Wie der Amazon-Chef seinen Ruf aufpoliert
Amazon-Chef Jeff Bezos macht mit seiner Zeitung Washington Post investigativen Journalismus. Enthüllungsgeschichten sorgten für Furore. Dennoch steht der Milliardär in der Kritik.
Ende vergangenen Jahres sorgte die Washington Post für eine kleine Sensation in der von Defiziten und Jobabbau gebeutelten US-Medienlandschaft. Die angesehene Tageszeitung will mehrere dutzend Journalisten einstellen und damit die Gesamtzahl der Reporter auf mehr als 750 erhöhen. Das ist zwar immer noch bedeutend weniger, als Wall Street Journal und New York Times mit ihren jeweils rund 1500 Mitarbeitern zu bieten haben. Doch die Ankündigung schlug dennoch Wellen: Amazon-Gründer Jeff Bezos, der die Washington Post vor vier Jahren kaufte, setzt auf den Ausbau der Online-Berichterstattung und verstärkt gleichzeitig den investigativen Journalismus, für den das Blatt seit der Watergate-Affäre in den 1970er Jahren berühmt ist.
Jeff Bezos kaufte Washington Post vor vier Jahren
Bezos’ Investitionen zahlen sich aus. Mehrmals seit der Amtseinführung von Donald Trump im Januar hat die Post mit Enthüllungsgeschichten die Politik in Washington beeinflusst. So musste Trumps erster Sicherheitsberater Michael Flynn nach einem Bericht der Zeitung über seine Kontakte zum russischen Botschafter in Washington schon nach wenigen Wochen den Hut nehmen. Bezos’ Zeitung ist, wie ihr Chef und die meisten anderen großen Blätter in den USA, der Regierung von Donald Trump gegenüber kritisch eingestellt.
Die aufgeheizte politische Atmosphäre im Land ist für die US-Zeitungen ein wirtschaftlicher Segen; auch die New York Times meldet steigende Absatzzahlen und hat ihr Hauptstadtbüro in Washington personell verstärkt. Bei der Post geht es ebenfalls steil nach oben. Im vergangenen Jahr habe die Zeitung – auch dank niedriger Abo-Preise – 75 Prozent mehr neue Abonnenten gewonnen als im Jahr zuvor.
New York Times berichtet über ausbeuterische Unternehmenskultur bei Amazon
Mit den Neueinstellungen kann Bezos auch sein eigenes Image ein wenig aufpolieren. Der Unternehmer – mit einem Vermögen von mehr als 66 Milliarden Dollar der drittreichste Mensch der Welt nach Microsoft-Gründer Bill Gates und dem spanischen Geschäftsmann Amancio Ortega – hat bei Kritikern den Ruf eines gnadenlosen Job-Killers.
Vor zwei Jahren berichtete die New York Times in einem Enthüllungs-Dossier über Amazon von einer Unternehmenskultur, die von Ausbeutung, einer gnadenlosen Rivalität unter den Mitarbeitern und einem firmeninternen „Darwinismus“ im Hauptquartier in Seattle geprägt ist. Von mitternächtlichen Dienst-E-Mails mit der Aufforderung zu einer sofortigen Antwort und weinenden Managern im Büro war die Rede. Eine Mitarbeiterin mit Brustkrebs sei in einen „Plan zur Leistungsverbesserung“ gesteckt worden, was einer indirekten Kündigungsdrohung gleichkomme, berichtete das Blatt.
In Deutschland liefert sich die Gewerkschaft Verdi seit Jahren erbitterte Auseinandersetzungen mit dem Online-Kaufhaus. Auch für den Niedergang von Einzelhandelsunternehmen wird der Internet-Riese verantwortlich gemacht. Zudem werden Amazon wie anderen Großunternehmen Strategien zur Steuervermeidung vorgeworfen. All dies hat dem Ruf von Bezos und Amazon ernsthaft geschadet. Als das mit dem Online-Versand von Büchern groß gewordene Unternehmen vor kurzem in Boston seinen ersten Buchladen aus Stein und Glas eröffnete, berichtete die Zeitung Boston Globe von Kunden, die von sich selbst sagten, sie hätten ein schlechtes Gewissen, wenn sie bei Amazon etwas kaufen.
Bezos will Image wohl mit Zeitung aufpolieren
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig Bezos’ neue Erfolge sind. Er lässt nicht nur die Washington Post nach neuen Mitarbeitern suchen. Amazon selbst will bis Mitte kommenden Jahres in den USA zusätzliche 100000 Jobs schaffen und damit auf eine Personalstärke von 280000 wachsen. Dabei sollen sowohl ungelernte Arbeiter wie auch hoch spezialisierte IT-Experten eingestellt werden.
Zu Bezos’ neuen Projekten gehört „Amazon Go“ – Supermärkte ohne Kassen und deshalb auch ohne lästiges Warten in der Schlange. Laut einem Werbeclip für das Konzept betreten Kunden einen solchen Markt mit einer Handy-App, die alle Einkäufe automatisch registriert und nach dem Verlassen des Geschäfts die Rechnung schickt. Pläne für „fliegende Warenhäuser“ – Luftschiffe, von denen Drohnen zur Belieferung von Kunden starten – sorgen ebenfalls für Schlagzeilen.
Daneben greift Bezos auch noch nach den Sternen. Mit seiner Weltraumfirma „Blue Origin“ will der Amazon-Chef die regelmäßige Versorgung einer künftigen menschlichen Siedlung auf dem Mond gewährleisten.
Amazon-Go könnte "Job-Killer" werden
Nachrichten über neue Jobs und technische Innovationen dürften Präsident Trump freuen, der den Amerikanern mehrere Millionen neue Arbeitsplätze und ein neues Wirtschaftswunder versprochen hat. Doch Bezos wird sich kaum für Trumps Zwecke einspannen lassen. Der 53-Jährige ist schon lange ein Kritiker des Rechtspopulisten. Im Januar gehörte Bezos zu den US-Wirtschaftsbossen, die gegen Trumps ersten – und schließlich an den Gerichten gescheiterten – Versuch protestierten, mithilfe eines Einreisestopps den Zuzug von Menschen aus sieben muslimischen Ländern zu stoppen. „Wir sind eine Nation von Einwanderern“, schrieb Bezos, dessen Stiefvater aus Kuba in die USA kam, damals in einer E-Mail an die Amazon-Mitarbeiter.
Trotz aller Bemühungen sehen manche Gegner von Bezos in dem Unternehmer weiterhin vor allem einen Vernichter von Arbeitsplätzen. Die New York Post warf Bezos vor, das Konzept von „Amazon Go“ sehe höchstens zehn Mitarbeiter in den hochmodernen Warenhäusern vor.
Bezos dementierte – doch es nützte nicht viel: Das neue Amazon-Projekt könnte sehr wohl ein „Job-Killer“ werden, sagte Sascha Segan vom PC-Magazine dem Sender CNBC. Wenn das Konzept von Bezos’ Firma umgesetzt werde, „könnte dies das Aus für Kassierer in der gesamten Einzelhandelsbranche bedeuten“.
Die Diskussion ist geschlossen.