Wie Opel wieder in die Spur fand
Fast zwei Jahrzehnte schrieb der Traditionshersteller rote Zahlen. Seit Peugeot das Sagen hat, glänzen die Rüsselsheimer mit guten Ergebnissen. Wie kam das?
Einmal Opel, immer Opel. Die Treue der Fahrer zu ihrem Autobauer ist legendär. Wie bei allen Legenden ist nicht alles wahr an diesem Stoff. Hinter dem Traditionsunternehmen liegt eine lange Nacht. Erst seit kurzer Zeit macht sich wieder Stolz breit am Stammsitz in Rüsselsheim. Die Auferstehung leuchtet aber so hell, dass sich die Branche verwundert die Augen reibt. Schon in wenigen Jahren könnte Opel so profitabel sein wie Daimler und BMW. Außerdem bringt die Marke mit dem Blitz bald viele neue Modelle heraus, die den Absatz antreiben dürften.
Opel steckte fast zwei Jahrzehnte in der Krise
Opel? Das waren doch die, die es nicht können. Denn für sagenhafte 18 Jahre war die Bilanz am Ende des Jahres rot. Über 19 Milliarden Dollar versenkte General Motors in dieser Zeit in der deutschen Tochter. Die viel beschworene Treue der Opelfahrer bekam erst Risse und wurde schließlich brüchig. „Mit jeder Modellgeneration hat man sich verschlechtert“, sagt Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Das beinahe zwei Jahrzehnte währende Siechtum nennt Pieper ein Phänomen. In der deutschen Wirtschaftsgeschichte dürfte es nur wenige vergleichbare Leidenszeiten gegeben haben.
Das Ende der Verlust-Ära und der Neuanfang lassen sich bei Opel eindeutig bestimmen. Als General Motors sich nach beinahe 90 Jahren am Ruder aus Rüsselsheim verabschiedete und Peugeot aus Frankreich das Kommando übernahm, wurde es schlagartig besser. „Für GM rangierte Europa in der Bedeutung weit hinter Asien und Südamerika. Entsprechend wurde auch nicht die erste Riege der Manager geschickt“, meint Pieper. Die amerikanische Vorstellung von einem Auto habe nicht mehr mit der europäischen unter einen Hut gebracht werden können.
Seit Opel zu Peugeot gehört, geht es bergauf
Paris und Rüsselheim liegen nur 550 Kilometer voneinander entfernt. Die Distanz in Autodingen ist klein, zumal beide Marken nicht zur Oberklasse zählen. Die Deutschen profitieren davon, dass in der Peugeot-Konzernzentrale in einem Pariser Vorort ein Hexenmeister aus Lissabon schaltet und waltet. Was er jetzt bei Opel durchziehen will, hat Carlos Tavares zuvor schon einmal in seinem eigenen Konzern geschafft. Kostenkiller wird er genannt – oder härtester Automanager Europas. Der Hobbyrennfahrer arbeitete sich über 30 Jahre bei Renault nach oben und kam dann nicht an der Nummer eins vorbei. „Es gibt den Moment, da haben Sie Energie und Appetit, die Nummer eins zu werden“, sagte er in einem Interview und musste bei Renault gehen.
Bei Peugeot-Citroën wurde Tavares schließlich Chef und sanierte den arg angeschlagenen Autohersteller binnen zwei Jahren. Zuvor verbrannte der Hersteller mehrere Millionen Euro am Tag. Der 60-Jährige strich die Modellpalette radikal zusammen, lagerte Bereiche aus, baute 20.000 Stellen ab, um die Kosten radikal zu senken. Auch mit weniger verkauften Autos sollte Peugeot Geld verdienen.
Als er 2017 Opel von den Amerikanern für 1,3 Milliarden Euro übernimmt, hat er die Blaupause für die Rettung schon im Kopf. Und mit den Deutschen kann er noch effizienter werden, weil die Typen-Baukästen auf mehr Modelle ausgerollt werden können und die teure Entwicklung zusammengelegt werden soll.
