Unabhängigkeit ist einer vernetzten Welt immer mehr zur Illusion geworden. In der deutschen Wirtschaft hat der Zusammenbruch vieler Lieferketten während der Coronakrise deutlich gemacht, wie verletzbar die Globalisierung Unternehmen machen kann. Wegen fehlender Computerchips standen viele Bänder in der Industrie schlicht still.
Das Bewusstsein der Gefahren, die sich aus der engen Vernetzung Deutschlands in die Weltwirtschaft ergeben können, ist aber spätestens mit den raubeinigen Auftritten der US-Vertreter auf der Münchner Sicherheitskonferenz noch einmal rapide gewachsen.
So gut wie jedes Handy hat ein US-Betriebssystem
Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs hat die dramatische Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten offengelegt. Trumps Vorstellungen über dessen rasches Ende und die Abkehr der US-Administration von Europa könnten nun eine mindestens ebenso dramatische Abhängigkeit von den USA im Bereich der digitalen Technologien ans Tageslicht bringen.
Was geht noch in Wirtschaft und Verwaltung ohne Bürosoftware aus den USA? Wo sind die europäischen Alternativen zu den amerikanischen Suchmaschinen, Cloud-Dienstleistern oder digitalen Kommunikationsplattformen? So gut wie jedes Handy läuft mit Apples oder Googles Betriebssystemen, bei PCs ist es nicht sehr viel anders.
Die zur Schau gestellte Nähe der Chefs der Tech-Giganten aus dem Silicon-Valley zum neuen US-Präsidenten macht schmerzhaft deutlich, wie verwundbar Deutschland und Europa auch hier sind. Trump hat schon in kurzer Zeit zur Genüge bewiesen, dass er für den Abschluss eines Deals keine Freunde kennt und bereit ist, alle verfügbaren Druckmittel einzusetzen. Wie sehr die europäische Digital-Regulierung ihre Geschäfte stört, haben Meta, Google, Amazon, Microsoft und Apple bereits deutlich gemacht.
Ohne Digitalimporte halten Unternehmen nicht lange durch
Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst warnt jedenfalls: „Wir müssen digital unabhängiger werden, um nicht erpressbar zu sein.“ In einer aktuellen Umfrage des Digitalverbands sagen 96 Prozent der Unternehmen mit über 20 Mitarbeiter in Deutschland, dass sie nicht ohne den Import digitaler Technologien und Leistungen aus dem Ausland auskommen. Die große Mehrheit von ihnen ist ohne sie nur kurzzeitig überlebensfähig. Über ein Drittel gibt an, maximal sieben bis zwölf Monate durchhalten zu können, 39 Prozent schätzen, nach spätestens 13 bis 24 Monaten ihr Geschäft einstellen zu müssen.
Die beiden wichtigsten Herkunftsländer für Digitalimporte sind die USA und China. Erst mit weitem Abstand folgen Taiwan und Japan. Anders sieht die Rangfolge aus, wenn die Unternehmen gefragt werden, welchen Importländern sie Vertrauen entgegenbringen. Dann steht an erster Stelle die EU, gefolgt von Japan und Großbritannien auf Rang drei. In die USA hat laut Bitkom derzeit nur jedes zweite Unternehmen (51 Prozent) eher oder sehr großes Vertrauen. 25 Prozent erklären jedoch nur sehr geringes oder gar kein Vertrauen in die USA zu haben.
Der Wunsch nach technologischer Selbstbestimmung, insbesondere in Schlüsselbereichen wie Cloud-Computing, Halbleiterproduktion und der kritischen digitalen Infrastruktur, beschäftigt Brüssel und Berlin schon länger, als es Merkels berühmt gewordener Ausspruch „Das Internet ist für uns alle Neuland“ vor gut zehn Jahren nahelegt. Dennoch klafft weiterhin eine Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit.
Deutschland hat in vielen Bereichen durchaus Stärken
Maximilian Mayer und Yen-Chi Lu haben an der Universität Bonn bereits 2019 untersucht, wie hoch der Grad der digitalen Abhängigkeit verschiedener Volkswirtschaften ist. Das Ergebnis ist eindeutig: Die USA sind mit großem Abstand am unabhängigsten. China hat in wenigen Jahren enorme Fortschritte gemacht, seine Abhängigkeit zu verringern. Sehr abhängig von anderen waren dagegen die europäischen Staaten. In einem Aufsatz von 2022 sehen sie mitnichten Anlass zu Korrekturen an dieser Reihenfolge: „Die Autonomielücke wächst tendenziell, anstatt zu schrumpfen.“
Wie schwer es ist, kurzfristig die Lage zu bessern, zeigt etwa das europäische Projekt zum Aufbau einer Cloud-Infrastruktur, Gaia-X. 2019 mit großen Versprechungen angekündigt, gilt es inzwischen als tot. Nun liegt es an der kommenden Bundesregierung und der neuen EU-Kommission, erfolgreichere Wege zu suchen, als die wohl gescheiterte Ansiedlung einer Chipfabrik von Intel in Magdeburg.
Bitkom-Präsident Wintergerst spricht sich für eine gezielte Weiterentwicklung der Fähigkeiten in digitalen Schlüsseltechnologien aus. In Bereichen wie der Mikroelektronik, der IT- und Cyber-Sicherheit, der KI oder bei Quantencomputern traut er Deutschland durchaus zu, eine weltweite Technologieführerschaft erlangen zu können. „Es geht nicht um technologische Autarkie, sondern um die Möglichkeit zu selbstbestimmten Entscheidungen in der digitalen Welt“, betont Wintergerst.
Eines der weiteren Problemfelder ist aber auch, nicht nur, dass wir wenig effektive IT vorzeigbar haben, nein, was verfügbar wäre, wird mangels Umsetzung in die Praxis gar nicht angewandt. Nach wie vor erscheint DEU mehr als ein technisches Entwicklungsland denn als ein moderner Staat.
China hat Facebook und Co. schlicht ausgesperrt, aus politischen Gründen, aber auch deshalb, weil nur so heimische Produkte hochkommen konnten. Wie immer ist Europa auch hier zu spät dran. Musk, Zuckerberg, etc. werden uns via Trump den Wirtschaftskrieg erklären oder ihn weiter verschärfen, wenn wir sie stark begrenzen und sie den Goldesel Europa nicht weiter relativ steuerfrei melken dürfen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden