Zähe Tarifrunde: Metaller müssen den Karren bald aus dem Dreck ziehen
Dass Arbeitgeber und die Gewerkschaft immer noch keinen Abschluss gefunden haben, ist in Corona-Zeiten inakzeptabel. Es ginge schneller ohne Warnstreiks.
Zur Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie haben die Arbeitgeber einen witzigen Werbefilm drehen lassen: Ein Lkw steckt im Dreck fest. Es regnet in Strömen. Auf der einen Seite ziehen die Arbeitgeber, auf der anderen die Gewerkschafter mit schmerzverzerrten Gesichtern an je einem dicken Seil. Das Fahrzeug bewegt sich nicht. Was für ein abschreckendes Sinnbild für die laufenden Lohn-Verhandlungen, die sich angesichts der viel wichtigeren Herausforderung der Corona-Krise quälend in die Länge ziehen.
Der Tarifkarren steckt im Dreck fest. Zumindest in dem Video wischt sich ein an der Krawatte erkennbarer Arbeitgeber-Vertreter den Matsch aus dem Gesicht, lächelt und fragt: Wer ist eigentlich wir? Dann teilt er den Gewerkschaftern mit: „Wir sind ein Team.“ Doch genau an dem Teamgeist mangelt es bisher in den Gesprächen zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Angesichts der Jahrhundert-Herausforderung Corona ist das eine traurige Zwischenbilanz, wobei beide Seiten für die Misere verantwortlich sind.
Es gibt kein Gut und Böse im diesjährigen zähen Ringen um Lohnerhöhungen für die bundesweit rund 3,8 Millionen Beschäftigten der Branche. Doch Unternehmer wie Mitarbeiter dürfen in dem zweiten Corona-Jahr mehr erwarten, eben dass die Tarifparteien ihrer Rolle als Sozialpartner gerecht werden und nun schnell an einem Seil kräftig gemeinsam ziehen. Denn die Metallindustrie ist mit den Leitbranchen Autoindustrie Maschinenbau viel zu wichtig für die gesamte Volkswirtschaft.
Warnstreiks passen nicht in die Corona-Zeit
Dabei passen Warnstreiks, auch wenn sie sich Corona-gerecht veranstalten lassen, in die gegenwärtige Situation ebenso wenig wie trickreiches Taktieren. Doch die Arbeitgeber haben die Gewerkschaft dazu eingeladen, Beschäftigte aufzurufen, vorübergehend die Arbeit niederzulegen. Bis heute sind die Unternehmensvertreter nämlich der IG Metall ein exakt beziffertes Lohnangebot für dieses Jahr schuldig geblieben. Zunächst haben sie Entgeltzuwächse lediglich für 2022 in Aussicht gestellt und zuletzt immerhin eine Einmalzahlung für dieses Jahr versprochen. Dabei war von Anfang an klar, dass Gewerkschaftschef Jörg Hofmann nicht bereit ist, noch einmal ein Jahr wie schon 2020 auf ein Lohnplus für die Beschäftigten zu verzichten.
Zur Wahrheit gehört auch: Die Vertreter der Metall-Arbeitgeber klagen zwar über die Warnstreiks, sie brauchen aber die Proteste, um sich gegenüber ihren Mitgliedsunternehmen dafür zu rechtfertigen, wenn der Gewerkschaft letztlich doch angesichts des Drucks Lohnerhöhungen zugestanden werden.
In der Corona-Zeit ist kein Platz für Rituale der Tarifpolitik
Für solche in normalen Zeiten vertretbaren Rituale ist 2021 indes kein Platz. Hier wäre ein Ruckzuck-Abschluss mit einer Einmalzahlung für dieses Jahr angebracht, von dem Firmen, denen es schlecht geht, abweichen können. Ende 2021, wenn die Corona-Pandemie hoffentlich überwunden ist, könnten sich die Tarifparteien wieder zusammensetzen und auch Gehaltssteigerungen verabreden, die angemessen den Grundlohn erhöhen.
Das wäre eine pragmatische und teamorientierte Tarifpolitik. Der Karren würde sich bewegen, doch er wäre immer noch nicht raus aus dem Morast. Dazu bedürfte es eines lange anhaltenden Ziehens von Gewerkschaft und Arbeitgebern an einem Strang. Denn die Branche steht vor einer Giga-Herausforderung: Die Betriebe müssen die Transformation ins Zeitalter der Elektrifizierung, Dekarbonisierung und Digitalisierung stemmen. Um einen zu großen Stellenabbau zu vermeiden und Beschäftigte für neue Technologien zu qualifizieren, bedarf es eines gemeinsamen Kraftakts ohne ideologisches Tamtam. Am Ende muss es heißen: Wir statt ich für sichere Jobs.
Lesen Sie dazu auch Stefan Stahls Kommentar Metall-Industrie: Ein Tarifabschluss, der Arbeitsplätze sichern kann
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