: Der Geisterbahnhof von Langweid.

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Benedikt Gleich will das alte Gebäude in Langweid zu einem Kulturhaus umbauen - einem Kulturbahnhof.

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Der ehemalige Bahnhof von Lameringen ist heute ein Wohnhaus. Die Deutsche Bahn hat das Gebäude an Privatleute verkauft.

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Ebenfalls in die Jahre gekommen ist der Bahnhof in Inningen.

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Auch im alten Bahnhofsgebäude von Inningen ist schon lange nichts mehr los.

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Im alten Bahnhofsgebäude von Obergriesbach wohnen mittlerweile Privatleute.

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Vor dem Haus in Obergriesbach hält immer noch der Zug am Bahnsteig.

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In Klosterlechfeld wird das alte Bahnhofsgebäude derzeit saniert.

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Noch sieht es dort vor allem nach großer Baustelle aus.

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Gespenstisch schön: Einblick in das ehemalige Empfangsgebäude des Bahnhofs in Klosterlechfeld.

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In Hochzoll wurde am Gutshof Stierhof die erste Hochzoller Bahnstation für die neue Bahnstrecke München–Augsburg (1839/1840) eingesetzt.

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Modern ist hier am Friedberger Bahnhof lediglich der Fahrkartenautomat.

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Auch der Untersstand aus Holz verrät: Hier wurde schon lange nichts mehr gemacht.

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Grausiger Fund im verlassenen Bahnhof Horgau.

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Noch wirkt es hier eher gespenstisch als gastlich, doch nach der Sanierung soll der alte Bahnhof Horgau als Gaststätte dienen.

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Koch und Bauherr: Hermann Lauter will Horgau um eine Attraktion bereichern. Der Bahnhof soll zum Gastro-Hotspot für Wanderer, Radfahrer und Motorradfahrer werden.

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Dieser Mann hat große Pläne: Hermann Lauter will aus dem ehemaligen Bahnhof Horgau einen gastronomischen Betrieb mitsamt Camping Platz machen.

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Der alte Bahnhof in Horgau. Die Anbauten für den gastronomischen Betrieb gibt es bisher nur auf dem Papier.

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Große Pläne: Hermann Lauter will aus dem ehemaligen Bahnhof Horgau einen gastronomischen Betrieb mitsamt Camping Platz machen.

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Der stillgelegte Bahnhof von Adelsried wurde 1997 von der Gemeinde an den hiesigen Gartenbau- und Landschaftspflegeverein verpachtet.

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Petra Lohwasser, Vorstand des Gartenbau- und Landschaftspflegevereins Adelsried, kennt das heutige Vereinsheim aus der Kindheit noch in seiner Funktion als Bahnhof.

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Ein stillgelegter Bahnhof dient in Adelsried als Vereinsheim.

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Der heutige Vereinsraum des Gartenbauvereins in Adelsried war früher der Lagerraum des Bahnhofs. Durch die Schiebetore wurden Lasten in die Züge manövriert.

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1983 war die Weldenbahn zwischen Augsburg und Welden noch in Betrieb.

 

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