Wie ein neues Gesetz den Retouren-Irrsinn lösen soll
Jede sechste Onlinelieferung wird zurückgeschickt – ein Teil der Artikel landet oft im Müll. Eine Gesetzesreform soll das ändern. Welche Anreize kann es geben?
Die Deutschen bestellen gerne im Internet: Ein kurzer Klick und das Produkt liegt im Warenkorb. Einfach und schnell. Doch jede sechste Lieferung geht wieder an den Händler zurück. Insgesamt sind es rund 490 Millionen Artikel, die nach Angaben der Forschungsgruppe Retourenmanagement von der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg jährlich zu ihrem Ausgangsort zurückgesendet werden. Dass ein Teil davon – knapp 20 Millionen Produkte – sogar im Müll landet, sorgte kürzlich für einen Aufschrei.
Diesem Irrsinn soll jetzt ein Ende geboten werden: Durch die Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes will Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Händler dazu verpflichten, ihre Waren „benutzbar“ zu halten. Aus Platz- oder Kostengründen dürften demnach hochwertige Waren nicht mehr einfach entsorgt werden.
Retouren: Reaktionen auf Gesetzesentwurf fallen gemischt aus
Der im Bundeskabinett beschlossene Entwurf stößt jedoch auf geteilte Resonanzen. Während das Vorhaben beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel positiv bewertet wird, äußert der Umweltverband NABU Bedenken. Nötig sei ein Gesetz, das Unternehmen zwinge, recyclingfreundlich zu produzieren.
Björn Asdecker, Leiter der Forschungsgruppe für Retourenmanagement sieht eine solche Forderung kritisch. Er betont: „Es ist nicht sinnvoll, die Vernichtung von Retouren generell zu verbieten.“ Vielmehr müssten Anreize für die Händler geschaffen werden, damit Waren seltener im Müll landen. Ein Verbot, wie es beispielsweise im Nachbarland Frankreich umgesetzt wurde, hält der Experte für erfolglos. „Dann könnte es sein, dass zurückgesendete Artikel einfach ins Ausland verkauft werden, wo sie unter möglicherweise schlechteren Bedingungen vernichtet werden.“
Welche Retouren tatsächlich im Müll landen
Retouren, die in Deutschland tatsächlich in den Abfall wandern, machen nur einen verhältnismäßig geringen Anteil aus: „Wir bewegen uns in einem Prozentsatz von nur vier Prozent – das ist nicht ganz so dramatisch, wie es vermittelt wird“, erläutert Asdecker. Durch eine umfassende Händlerbefragung weiß der Leiter der Forschungsgruppe, dass es sich bei Rücksendungen, die vernichtet werden, meist um Artikel aus dem Niedrigpreissegment handelt.
Teure Waren, die im Müll landeten, seien eine absolute Ausnahme, betont der Experte. Diese Fälle gingen meist auf Marken- und Patentinhaber zurück, die einen Weiterverkauf von Retouren häufig nicht erlaubten. „Ist das Siegel an der Verpackung gebrochen, fürchten viele Hersteller, dass sie nicht mehr für die Qualität des Produktes garantieren können“, erklärt er.
Dass trotz der vorgeschriebenen gesetzlichen Rückgabefrist von 14 Tagen hierzulande viele Händler auf ein längeres Rückgaberecht setzen, habe einen Grund: „Dadurch wird ein zusätzlicher Bestellreiz gesetzt und der Kunde reagiert impulsiver.“ Umsonst sei für Kunden aber auch eine kostenfreie Rückgabe nicht, klärt der Experte auf. Die Kosten seien bereits in den Preisen einkalkuliert. Größere Händler bekämen dadurch einen Wettbewerbsvorteil. „Durch die niedrigeren Kosten für die Rücksendung ist es für sie einfacher als für kleinere Unternehmen“, erläutert Asdecker.
Würde beispielsweise eine generelle Retourengebühr von zwei bis drei Euro eingeführt, so der Experte, könnte vieles verbessert werden. Kunden würden weniger impulsiv kaufen und sich deutlich intensiver mit dem Produkt auseinandersetzen, bevor sie es bestellten. Außerdem könnte durch eine Mindestbestellgebühr die Summe an Bestellungen reduziert werden. Das wiederum hätte nicht nur einen positiven Effekt auf die Anzahl der Rücksendungen – und wohl auch auf Umwelt und Verkehrsbelastung.
Zusätzliche Anreize könnten beim Retouren-Irrsinn ein Ende machen
Auch ein Nachhaltigkeitssiegel oder das Spenden von zurückgesendeten Artikeln sieht Asdecker als Option, um den Retouren-Irrsinn aufzuhalten. Der Experte sagt: „Es ist aktuell sehr viel in Bewegung – wir müssen abwarten, wie sich alles entwickelt.“ Wenn Kunden auf einen nachhaltigeren Versand pochten, würden Händler auch reagieren. Ähnliches gelte für die Bedingungen beim Spenden von retournierten Produkten. „Viele Unternehmen schreckt auch die Umsatzsteuer ab, die auf den Restwert einer Spende anfällt“, erklärt er. Ein weiteres Hindernis in diesem Bereich, so der Leiter, sei, dass zunächst ein Abnehmer für die jeweiligen Artikel gefunden werden müsse. „Ideal wäre ein Register für mögliche Annahmestellen“, sagt er.
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