So angespannt ist die Lage auf dem Gebrauchtwagenmarkt
Gebrauchtwagen sind gefragt, rar und teuer. Was können Menschen tun, die schnell ein neues Auto brauchen? Das sagen Experten und Händler.
Ein weißer Kleinwagen aus Italien, ein blauer Kleinwagen aus Deutschland, ein sportliches Cabriolet: Rund dreißig Autos stehen auf dem Hof von Gebrauchtwagenhändler Wolfgang Klein im Augsburger Stadtteil Kriegshaber aufgereiht. Es könnten mehr sein, sagt Klein, Platz wäre da. Bei anderen Händlern in der Region sind die Lücken zwischen den einzelnen Autos teilweise deutlich größer. Der Markt ist angespannt, denn die Neuwagenproduktion stockt.
2021 war laut einer Auswertung der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) das Jahr mit den wenigsten Neuzulassungen seit 1990. Heuer war die Zahl im ersten Halbjahr laut Kraftfahrt-Bundesamt sogar noch niedriger. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt fehlen dadurch die Nachrücker. Gleichzeitig stürzen sich immer mehr Käuferinnen und Käufer auf die verbleibenden Gebrauchten. DAT-Sprecher Martin Endlein sagt: "Wenn Sie wissen, dass Sie für Ihren Neuwagen 14 Monate Lieferzeit haben, schauen Sie sich bei den Gebrauchten um." Die Zeiten, in denen es Autos im Überfluss gegeben habe, seien vorbei.
Warum sind Gebrauchtwagen rar und teuer? Eine Krise jagt die nächste
Der Grund dafür sei der permanente Krisenmodus seit 2020: Corona-Lockdowns brachten erst die Produktion in Autofabriken zum Erliegen, dann sorgten Containerschiff-Staus für Lieferengpässe. Chips sind seit vielen Monaten rar. Anfang dieses Jahres kam noch der Ukraine-Krieg dazu. Menschen, die ein Auto brauchen, müssen deshalb nicht nur länger suchen als noch vor wenigen Jahren, sie müssen auch tiefer in die Tasche greifen, wenn sie fündig werden. Eine Auswertung des DAT hat ergeben, dass dreijährige Gebrauchte im April fast ein Drittel teurer waren als noch ein Jahr zuvor.
Derart deutliche Preisanstiege gebe es bei ihm nicht, sagt Autohändler Klein. Die Marktlage war schon angespannt, als er Auto Mayr im Herbst 2021 übernommen hat. Zuvor war er fast 20 Jahre lang Autoverkäufer. Eine Situation wie aktuell habe er nur einmal erlebt, während der Finanzkrise 2008. Auch da seien Gebrauchte plötzlich extrem gefragt gewesen. "Aber damals waren wenigstens Neuwagen auf dem Markt."
Autohändler Wolfgang Klein aus Augsburg verkauft Gebrauchte schnell
Wie begehrt die Gebrauchten sind, sieht Klein auf seinem Gelände jeden Tag. Gerade einmal 45 Tage stehe ein Auto, das er neu reinbekomme, im Schnitt auf dem Hof, bevor es eine Abnehmerin oder einen Abnehmer findet. Früher seien 90 Tage üblich gewesen. Sind die Zeiten, in denen Käuferinnen und Käufer wählerisch sein und lange vergleichen können, vorbei? "Wer zum Auto-Anschauen fährt, kauft auch zu 80 Prozent das Fahrzeug", sagt Klein. "Die Kunden wissen, dass das Auto relativ schnell weg ist, wenn sie zu lange schauen."
Klein freut sich, wenn der Markt sich beruhigt und der Einkauf für ihn wieder leichter wird. Aber er sieht auch einen positiven Effekt der aktuellen Situation: Nicht-vertrauenswürdige "Kiesplatzhändler", die etwa Fahrzeuge mit Motorschaden weiterverkaufen, kommen nur noch schwer an Autos.
Aber wie kann man sicherstellen, dass man auf dem hitzigen Gebrauchtwagenmarkt nicht doch an einen Betrüger gerät? Ganz auf das Auto zu verzichten, ist für viele keine Möglichkeit. Vor allem im ländlichen Raum. Eine Umfrage der DAT hat ergeben, dass in der Kleinstadt 86 Prozent aller Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter davon ausgehen, ihren Alltag nicht ohne Auto bestreiten zu können.
Tipps vom ADAC: Wie findet man einen seriösen Autohändler?
Für diejenigen, die auf den neuen Gebrauchten angewiesen sind, hat Melanie Mikulla vom ADAC Tipps. Aktuell solle man sein Auto nur verkaufen, wenn man schon eine Alternative habe. Einen seriösen Verkäufer erkenne man daran, dass er Vorschäden und Mängel offen anspreche. "Hat der Verkäufer kein Serviceheft, keine HU-Berichte oder Werkstattrechnungen, ist Vorsicht geboten. Möglicherweise sollen Mängel am Gebrauchten verschleiert werden." Außerdem empfiehlt sie, immer eine Probefahrt zu machen.
Auch in der aktuellen Situation solle man sich nicht vom Verkäufer zu einer schnellen Entscheidung drängen lassen. "Vorsicht ist auch geboten, wenn der Verkäufer konkrete Fragen mit banalen Floskeln wie 'Das ist bei diesen Modellen immer so' beantwortet." Mündliche Zusicherungen, etwa zu Kilometerlaufleistung, Garantien, Zusatzausstattung und möglichen Unfällen solle man sich schriftlich im Kaufvertrag bestätigen lassen.
Wann werden Gebrauchtwagen wieder in größerer Zahl verfügbar und die Preisanstiege weniger steil sein? Martin Endlein von der DAT sagt: "Wir hatten gehofft, dass 2022 ein Übergangsjahr wird." Dann kam der russische Krieg in der Ukraine. Jetzt hofft Endlein auf ein Übergangsjahr 2023 und auf eine Normalisierung des Marktes im folgenden Winter. Händler Klein schätzt die Lage ähnlich ein: Ein bis zwei Jahre werde es wohl noch dauern, bis der Gebrauchtwagenmarkt sich entspanne.
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Jetzt sind wohl absolute Höchstpreise für einen Gebrauchtwagen erzielbar.