Immer mehr Lehrlinge brechen in Deutschland ihre Ausbildung ab. Das hat eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, kurz IAB, ergeben. Lag die Abbruchquote im Jahr 2005 noch bei 9,11 Prozent, betrug sie im Jahr 2020 ganze 24,43 Prozent.
Abbruchquote liegt in Bayern bei 20 Prozent
Je nach Region weichen die Abbruchquoten allerdings stark voneinander ab. Bayern gehört neben Baden-Württemberg und Sachsen zu den Bundesländern mit den wenigsten Abbrüchen. Schon im Jahr 2005 lag die entsprechende Quote im Freistaat zwei Prozent unter dem deutschen Schnitt. In den folgenden Jahren stieg sie zudem weniger stark an. Im Jahr 2020 haben in Bayern 20 Prozent der Auszubildenden abgebrochen, also etwa 4,5 Prozent weniger als deutschlandweit.
Außerdem liegt im Freistaat der Landkreis mit der geringsten Abbruchquote Deutschlands: In Eichstätt brachen lediglich 11,3 Prozent der Lehrlinge ab. Auch in Donau-Ries und in Dillingen an der Donau sind die Quoten mit 13 beziehungsweise 14 Prozent besonders niedrig. Die höchsten Quoten Bayerns stellen die Städte Passau mit 35 und Coburg mit 32 Prozent.
Während die Quote in Bayern verhältnismäßig gering ist, brachen vor allem im Nordosten Deutschlands sowie in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz viele Lehrlinge ihre Ausbildung ab. Den Höchstwert hat die südwestpfälzische Stadt Pirmasens vorzuweisen. Hier lag die Abbruchquote 2020 bei 42,5 Prozent und damit fast viermal so hoch, wie in Eichstätt.
Viele freie Stellen führen zu mehr Ausbildungsabbrüchen
Doch woher rühren die starken regionalen Unterschiede? Die Soziologin Kerstin Ostermann vom IAB hat die Analyse durchgeführt und verschiedene regionale Faktoren erkannt. So weisen etwa Landkreise mit einer geringen Wirtschaftskraft eine hohe Abbruchquote auf.
Hauptursache für die hohen regionalen Unterschiede sind Ostermanns Einschätzung nach aber die jeweilige Situation des Arbeitsmarkts vor Ort. So gebe es viele Auszubildende, die sich in ihrer Lehre nicht wohlfühlen, etwa, weil sie die Arbeit nicht mögen oder das Gefühl haben, zu wenig zu verdienen. „Diesen Menschen fällt es sehr viel leichter, die Ausbildung abzubrechen, wenn es viele alternative Ausbildungen oder andere Jobs gibt“, erklärt Ostermann. Besonders häufig werden ihrer Analyse nach Ausbildungen in haushaltsnahen Dienstleistungen, etwa Reinigungstätigkeiten, abgebrochen. Finanz-, Versicherungs- und Handwerksberufe haben mit die niedrigste Abbruchquote.
Hohe Abbruchquoten haben wirtschaftliche Folgen - aber auch positive Effekte
Ein Abbruch der Ausbildung kann laut der Soziologin weitreichende finanzielle Folgen für Azubis haben. „In den ersten Jahren ist der Unterschied noch gering“, so Ostermann. Mit der Zeit würde sich das allerdings ändern. „Nach dem Abbruch müssen die Auszubildenden eine neue Ausbildung starten oder in einem Job mit geringerem Prestige arbeiten. Deshalb verdienen sie weniger“, sagt sie. „Auf lange Sicht ist der finanzielle Unterschied deutlich spürbar.“
Allerdings kann ein Ausbildungsabbruch auch positive Folgen haben, erklärt die Soziologin. „Wenn sich Auszubildende durch ihre Arbeit quälen, sind sie nicht wirklich produktiv.“ Daher sei es sinnvoller, wenn sich unzufriedene Lehrlinge für eine alternative Ausbildung entscheiden. „Denn in einem Job, den sie mögen, arbeiten die Menschen produktiver“, lautet Ostermanns Fazit.
Ähnlich sieht es auch Ulrich Wagner, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwaben. Besonders zu Beginn einer Ausbildung seien hohe Abbruchzahlen nicht generell ein Problem. „Abbrechen und neu orientieren ist ja gerade Sinn einer Probezeit“, erklärt Wagner.
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