Mehr Gewinn trotz weniger verkauften Autos - wie geht das?
Tavares’ Mann in Rüsselsheim ist Michael Lohscheller. Er trägt eine schmale, randlose Brille und ist ein Zahlenmensch. Die längste Zeit seines Berufslebens achtete er darauf, dass andere nicht zu viel Geld ausgeben. Er begann seine Karriere als Controller, später als Finanzvorstand. Der 50-Jährige gilt als nahbarer Chef. Einmal im Monat geht er mit einer Laufgruppe joggen – „run with the Boss“ nennt sich die Veranstaltung, bei der die Opelaner den Chef löchern können. Lohscheller rückte an die Spitze, weil Tavares seinen Vorgänger abservierte. Unter der Ägide des Münsterländers verdiente der Hersteller im ersten Halbjahr rund 700 Millionen Euro und damit 200 Millionen Euro mehr als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. „Damit nimmt auch das Selbstbewusstsein in der Belegschaft zu. Wir haben sicherlich viele Dinge richtig gemacht und sind auf einem sehr guten Weg“, kommentiert der Opel-Chef den unerwarteten Erfolg.
Dieser gelang, obwohl die Zahl der verkauften Wagen sogar minimal zurückgegangen ist. Lohscheller ist zuversichtlich, in diesem Jahr eine Rendite von sechs Prozent zu schaffen. Anvisiert war das eigentlich erst für die Mitte des kommenden Jahrzehnts. „Es ist durchaus realistisch, dass sie in drei Jahren acht Prozent erreichen. Dann sind sie so profitabel wie Premiumhersteller“, sagt Branchenkenner Pieper. Peugeot als Gesamtkonzern ist schon heute da. Die höhere Profitabilität konnte auch dadurch erzielt werden, dass heute hierzulande mit rund 16.000 Mitarbeitern 3000 weniger für das Unternehmen arbeiten als unter GM. In der Belegschaft ist zwar einerseits das Selbstvertrauen zurück, andererseits herrscht wegen der Stellen-Kürzungen auch nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Bis zum Jahr 2023 sind betriebsbedingte Kündigungen allerdings ausgeschlossen.
In vielen Autos von Opel stecken jetzt Bauteile von Peugeot
Während Opel das Geldverdienen schnell wiedererlernt hat, soll nun der Absatz nach oben gebracht werden. Zwischen Anfang 2019 und Ende 2020 werden die Kunden aus acht neuen oder generalüberholten Modellen auswählen können. Große Hoffnungen hängen am Verkaufsschlager Corsa, der seit diesem Jahr in seiner fünften Auflage bei den Händlern bestellt werden kann. Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres sollen die ersten ausgeliefert werden. Der Corsa wird auch als E-Auto gebaut, für das 30.000 Euro auf den Tisch gelegt werden müssen. Das ist mehr als doppelt so viel wie für die günstigste Variante mit klassischem Benzin-Motor.
Am neuen Corsa lässt sich der Verbund mit den Franzosen gut nachvollziehen. Er basiert auf der Untergruppe des Peugeot 208, sieht aber dennoch ganz anders aus. „Dem Kunden ist es egal, wenn Dinge mit gleichen Bauteilen verbaut sind, die er aber nicht sieht“, erklärt Jürgen Pieper.
Neben dem Kleinwagen soll kommendes Jahr der Nachfolger des SUV Mokka vorgestellt werden. Das Segment steht derzeit für ein Viertel der vergangenes Jahr verkauften 570.000 Wagen. Schon rasch sollen vier von zehn verkauften Autos SUVs sein.
Unter der Regie des Mutterhauses ist eine Expansion ins Ausland fest eingeplant, ohne dabei große Summen in einen Neuaufbau des Vertriebs zu investieren. Dazu zählt die Rückkehr nach Russland, wo die Autos mit dem Blitzemblem einen guten Ruf haben. Außerdem sollen sie in Nordafrika über die Straßen rollen.
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