Wie das Handwerk geschickt für sich wirbt
Seit sieben Jahren läuft eine Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Ihr Ziel ist es, Auszubildende zu finden. Warum sie erfolgreich ist.
Seit kurzem haben Charlotte Stanke und Marvin Möller ihr Abitur in der Tasche. Und jetzt? Weltreise, Work-and-Travel in Australien oder studieren? Nein. Die beiden Norddeutschen reisten einmal quer durch Deutschland. Von Norden nach Westen, nach Osten nach Süden.
Doch anders als andere Abiturienten haben sie nicht das süße Leben genossen, sondern gearbeitet – sich in 44 Handwerksbetrieben zeigen lassen, wie Maurer, Schreiner oder Bestatter arbeiten. Auch in der Region kamen die "Rekordpraktikanten" vorbei – bei der Baufirma Bendl in Günzburg.
Beeindruckende Idee, die die beiden hatten, oder? Fast. Denn sie stammt nicht von der 19-jährigen Stanke und dem 18-jährigen Möller. Sondern von der Werbeagentur Heimat. Die beiden sind Teil einer Kampagne, mit der das Handwerk für sich und um Auszubildende wirbt. Und das erfolgreich. Denn die Ausbildungszahlen im Handwerk sind in diesem Jahr gestiegen – in Schwaben gar um 8,3 Prozent.
Zentralverband des Deutschen Handwerks startete die Kampagne vor sieben Jahren
Begonnen hat diese Imagekampagne vor sieben Jahren, als der Zentralverband des Deutschen Handwerks einen aufwendigen Werbespot startete. Zu sehen waren Menschen in einer Großstadt, die zerbröckelte. Häuser, Möbel, Essen, Frisuren – alles zerfiel. Die Botschaft: Ohne das Handwerk gäbe es das Leben, wie wir es kennen, nicht.
Fragt sich nur: Warum braucht der Zentralverband so etwas? "Ziel einer Imagekampagne ist es, das Selbstbild darzustellen und damit das Fremdbild zu prägen", erklärt Professor Manfred Uhl, der an der Hochschule Augsburg Marketing unterrichtet. Will heißen: So wie sich eine Einrichtung, ein Bundesland, ein Berufsstand sieht, so soll er auch in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Und dem Handwerk war sein Image wohl zu angestaubt und seine Leistungen zu wenig anerkannt.
Während der erste Film auf die Gesamtbevölkerung zielte, wechselte die Kampagne nach und nach den Fokus. Ins Zentrum rückten potenzielle Azubis. Denn viele Betriebe klagen über Nachwuchssorgen. In diesem Jahr versuchte das Handwerk mit dem Schlagwort „#einfachmachen“ Jugendliche zu begeistern – im kommenden will es unter dem Motto "Was hast du heute gemacht?" die Zielgruppe erreichen.
Werbeaktion findet in den Sozialen Medien statt
Die meisten Erwachsenen haben von der Kampagne vermutlich nichts oder wenig mitbekommen. Denn die Werbungsaktion findet da statt, wo sich die Jugendlichen tummeln: in sozialen Netzwerken. Das sei ein Aspekt, der erklären könnte, warum die Imagekampagne funktioniere, sagt Uhl.
Dazu komme ein anderer: "Die Kampagne richtet sich an Jugendliche. Deshalb verwendet sie eine Wort- und Bildsprache, die in dieser Zielgruppe ankommt", sagt er. Das heißt: Die Videos auf Youtube erinnern an Clips, die auf dem Kanal Bibis Beauty Palace laufen – einem Kanal, den viele Jüngere lieben. Auf Instagram finden sich Selfies, kleine Videos und witzige Fotos.
Kampagnenerfolg liegt im Beachten realer Probleme von Jugendlichen
Ein anderer Grund für den Erfolg sei, dass sich die Kampagne mit einem echten Problem von Schülern beschäftige, sagt der Marketingprofessor. "Es geht um die Frage, die Jugendlichen ständig gestellt bekommen: Was willst Du eigentlich werden? Eltern, Verwandte und andere üben damit Druck aus." Doch oft wüssten die Jugendlichen keine Antwort. Da setze die Kampagne an. "Sie sendet die Botschaft aus: Alles halb so schlimm. Probier einfach etwas aus."
Auch Stanke und Möller berichten bei ihrem Termin in Günzburg, dass die Strategie funktioniere. "Wir bekommen total viele Reaktionen. Leute schreiben uns: Ach toll, ich bin auch Schreiner. Oder: Das sieht toll aus, wie kann ich das machen?", erzählt Stanke. Und da sieht Uhl eine Gefahr: Das Ziel kann nicht nur sein, ein möglichst cooles Bild des Handwerks zu vermitteln.
Es muss mit der Realität übereinstimmen, damit die Kampagne auf Dauer erfolgreich ist. "Die Kampagne kann nur gelingen, wenn das Bild der Ausbildung möglichst nahe am realen Leben in den Ausbildungsbetrieben ist. Wenn der Alltag dort anders aussieht und deshalb zur Enttäuschung führt, bleibt die Kampagne auf halber Strecke stehen", sagt Uhl.
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