Vorrang für die Industrie bei einem Gasembargo – ja oder nein?
Sollte die Industrie in gewissem Maß Vorrang im Falle eines Gas-Embargos bekommen? Unsere beiden Autoren sind höchst unterschiedlicher Meinung.
Pro – "Natürlich sollte die Industrie in gewissem Maß Vorrang bekommen"
Sowohl Vorstandsvorsitzende als auch Gewerkschaftsbosse loben die Kurzarbeit. Mit sehr viel staatlicher Hilfe wurde so in den harten Lockdown-Phasen der Pandemie verhindert, dass Hunderttausende ihre Jobs verloren. Nun ist Corona nicht vorbei. Ab Herbst werden wir uns mit hoher Wahrscheinlichkeit (Impfpflicht wäre schön gewesen!) wieder in die eigenen vier Wände sperren müssen (ganz liebe Grüße an die FDP!). Das bedeutet: Für die Unternehmen wird es noch schwieriger. Kurzarbeit könnte da helfen, würde aber den fatalen Eindruck verstärken, dass sich der Staat dauerhaft um alles kümmern kann. Kann er aber nicht. Unternehmen müssen sich rechnen. Krieg ist übrigens auch noch. Und seine Folgen werden auch über Kurzarbeit abgefedert.
Detlef Scheele, also der Chef der Bundesagentur für Arbeit und nicht irgendein Konzernboss, hat unlängst vollkommen zu Recht davor gewarnt, dass ein Gas-Embargo zu hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland führen würde, mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen „nicht aufzufangen“, Kurzarbeit in dem dann nötigen Ausmaß „gar nicht zu administrieren“ sei.
Heißt: Natürlich sollte die Industrie in gewissem Maß Vorrang im Falle eines Gas-Embargos bekommen. Etwas böse und sehr verkürzt formuliert: lieber ein bisschen frieren als kein Einkommen mehr haben. Arbeitslosigkeit ist schlimmer, als sich in einer kälteren Wohnung zwei Pullover und eine Mütze überzuziehen. Die Zeiten werden leider härter, es muss wohl leider anders priorisiert werden. Und ohne Arbeit – das ist eine Binse – ist sehr vieles nichts. Das Industrieland Deutschland braucht eine funktionierende Industrie. Massenarbeitslosigkeit bedeutet sozialer Sprengstoff, bedeutet Destabilisierung, bedeutet: Putin erreicht ein Kriegsziel. Stefan Küpper
Contra – "Haushaltskunden werden vorrangig versorgt – diese Regelung ist sinnvoll"
In Berlin geben sich die Lobbyisten der großen, energieintensiven Konzerne gerade wieder die Klinke in die eine Hand. Mit der anderen zeichnen sie ein Schreckensgemälde, das in den schrecklichsten Farben vor einem Lieferstopp bei russischem Gas warnt. Die Drohinstrumente sind sattsam bekannt: Man werde Standorte schließen und ins Ausland verlagern müssen, vor allem die Keule Arbeitsplatzverlust wird geschwungen. Solche Versuche der Großindustrie, die eigenen Interessen abzusichern, gab es in der Vergangenheit immer wieder. Taten folgten dem indes nicht.
Sollte Deutschland kein Gas mehr von Russland kaufen, wären die Auswirkungen auf die Industrie sicherlich groß. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Markt die Sache regelt. Reiche Staaten wie Deutschland können sich das Gas woanders kaufen. Beim Getreide wird das beispielsweise gerade getan, weil die üblichen Lieferungen aus der Ukraine wegen des Krieges entfallen.
Der Preis für Gas steigt dadurch. Aber die meisten deutschen Konzerne haben in den letzten Jahren prächtig verdient und sind durchaus in der Lage, höhere Preise zu stemmen. Sie können deutlich leichter mit einem Gas-Lieferstopp fertig werden als viele Privathaushalte, die entweder ohnehin schon arm sind oder deren finanzieller Puffer durch die Folgen der Corona-Pandemie aufgebraucht sind.
