Herr Adrian, gewinnt die neue Koalition mit ihrem nun vorgestellten Programm das Vertrauen der Wirtschaft zurück?
Peter Adrian: In diesen Krisenzeiten ist es auch aus Sicht der deutschen Wirtschaft gut, wenn wir in Kürze wieder eine handlungsfähige Regierung haben werden. Ob die Unternehmerinnen und Unternehmer schnell wieder Vertrauen in die Wirtschaftspolitik gewinnen, entscheidet sich aber nicht allein am Koalitionsvertrag. Es kommt jetzt darauf an, dass schnellstmöglich konkrete Verbesserungen und Entlastungen in den Betrieben ankommen. Und da sehe ich trotz einiger guter Ansätze auch in den Koalitionsvereinbarungen noch viel Luft nach oben. Die Energiekosten und Steuern müssen schneller und deutlicher runter. Und beim Bürokratieabbau muss die künftige Regierung noch viel stärker Gas geben.
Nach Umfragen belastet die überbordende Bürokratie Unternehmer noch mehr als Energiekosten und Steuern.
Adrian: Bürokratie-Rückbau, wie Friedrich Merz das so schön gesagt hat, ist von enormer Bedeutung. Hier brauchen wir eine Verschlankung für die Wirtschaft auf allen Ebenen. Vom Bauantrag bis zum Genehmigungsverfahren. Die Bürokratie ist das größte Problem. Der Staat sollte wieder mehr Grundvertrauen in das Handeln der Bürger und damit auch der Unternehmer haben, statt immer mehr im Detail zu regulieren. Wir haben der Politik viele Beispiele genannt, welche Regelungen man rückbauen könnte, ich sage auch lieber: streichen könnte. Leider wurde davon noch nicht so viel umgesetzt. Wir brauchen deshalb jetzt dringend Tempo – auch beim Bürokratie-Abbau.
Deutschland scheint zumindest mehr Tempo bei der Sanierung der zum Teil maroden Infrastruktur zu bekommen.
Adrian: Aber die Mittel des 500-Milliarden-Euro-Programms können nur dann rasch in den Ausbau der Infrastruktur fließen, wenn wir einfachere Vergabe-Strukturen in Deutschland schaffen und die Planungs- und Genehmigungsverfahren entschlacken. Der Reformbedarf in Deutschland ist enorm.
Wie stellen Sie sich das Entschlackungs-Programm konkret vor?
Adrian: Wenn eine Autobahn-Brücke in Deutschland erneuert werden muss, sollte dies im Schnellverfahren ohne umfangreiche Prüfung geschehen. Gleiches gilt für Bahntrassen und Wasserstraßen. Wir brauchen grundlegend andere Rahmenbedingungen. Ich hoffe sehr, dass das 500-Milliarden-Programm nicht ein reines Strohfeuer wird, das rasch verpufft. Die Mittel müssen effektiv und kostengünstig eingesetzt werden. In Deutschland sind schon zu viele Bauvorhaben bei Kosten und Zeitbedarf aus dem Ruder gelaufen. Kein Unternehmer würde die Regeln des Vergaberechts der öffentlichen Hand bei seinen eigenen Investitionen nutzen.
Haben Friedrich Merz und Lars Klingbeil den Ernst der Lage verstanden? Sind die Botschaften der Wirtschaft bei den beiden Politikern angekommen? Oder wird auch diese Regierung wieder nur in homöopathischen Dosen strukturelle Reformen einleiten?
Adrian: Ich hoffe nicht, aber die Gefahr besteht natürlich, dass es nur zu Reformen in homöopathischen Dosen kommt. Ich bleibe aber Optimist, auch was die neue Regierung betrifft. Gerade die zusätzlichen Herausforderungen durch die Zoll-Politik von Trump und die drohende Eskalation in den kommenden Wochen machen deutlich, dass unsere Wirtschaft am Standort Deutschland Rückenwind braucht – und keinen Gegenwind.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer analysiert, die deutsche Krise sei hausgemacht. Nun ist sie auch noch Trump-gemacht. Wie tief kann unsere Wirtschaft noch sinken?
Adrian: Unser DIHK-Stimmungsindex mit Aussagen von Unternehmern zur Geschäftslage und ihren Erwartungen steht derzeit auf „pessimistisch“. Doch ich bin grundsätzlich ein Optimist, wie das auch der viel zu früh verstorbene Präsident der schwäbischen Industrie- und Handelskammer, Andreas Kopton, stets war.
Das sind harte Zeiten für Optimisten. Pessimismus hat Hoch-Konjunktur.
Adrian: Die Deutsche Industrie- und Handelskammer geht bislang davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 0,5 Prozent zurückgeht. Deutschland droht das dritte Krisenjahr in Folge – und das ohne Anzeichen auf eine Erholung.
Doch in der Prognose sind die Folgen des Zoll-Extremisten Trump nicht eingepreist. Kommt alles schlimmer?
Adrian: Die Zoll-Politik von Trump kann gravierende Auswirkungen auf das deutsche, aber auch auf das globale Wachstum haben. Wenn der US-Präsident bei seinen Beschlüssen bleibt und sie nicht korrigiert, dann würde die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr noch stärker einbrechen. Ich hoffe jedoch, dass die Zoll-Beschlüsse Trumps noch für uns vorteilhafte Korrekturen erfahren.
