Dudenhöffer fordert: Keine Mehrwertsteuer ab 10.000 Euro
In der Corona-Krise geben die Staaten Milliarden aus, um der Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Was aber ist der beste Weg?
Der Wirtschaftswissenschaftler und Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ist skeptisch, ob Investitionen in die Infrastruktur geeignet sind, den Corona-Einbruch der Wirtschaft zu bekämpfen. Er fordert stattdessen, den Verkauf teurerer Waren anzukurbeln. Dafür sollte die Mehrwertsteuer ausgesetzt werden.
Um in der Corona-Rezession umzusteuern, werde von Volkswirten und dem Bundesverband der Deutschen Industrie ein milliardenschweres öffentliches Investitionsprogramm vorgeschlagen, zum Beispiel zugunsten des 5G-Ausbaus oder des Straßenbaus, berichtet der Professor. „Der große Haken: Alle öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen müssen in einem sehr mühevollen und äußerst zeitintensiven öffentlichen Ausschreibungsprozess vergeben werden“, sagt Dudenhöffer. „Wir kennen die Beispiele aus der Bundeswehr, von der Bahn, von Straßen-Infrastrukturmaßnahmen, von Maßnahmen zur Verbesserung von Schulgebäuden: Oft müssen Ausschreibungsexperten erst mal gesucht und eingestellt werden.“ Die Ausschreibung dauere dann meist sechs bis neun Monate, anschließend seien die Baubranche oder Lieferanten aber nicht sofort in der Lage, die Aufträge umzusetzen.
„Im Klartext: Es verläuft sehr viel im Sande und große, schnelle Impulse kommen nicht zustande“, argumentiert der Ökonom. „Daher ist es besser, auf die private Nachfrage zu setzen“, sagt Dudenhöffer. „Höherwertige Konsumprodukte und die Fabriken dazu sind vorhanden und leiden unter Auftragsmangel.“
Vorstoß: Für sechs bis neun Monate keine Mehrwertsteuer auf Produkte über 10.000 Euro
Um den Konsum zu stabilisieren, fordert Dudenhöffer deshalb die Aussetzung der Mehrwertsteuer für höherwertige Produkte: „Geld, das private Käufer zum Konsum einsetzen, wirkt sofort“, sagt er. „Das geht ,über Nacht‘ und wirkt ,über Nacht‘. Wir dürfen keine Zeit verlieren, sonst geht die Talfahrt ungebremst weiter.“
Dudenhöffers konkrete Idee: „Für sechs oder neun Monate für alle Produkte über 10.000 Euro die Mehrwertsteuer aussetzen.“
Der Hintergrund: Die Corona-Krise kostet den Staat Milliarden. Viel Geld fließt dabei in den kurzfristigen Erhalt von Arbeitsplätzen. Längst machen sich Wirtschaft, Politik und Forschung aber auch Gedanken, wie mit dem Geld ein langfristiger Weg aus der Krise gestaltet werden kann. Denn für längerfristige Investitionen in Bildung, den Klimaschutz oder die Infrastruktur ist aus Sicht mehrerer Wirtschaftsinstitute die Corona-Krise ein guter Zeitpunkt.
Die Gegenmeinung: Investitionen in die Infrastruktur fördern
„Wir sind an der Kreuzung zwischen Angebots- und Nachfrageschock“, sagte Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln am Donnerstag. „Insofern ist eine solche Situation auch eine Chance, bei aller Unsicherheit Investitionen zu bündeln.“
Gemeinsam mit dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der Uni Mannheim und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin legte Hüther ein Papier mit Vorschlägen vor, wo aktuell welche Ausgaben hilfreich seien. Die Autoren fordern die Bundesregierung auf, öffentliche und private Investitionen unter anderem in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Bildung zu stärken. Unternehmen sollen unterstützt werden, schneller auf klimaneutrale Technologien umzurüsten. Die frei gewordenen Kapazitäten in der Industrie böten dafür eine gute Voraussetzung. Besonders der Bereich der frühen Bildung und Betreuung müsse zudem deutlich ausgebaut werden.
Umweltministerin Schulze: Geld für die Energiewende nutzen
Mit ihren Forderungen nach langfristig orientierten Ausgaben sind die Institute nicht die Ersten. Umweltverbände trommeln schon lange dafür, die anstehenden Milliarden- oder sogar Billionen-Ausgaben in den Abschied von Kohle, Öl und Erdgas zu stecken. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert, Klimaschutz und Wirtschaftsanreize unter einen Hut zu bringen. „Dieser Neustart birgt die Chance auf ein soziales und ökologisches Update unserer Volkswirtschaft“, sagte sie. Konkret nannte sie den Ausbau erneuerbarer Energien, Energiespeicher, die Förderung von Kraftstoffen auf Wasserstoffbasis und von alternativen Antrieben in der Autobranche.
Apropos Autobranche: Die Entscheidung über neue Kaufprämien für Pkw könnte zur Messlatte werden, welche Rolle der Klimaschutz in den deutschen Konjunkturhilfen spielt. Während die Autobauer und die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen auch Prämien für den Kauf neuer Diesel und Benziner wollen, laufen Umweltschützer dagegen Sturm. Anfang Juni soll entschieden werden, ob Autokäufe mit Steuergeldern bezuschusst werden.
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