Haushaltskunden unterliegen einem besonderen gesetzlichen Schutz und werden „vorrangig versorgt“, wie es bei der Bundesnetzagentur heißt. Diese Regelung ist eindeutig und sinnvoll. Eine Änderung der Reihenfolge hingegen wäre fatal. Rauchende Schlote, während sich die Menschen in Wärmestuben drängen? Das wäre in der Tat ein Schreckensbild, das im reichen Industrieland Deutschland doch wohl niemand haben will. Stefan Lange
Die Diskussion ist geschlossen.
Es kann keinen Kompromiss geben, wenn die 3 verbleibenden Atomkraftwerke ideologisch motiviert zum Dezember 2022 abgeschaltet werden und danach noch mehr blutiges Erdgas verstromt wird.
Wenn uns Gaskunden vom Chef der Netzagentur (ein Grüner! *) das Gas abgestellt wird, sollten wir bei Flaute mit Heizlüftern oder nächtlichem E-Auto laden das Stromnetz zum Kollaps bringen! Es ist dann Zeit für aktiven Widerstand!
Übrigens haben wir noch immer Flaute - die Woche 18 gerät zum Debakel...
https://energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&source=sw&week=18
Weiterhin max. 2,5 Gigawatt Windstrom bei 64 Gigawatt installierten Windkraftanlagen. Keine Ahnung ob die 0,5 Gigawatt vorgestern Früh schon das historische Tief waren...
* https://www.boersen-zeitung.de/personen/der-gruene-klaus-mueller-soll-netzagentur-chef-werden-64131e70-79fb-11ec-9355-5390a97c3bea
Und 10 Minuten später bei 3 GW schon. Dazu zieht bereits die PV an und wird wohl heute tagsüber wieder bis zu 40% der Erzeugung ausmachen.
Wie unten schon aufgezeigt: Reduzieren Sie Ihren Gasverbrauch um 10% und wir brauchen 50% weniger russisches Gas. Die Heizperiode ist praktisch vorbei.
>> Wie unten schon aufgezeigt: Reduzieren Sie Ihren Gasverbrauch um 10% und wir brauchen 50% weniger russisches Gas. <<
Das ist ohne Relevanz weil der Einbau (auch der Ersatz) von Gasheizungen in Kürze (vsl. 2024) in Deutschland verboten ist.
Diese Heizenergie fällt dann in den Stromverbrauch - im Winter - ohne relevante PV-Strom Produktion.
P.S. Ihre Aussage an sich ist auch nicht richtig...
Haushalte 31% vom Gesamtabsatz
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37985/umfrage/verbrauch-von-erdgas-in-deutschland-nach-abnehmergruppen-2009/
davon 10% ergibt 3,1% Einsparung vom Gesamtabsatz, was natürlich nicht 50% des russischen Blutgases entspricht.
Leider verkennen viele die Tatsache, dass man als Privatmann deutlich einfacher und folgenloser Gas (und allgemein Energie) sparen kann als die Industrie. Ein industrieller Prozeß für den Gas gebraucht wird, der ist aus wirtschaftlichen Gründen in aller Regel ohnehin optimiert, bei sehr sehr vielen Privatwohnungen dürfte das nicht der Fall sein. Ich kann nur jedes Mal den Kopf schütteln wenn mit den Abrechnungen die Durchschnittswerte der üblichen Wohnformen mit angezeigt werden. Wir leben in einem 200m²+ aus den 2000ern Haus mit dem Gasverbrauch einer durchschnittlichen 3ZKB-Wohnung. Ohne zu frieren. Mir scheint da ist noch sehr viel Potential da diverse Verhaltensweisen zu ändern. Wenn jeder Privathaushalt nur 10% Energie einsparen würde, würden das die allermeisten letztlich nicht mal wirklich merken und es wären mal eben 25 Terrawattstunden Gas gespart. Oder in verständlicheren Worten: Rund 2,6 Milliarden Kubikmeter Gas. Das ist die Hälfte des Gasimportes aus Russland nach Deutschland.