Trump hin oder her, auch ohne den US-Zollkrieger läuft es wirtschaftlich schlecht in Deutschland. Wo klemmt es am heftigsten?
Adrian: Wir haben in wichtigen Wirtschaftsbereichen Schwierigkeiten in Deutschland: So hat die Grundstoffindustrie, also etwa die Chemiebranche, wegen der hohen Energiekosten ein massives Kostenproblem. Die Fahrzeugindustrie steckt in der Krise, weil der Wandel zur E-Mobilität nicht wie geplant funktioniert. Selbst unser einstiges Zugpferd, der Maschinenbau, leidet stark unter rückläufigen Aufträgen. Und der Bau- wie Immobiliensektor ächzt wegen der Zinsentwicklung unter einer zurückhaltenden Baunachfrage. Diese Branchen machen einen wesentlichen Teil unserer Wertschöpfung aus. So können wir keine positive Entwicklung für unser Land erwarten.
Zumindest im Zollstreit mit den USA könnte Brüssel die Gegenzoll-Keule rausholen. Muss EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ordentlich hinlangen, um sich Respekt bei Trump zu verschaffen?
Adrian: Die EU sollte mit Augenmaß auf Trump reagieren – also mit Vernunft und gleichzeitig mit Nachdruck bei Gegenzöllen vorgehen. Denn die amerikanischen Bürger und Unternehmer spüren jetzt bereits selbst die negativen Folgen der Zoll-Politik Trumps, wie sich etwa an den einbrechenden Börsen zeigt. Es gibt schon erste Protestbewegungen in den USA.
Sollte sich die EU wirklich zurückhalten? Trump scheint nur Stärke zu akzeptieren.
Adrian: Es ist klug, wenn wir aus eigenem Interesse abgestimmt und moderat vorgehen. Die EU signalisiert zu Recht Gesprächsbereitschaft und macht auch Vorschläge zum Abbau von Zöllen, gleichzeitig werden Gegenmaßnahmen vorbereitet. Wir müssen genau beobachten, welche Eigendynamik sich jetzt nach dem Absturz der Börsen und drohenden großen Preissteigerungen für US-Konsumenten entfaltet. Das könnte zu Korrekturen der Zoll-Politik beziehungsweise zu Gesprächsbereitschaft bei Trump führen. Und ich hoffe in diesem Zusammenhang, dass die US-Regierung das große Engagement der deutschen Wirtschaft auch in den USA anerkennt. Dort liegt der Bestand an deutschen Direktinvestitionen bei mehr als 500 Milliarden Euro, und deutsche Unternehmen beschäftigen knapp eine Million Menschen in den USA.
Deutsche Firmen haben in den USA reichlich Geld investiert, weil dort einige Standort-Bedingungen deutlich besser sind als in Deutschland.
Adrian: Dass so viele deutsche Firmen große Investitionen in den USA getätigt haben, hängt unter anderem damit zusammen, dass dort die Energiepreise bei nicht mal einem Viertel der deutschen Kosten liegen. Nun sind deutsche Unternehmer aber verunsichert, was es für ihre US-Niederlassungen bedeutet, wenn die EU entsprechende Gegenzölle auf Einfuhren aus Amerika in die EU erhebt. Und wenn Unternehmer verunsichert sind, halten sie sich mit Investitionen zurück.
Bei allem Trump-Chaos: Wenn die Krise in Deutschland in erster Linie hausgemacht ist, bieten sich Reformen nach Hausmacher-Art an. Welche Rezepte legen Sie den Polit-Köchen Merz und Klingbeil nahe? Soll die neue Koalition mehr Schröder und weniger Scholz wagen?
Adrian (lacht): Die Personen lasse ich mal außen vor. Ich habe dem wohl künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz gesagt, wie sich die Wirtschaft Reformen vorstellt. Wir brauchen in Deutschland wieder ein Grundvertrauen in die Politik. Gerade Unternehmer hatten zuletzt das Vertrauen in die Politik verloren.
Kann Deutschland wieder zu alter Wirtschaftsstärke ab 2026 zurückfinden, wenn Bürokratie abgebaut wird, die Unternehmenssteuern wie auch die Energiekosten sinken? Oder ist das deutsche Erfolgsmodell dauerhaft beschädigt?
Adrian: Das deutsche Erfolgsmodell braucht sicher echte Reformen. Wirtschaft hat gleichzeitig viel mit Psychologie zu tun. Deshalb muss die neue Regierung die Chance nutzen, mit einem Neustart auch in der Wirtschaft wieder Zuversicht zu ermöglichen. Es kommt jetzt auf konkrete Sofortmaßnahmen an – und auf eine wieder dauerhaft verlässliche Wirtschaftspolitik. Wenn ich hier einen der Vorgänger des künftigen Bundeskanzlers zitieren darf: Entscheidend ist, was hinten rauskommt.
Peter Adrian, 68, ist seit 2021 Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer - kurz DIHK. Der Unternehmer aus dem rheinland-pfälzischen Trier hat 1989 die Triwo AG in Trier mit heute 36 Tochtergesellschaften in den Bereichen Industrie- und Gewerbeparks, Kfz-Testcenter und Sonderflughäfen gegründet. Adrian war von 2006 bis 2023 Präsident der Industrie- und Handelskammer Trier.
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