Gunnar Kilian ist ein Quereinsteiger der besonderen Art. Denn der 50-Jährige schaffte den Aufstieg vom Zeitungsredakteur zum Personal-Vorstand des Volkswagen-Konzerns. Unserer Redaktion sagte der smarte Seitenwechsler einmal über seinen ungewöhnlichen Werdegang: „Das Volontariat und die anschließende Redakteurstätigkeit waren eine gute Schule. Ich habe gelernt, mich schnell und fundiert in neue Themen einzuarbeiten. Das hilft mir heute noch.“
Dabei sei es nie geplant gewesen, so lange bei VW zu bleiben. Kilian erzählte offen, er habe nur zwei, drei Jahre erleben und verstehen wollen, wie ein so großer Konzern funktioniert. Der Plan des jungen Mannes war es, danach wieder in die Medienlandschaft zurückzukehren. Seine Gaben, rasch neue Sachverhalte zu durchschauen, Brücken zwischen Menschen zu bauen und große Netzwerke aufzubauen, machten ihn in der Wolfsburger Welt allerdings unverzichtbar.
Kilian war einst Pressesprecher des VW-Konzern-Betriebsrats
Kilians Aufstieg nahm 2000 in der VW-Kommunikation seinen Ausgang. Später sollte er von 2006 bis 2012 Pressesprecher des Konzern-Betriebsrats werden. Der Wechsel-Mann wagte den Schritt von der Arbeitgeber- zur Arbeitnehmerseite, wobei die Beschäftigten-Vertreter in der Volkswagen-Welt ebenso mächtig wie das Management sind. Den entscheidenden Sprung nach oben vollzog der Ex-Journalist, als er 2012 das Salzburger Büro des damaligen Aufsichtsrats-Vorsitzenden und Österreichers Ferdinand Piëch leitete. Er saß in der einst wahren Machtzentrale des Volkswagen-Imperiums. Dort liefen alle Informationen aus dem Reich zusammen. Kilian wusste immer mehr und machte sich unverzichtbar, was das Geheimnis seines Aufstiegs war. Nach einem Zwischenspiel als Geschäftsführer und Generalsekretär des Konzernbetriebsrats krönte er seinen so nur bei VW möglichen Lebenslauf ab dem Jahr 2018 mit der Position des Arbeitsdirektors und Personal-Vorstands im Konzern.
Kilian oder auch „der Kilian“, wie der Manager respektvoll genannt wurde, konnte sich als Grenzgänger den Rückhalt der Arbeitgeber-, Eigentümer- und Arbeitnehmerseite sichern, an sich eine perfekte Überlebensgarantie im VW-Spitzen-Management, einer sonst Führungs-Persönlichkeiten verschleißenden Einrichtung. Wenn es um wichtige Themen im Volkswagen-Kosmos ging, hieß es immer mal wieder: „Der Gunnar hat gesagt.“ So überlebte Kilian diverse Vorstands-Umstürze. Er schien, sich den Status einer unerschütterlichen Institution ernetzwerkt zu haben.
Dann muss ihn das Gespür für Machterhalt verlassen haben, sonst hätten einflussreiche Frauen und Männer über Kilian nicht den Daumen gesenkt. Wie bereits kurz berichtet, gibt der einstige VW-Star „mit sofortiger Wirkung“ sein Amt auf. Das mutet auch im nicht zimperlichen VW-Konzern gnadenlos an, selbst wenn es in Wolfsburger Kreisen heißt, der Manager sei nicht vom Hof gejagt worden. Es habe, so wird berichtet, nur keine Chance mehr gegeben, dass sein Vertrag verlängert wird.
Was ist passiert? Wer sich am VW-Stammsitz in Wolfsburg umhört, erfährt, der Manager habe es sich nachhaltig mit seinen langjährigen Sympathisanten aus dem Kreis des Betriebsrats und der Gewerkschaft IG Metall verdorben. Die Arbeitnehmer-Leute lasten ihm einen historischen „Tabu-Bruch“ an, nämlich den vom Vorstand überfallartig eingeforderten massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen. Hier mangelte es aus Sicht der Beschäftigten-Fürsprecher an dem entschiedenen Widerstand ihres Mannes im Vorstand.
