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Artenvielfalt: «Faktencheck Artenvielfalt»: Arten in Deutschland schwinden

Artenvielfalt

«Faktencheck Artenvielfalt»: Arten in Deutschland schwinden

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    Die Vielfalt der Insekten ist stark gesunken (Symbolbild).
    Die Vielfalt der Insekten ist stark gesunken (Symbolbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa

    Man kann es an den Schmetterlingen sehen, an den langrüsseligen Hummeln oder an den Feldvögeln: Die biologische Vielfalt in Deutschland nimmt einem Bericht zufolge weiter ab. Der Bestand vieler Arten ist rückläufig, wie es in der Analyse «Faktencheck Artenvielfalt» heißt, an dem mehr als 150 Autorinnen und Autoren beteiligt waren. Mehr als die Hälfte der unterschiedlichen Lebensraumtypen in Deutschland ist demnach in einem ökologisch unzureichenden oder schlechten Zustand.

    Das hat weitreichende Folgen. «Die Population von Vögeln im Agrar- und Offenland sind in knapp 40 Jahren um mehr als die Hälfte zurückgegangen», heißt es im Bericht. Stark gesunken sei auch die Vielfalt der Insekten. Zwar entwickelten sich einige Arten positiv, zum Beispiel bei den Libellen, weit mehr zeigten aber negative Entwicklungen, darunter viele Schmetterlingsarten. Fast ein Drittel aller Arten in den Roten Listen sind bestandsgefährdet, also vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet.

    Rückgang auch bei Pflanzenarten

    Auch bei Pflanzen gebe es Verluste, vor allem bei der Ackerbegleitflora, sagte Alexandra-Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie und eine der Leitautorinnen. Das sind Pflanzenarten, die wild neben Kulturpflanzen auf Äckern oder Weinbergen wachsen. «Da sind viele Sachen dabei, die wir kaum noch sehen», sagte Klein. Dazu gehörten zum Beispiel der Acker-Schwarzkümmel oder das Deutsche Filzkraut.

    Gleichzeitig gebe es eine Zunahme an Neophyten, also nicht heimischen Pflanzenarten. Es sei aber noch unsicher, was das für die Zukunft bedeute, sagte die Biologin.

    Großteil der Daten kommt aus Ehrenamt

    Für die Analyse haben die Autoren den Wissensstand zu den fünf Hauptlebensräumen in Deutschland – Agrar- und Offenland, Wald, Binnengewässer und Auen, Küsten und Küstengewässer, urbane Räume - zusammengetragen. Studien wurden ausgewertet und Zeitreihen der biologischen Vielfalt zusammengestellt. Fast alle Daten, die Auskunft über den Stand der Artenvielfalt geben, kommen den Autoren zufolge aus dem Ehrenamt. Repräsentative Langzeitbeobachtungen gebe es auf behördlicher Ebene kaum. Der Bericht wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

    Die Lebensräume werden in Deutschland in insgesamt 93 Lebensraumtypen unterteilt. Besonders besorgniserregend ist die Situation der Analyse zufolge im Grünland, auf ehemals artenreichen Äckern, in Mooren, Moorwäldern, Sümpfen und Quellen.

    Negative Entwicklungen vor allem durch Landwirtschaft

    Zudem gelten rund 9 Prozent der Lebensraumtypen auf dem Meeresboden der Nordsee als vollständig vernichtet, wie es im Faktencheck heißt. «Dazu gehören Seegraswiesen auf ebenem Sandgrund sowie Bänke der Europäischen Auster.»

    Als Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt nennt der Bericht die Intensivierung der Landwirtschaft mit der Verwendung von Pestiziden. «Es werden nicht mehr ganz so viele Pestizide aufgebracht», sagte Klein. Die Mittel sind ihren Angaben zufolge aber toxischer. Auch die Entfernung von Hecken in der Agrar- und Offenlandschaft, die Flächenversiegelung in den Städten und die großflächige Entwässerung der Landschaft, vor allem von Mooren und Auen, sowie der Klimawandel hätten zum Teil weitreichende Konsequenzen.

    Noch kein Grund zur Hoffnungslosigkeit

    Hoffnungslos sind die Autoren aber nicht. Die Wiederherstellung der Artenvielfalt, die Wiederansiedlung von bestimmten Arten und der Schutz von bestimmten Arten sei notwendig und zum Teil auch umsetzbar. Für jeden Lebensraumtyp gebe es Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt. Die Kegelrobbe zum Beispiel sei in Deutschland fast ausgerottet gewesen, sagte Helge Bruelheide, Professor für Geobotanik. Mittlerweile gebe es wieder mehr als 2.000 Tiere. «Es zeigt, dass ein ganz konsequenter Artenschutz sehr hilfreich sein kann.»

    Auch die Qualität der Fließgewässer habe sich infolge der Abwasserreinigung seit den 1970er Jahren großflächig erholt, was sich positiv auf die Vielfalt von wirbellosen Tieren auswirke. Wirbellose Tiere sind zum Beispiel Libellen, Käfer oder Fliegen. Als weiteres positives Beispiel nannte Christian Wirth, Pflanzenökologe und Vorsitzender des Berichts, den gestiegenen Anteil von Mischwäldern und die Zunahme von Totholz. Zahlreiche Organismen im Wald seien von Totholz abhängig.

    Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen handeln

    Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt können laut Bericht etwa die Umstellung auf biologische Landwirtschaft, die Ausweitung von Schutzgebieten, schonende Fangmethoden in Küstengewässern und insektenfreundliches Mähen sein.

    Für die Umsetzung seien sowohl Politik als auch Wirtschaft und Gesellschaft verantwortlich. «Es passiert auf der politischen Ebene ganz erstaunlich viel», betonte Wirth. In der Europäischen Union und in Deutschland gebe es zahlreiche Richtlinien, die dem Schutz gefährdeter Lebensraumtypen und Arten dienten. Oft seien sie aber nicht gut aufeinander abgestimmt oder es gebe Gegenwind, etwa aus der Landwirtschaft oder der Forstwirtschaft.

    Nicht zuletzt könne jeder einzelne auch im Kleinen etwas bewirken, sagte Marion Mehring vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt. Zum Beispiel, indem Gartenbesitzer ihren Garten naturnah gestalteten. «Die Gartenfläche in Deutschland kommt in etwa der Fläche der Naturschutzgebiete gleich. Das heißt, das kann durchaus einen großen Beitrag leisten.»

    Für die negativen Entwicklungen ist nicht zuletzt die Landwirtschaft verantwortlich (Archivbild).
    Für die negativen Entwicklungen ist nicht zuletzt die Landwirtschaft verantwortlich (Archivbild). Foto: Jens Büttner/dpa
    Die Kegelrobbe war in Deutschland fast ausgerottet (Archivbild).
    Die Kegelrobbe war in Deutschland fast ausgerottet (Archivbild). Foto: Daniel Bockwoldt/dpa
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