>> Wir leben in einem 200m²+ aus den 2000ern Haus mit dem Gasverbrauch einer durchschnittlichen 3ZKB-Wohnung. <<
Klingt für mich ohne konkrete Verbrauchsangabe nach Propaganda. Normgerechte Häuser - insbes. EFH - aus den 2000ern sind bis zur ENEV 2007 äußerst mittelmäßig in Sachen Heizenergie; damit halbwegs geschickt gebaute MFH hinsichtlich des Primärenergiebedarfs zu schlagen ist durchaus ambitioniert.
>> Wenn jeder Privathaushalt nur 10% Energie einsparen würde, würden das die allermeisten letztlich nicht mal wirklich merken und es wären mal eben 25 Terrawattstunden Gas gespart. Oder in verständlicheren Worten: Rund 2,6 Milliarden Kubikmeter Gas. Das ist die Hälfte des Gasimportes aus Russland nach Deutschland. <<
Die Rechnung ist falsch; siehe oben mit Nachweis und Quellenangabe.
Schnell helfen würde wenn man den politisch gut behüteten Mietern ihre Kippfenster wegnimmt; habe gerade die Brunata Abrechnung von meinem Mieter mit stets gekipptem Fenster bekommen - ein Irrsinn!
Putin braucht doch nur in seinem Kreml zu hocken und abzuwarten bis die westeuropäischen Regierungen mit ihrer Embargo-, Boykott- und Sanktionspolitik ihre eigene Wirtschaft, ihren Wohlstand und ihre Demokratie gleich mit höchstselbst ruiniert haben.
Erst das mediale Trommelfeuer nach immer mehr und schwereren Waffen für die Ukraine vornehmlich durch die doch so freien deutschen Medien und nun die Aufregung über die Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur, zuvörderst der Bahnlinien und Bahnhöfe.
Haben die eigentlich beim Transport dieser Waffen an die Einsatzorte russischen Geleitschutz erwartet?
Eine bittere Erkenntnis bestätigt sich erneut: Mehr Waffen bedeuten nicht mehr Frieden sondern noch mehr Leid, Tod und Zerstörung.
>> Putin braucht doch nur in seinem Kreml zu hocken und abzuwarten bis die westeuropäischen Regierungen mit ihrer Embargo-, Boykott- und Sanktionspolitik ihre eigene Wirtschaft, ihren Wohlstand und ihre Demokratie gleich mit höchstselbst ruiniert haben. <<
Das ist das Ergebnis moralgetriebener Hybris, während Russland ohne Skrupel Waffen an jeden verkauft.
Das Problem sind nicht die Waffenlieferungen sondern die faktischen Öko-Sanktionen gegen das eigene Volk. Das Ziel höherer Preise wurde erreicht - gleichzeitig steigen aber auch Putins Einnahmen.
https://de.euronews.com/2022/04/28/rekordhoch-russland-verdoppelt-einnahmen-aus-energie
>> Rekordhoch: Russland verdoppelt Einnahmen aus Energie <<
Säße ich im Kreml, ich würde den Sanktionen zuvorkommen und mal alles abschalten. Es wäre belustigend die Hektik in den EU-Staaten zu beobachten. Insbesondere auf der "Straße" würde es wohl sehr unfreundlich zugehen.
Ich dachte, das wäre gesetzlich klar geregelt - oder hörte ich das falsch?
Aber klar ist, dass der warme Hintern der Bürger keine Lobby hat - die Industrie schon und das nötige Geld!
Geld, das der Allgemeinheit - oft durch gute "Steueroptimierung" - fehlt.
Ein Blick auf die Tafeln und Suppenküchen zeigen ja wo das gemeinschaftlich erwirtschaftete Geld nicht ankommt?
Also schon die schleichende Diskussion und die vielen Dementies, zeigen mir deutlich, dass wir uns auf eine kalte Stube vorbereiten müssen? Unser warme Stube könnte nur die Physik retten - wenn z.B. Luft in die Versorgungsleitung beim Abschalten eindringen könnte und eine Gefahr darstellt - denn so einfach kann man die Leitungen nicht einfach zudrehen?
Aber um unseren warmen Hintern kümmern sich die Diätenempfänger nur selten?