Harter Konflikt mit der VW-Arbeitnehmerseite
Nach einem harten Konflikt mit der Arbeitnehmerseite baut die Kernmarke VW bis 2030 rund 35.000 Stellen und damit fast jeden vierten Arbeitsplatz in Deutschland ab. Auch wenn betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden konnten, ist das nach wie vor eine Schmach für die sonst mächtige Arbeitnehmer-Fraktion. Bei allem Dank für die Lebensleistung Kilians, lässt VW-Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Daniela Cavallo keinen Zweifel daran, warum die IG Metall dem Mann das Vertrauen entzogen hat. In der Zeitung „Mitbestimmen!“, die bei VW nach der Trennung von Kilian verteilt wurde und unserer Redaktion vorliegt, stellt die oberste VW-Arbeitnehmer-Vertreterin klar: „Fakt ist aber auch: In den vergangenen Monaten gab es mehrere Anlässe, die den gemeinsamen Blick nach vorne erschwerten. Einer davon ist, dass Gunnar Kilians Name immer mit dem Aufkündigen unserer Tariffamilie im vergangenen Jahr verbunden sein wird. Wir haben das damals nicht ohne Grund einen historischen Tabubruch genannt.“
Nach Lesart des Betriebsrats hat der Manager gegen die Gesetze der VW-Familie verstoßen und muss demnach gehen. Cavallo meint jedenfalls: „Am Ende gilt es dann für unsere Gremien in der Mitbestimmung immer, Bilanz zu ziehen und sich zu fragen: Geht man den Weg auch künftig noch zusammen weiter?“ Sie liefert die Antwort gleich mit: „Wohlüberlegt kamen wir jetzt alle zu dem Schluss: nein.“

Mit einem Nein kann ein VW-Vorstand zumindest noch ein, zwei Jahre in seinem Amt überleben, nach einem doppelten „Nein“ ist Schluss. So ging auch die Arbeitgeberseite zuletzt immer mehr auf Distanz zu Kilian. Grund dafür seien unterschiedliche Vorstellungen bei der Steuerung von Beteiligungsgesellschaften, teilte der VW-Konzern nur kurz und kryptisch mit. Insider erklären plastischer, Kilian habe sich nicht so offen wie gewünscht für den Verkauf von Bereichen gezeigt. Dabei ist der Finanzbedarf des Konzerns immens, schließlich sind weitere Milliarden erforderlich, um Volkswagen in einen erfolgreichen Elektroauto-Konzern umzubauen. Wie es für den Manager beruflich weitergeht, ist ebenso unklar wie die Frage, wer seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger wird. Nun obliegt es dem Aufsichtsrat, Vorschläge für eine Nachbesetzung zu unterbreiten.
Arbeitnehmer wollen Vorschlag für Nachfolge von Kilian machen
Aus dem Betriebsrat ist schon einmal warnend an die Arbeitgeber-Fraktion zu hören, es sei bei Volkswagen gelebte Praxis, dass die Initiative für Vorschläge zur Besetzung des Personalressorts von der Arbeitnehmerseite ausgeht. Christiane Benner, IG-Metall-Chefin und VW-Aufsichtsrats-Vize, sagt: „Die Nachfolgesuche hat auch für mich persönlich höchste Priorität. In Deutschlands größtem Industriekonzern muss die Person in der Arbeitsdirektoren-Funktion immer auch eine stark vermittelnde Rolle zwischen unterschiedlichen Interessenlagen einnehmen.“ Das war Kilian sechs Jahre gut gelungen, bis es in dem verflixten siebten Jahr nicht mehr klappte. Auf alle Fälle bedankte sich Volkswagen-Chef Oliver Blume noch einmal bei ihm: „Mit seinen tiefen Kenntnissen über den Konzern und seine Strukturen hat Gunnar Kilian wichtige Stellhebel für eine erfolgreiche Zukunft des Konzerns bewegt.“
Ex-Renk-Chefin Wiegand rückt in den VW-Aufsichtsrat auf
Mister „Stellhebel“ ist nun weg. Dafür kann Volkswagen für den Aufsichtsrat einen prominenten Neuzugang verzeichnen: Susanne Wiegand, die frühere Chefin des Augsburger Panzergetriebebauers Renk, rückt in das Kontrollgremium des Konzerns auf. Die selbstbewusste Managerin wird den Vorsitz des Prüfungsausschusses des Aufsichtsrates übernehmen. Bei VW dreht sich das Personal-Karussell stetig und schnell.
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