Dauerhaft niedrige und planbare, international wettbewerbsfähige Energiekosten versprechen Union und SPD in ihrem jüngst beschlossenen Sondierungspapier. Daran hat sich allerdings auch schon die scheidende Bundesregierung versucht. Tatsächlich ist die Stromerzeugung mit beinahe 60 Prozent Erneuerbaren so grün wie noch nie. Allerdings ist auch dieser Wert nur ein Zwischenziel auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaftsweise.
Die andere Seite der Medaille sind die Strompreise. Private Haushalte zahlen nirgends in Europa mehr. In der Wirtschaft sind die Höchstpreise aus der Zeit der Energiekrise nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine zwar wieder Geschichte. Unternehmen aus besonders stromintensiven Branchen zahlen laut Bundesnetzagentur mit durchschnittlich 11,69 ct/kWh dennoch beinahe doppelt so viel für den Strom wie im Jahr 2020. Unternehmen, die nicht von den Vergünstigungen bei Netzentgelten, Umlagen, Abgaben und Steuern profitieren können, zahlen mit 17,99 ct/kWh aktuell nur geringfügig mehr als im Jahr 2020.
Der Netzausbau hinkt hinterher
Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung und Inhaber des Lehrstuhls Umwelt-/Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum, sieht noch viele Baustellen auf dem Weg zu einer sicheren, sauberen und bezahlbaren Stromversorgung in Deutschland. Was gut funktioniere, sei der Ausbau der Erneuerbaren. Doch es werde immer schwieriger, die Energie in den Markt zu integrieren. Denn der Netzausbau hinkt immer noch dem Ausbau der Erzeugungskapazität hinterher.
80 Prozent des Strombedarfs in Deutschland soll bis zum Jahr 2030 aus erneuerbaren Energien stammen. Gleichzeitig sollen viele Prozesse elektrifiziert werden, um sie klimaneutral zu machen. Doch die Stromnachfrage, die diesen Berechnungen zugrunde liegt, entwickelt sich deutlich langsamer als gedacht: Weder bei der E-Mobilität noch bei der Verbreitung von Wärmepumpen im Gebäudebereich oder der Erzeugung von Wasserstoff in Elektrolyseuren sind die Ziele erreicht.
Die Wirtschaft verbraucht im Moment weniger Strom als sonst
Noch dazu ist die Wirtschaft in der Krise und verbraucht deswegen weniger Strom. „Die Realität ist: Wir haben derzeit den geringsten Stromverbrauch seit 30 Jahren“, sagte Löschel bei einem Stromgipfel der IHK Schwaben am Donnerstag in Augsburg. Das bedeutet, der geplante, teure Ausbau der Kapazitäten ist womöglich in so kurzer Zeit gar nicht nötig.
Dennoch sei perspektivisch auch der Zubau neuer Kraftwerke nötig. Denn die Verfügbarkeit steuerbarer Kraftwerkskapazitäten hinke seit der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke hinterher. Doch durch die Markteingriffe in den vergangenen Jahren habe das Vertrauen der Investoren in den Markt gelitten. Dieses Problem drohe sich nun fortzuschreiben: Wenn, wie angedacht, Reservekraftwerke in den regulären Markt zurückkehren sollten oder eben neue Gaskraftwerke politisch in den Markt subventioniert werden sollten, gefährde das die Investitionspläne vieler Energieerzeuger. Die im Sondierungspapier von Union und SPD festgeschriebenen Ziele für den Zubau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 hält er nicht für realistisch: Aus europarechtlicher Sicht seien solche Beihilfen nur schwer genehmigungsfähig.
Netzbetreiber fordern Strompreissenkung
Auch die Netzbetreiber sehen akuten Handlungsbedarf. Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, der verantwortlich ist für die Regelzone in Bayerisch-Schwaben, sowie die Verteilnetzbetreiber Lechwerke und AllgäuNetz, legten bei der Veranstaltung ein Fünf-Punkte-Papier an die künftige Bundesregierung vor. Sie fordern eine Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß und strombasierte Technologien zu fördern. Die Idee dahinter ist einfach: Je mehr Strom in Deutschland verbraucht wird, auf desto mehr Schultern verteilen sich die Kosten für den nötigen Netzausbau.
Bis zu 30 Prozent der Ausbaukosten könnten zudem eingespart werden, wenn der Ausbau nicht bis auf die letzte einzuspeisende Kilowattstunde ausgelegt werde. Die dafür nötigen Kappungen, vor allem von Photovoltaikanlagen vom Netz, würden nur wenige Prozente der Leistung kosten. Die Kosten drücken würde nach Ansicht der Netzbetreiber auch eine Beteiligung der Energieerzeuger an den Netzausbaukosten.
Schließlich leidet auch die Energiewende an hohen Bürokratielasten: Der Ausbau der Hochspannungsleitungen erfolge in Bayern zu über 80 Prozent in Bestandstrassen. Dennoch dauerten die Genehmigungsverfahren auch hier acht bis zehn Jahre. An anderer Stelle haben sich die Planungsverfahren deutlich beschleunigt. Neue Leitungen könnten daher nun geplant werden. Realisiert werden sollten aber nur Projekte, die volkswirtschaftlich unverzichtbar seien.
>>Schließlich leidet auch die Energiewende an hohen Bürokratielasten: Der Ausbau der Hochspannungsleitungen erfolge in Bayern zu über 80 Prozent in Bestandstrassen. Dennoch dauerten die Genehmigungsverfahren auch hier acht bis zehn Jahre.<< Seit Jahren beklagen wir dies bei Aiwanger und Söder. Doch diese jammern über zu viel Bürokratie. Aber sie verschlanken und beschleunigen nicht die Genehmigungsverfahren, wo Bayern zuständig ist. Raimund Kamm
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