Wie wird aus einem Produkt eine Marke? Eine, die jeder kennt. Am besten auch noch eine, die positive Emotionen weckt. Konzerne stecken gigantische Summen in Image-Kampagnen, um solche Marken aufzubauen. Oft vergeblich. Und dann gibt es Marken, die all diese Kriterien erfüllen und trotzdem irgendwann einfach so verschwinden. Beinahe wäre es auch Leica so gegangen.
Vor 100 Jahren entwickelte Leica die erste Kleinbildkamera
Unter Fotografen genießt der hessische Kamerahersteller Kultstatus. Vor 100 Jahren entwickelte Leica seine erste Kleinbildkamera, die in Serie produziert wurde. Dass die Firma dieses Jubiläum noch feiern kann, ist allerdings nicht selbstverständlich. Denn nach der Jahrtausendwende schien die einstige Erfolgsgeschichte wie ausgeknipst. Die Umstellung vom analogen Film auf das digitale Zeitalter hatte das Unternehmen hart getroffen. Es drohte sogar die Pleite. Gut zwei Jahrzehnte später erlebt Leica eines der erstaunlichsten Comebacks der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Schon zum dritten Mal in Folge steht ein Rekord in der Bilanz. Im abgelaufenen Geschäftsjahr kratzte die Leica Camera AG an der Marke von 600 Millionen Euro Umsatz. „Das war ein absolutes Superjahr für uns, damit sind wir natürlich total happy“, sagt Vorstandschef Matthias Harsch. Dass Leica nach dem Beinahe-Aus die Kurve gekriegt hat, hängt vor allem mit einem Namen zusammen: Andreas Kaufmann.
Mit einem Österreicher an der Spitze gelang die Wende
Der österreichische Unternehmer stieg als Investor ein, als die besten Zeiten des Kameraherstellers objektiv betrachtet vorbei waren. Eine Tante hatte ihm und seinen Brüdern ein Milliardenvermögen vererbt, das Kaufmann 2004 unter anderem in Leica-Aktien steckte. Er selbst, früher Oberstufenlehrer an einer Waldorfschule in Baden-Württemberg, wurde Aufsichtsratsvorsitzender und fokussierte sich auf neue Geschäftsfelder. Zwischendurch übernahm er sogar kurzzeitig selbst die Rolle des Vorstandschefs. Bis heute ist der inzwischen 71-Jährige Hauptanteilseigner, doch 2011 holte er noch einen weiteren Geldgeber an Bord, um Innovationen finanzieren zu können: den durchaus berüchtigten US-Investmentriesen Blackstone, jenen Konzern also, den der frühere SPD-Chef Franz Müntefering einst als „Heuschrecke“ bezeichnete.
Leica will ein Smartphone für Europa entwickeln
Für Leica zahlte sich das Risiko aus. Der Umsatz hat sich seitdem mehr als verdoppelt. Nur wie konnte das gelingen, in einer Zeit, in der fast jedes Smartphone eine hochauflösende Kamera integriert hat? Eine Antwort: Auch in einigen dieser Smartphones, etwa des chinesischen Anbieters Xiaomi, steckt Leica-Optik. In Japan arbeitet das Unternehmen mit Sharp zusammen. Leica verdient also am Handy-Boom mit und will nun ein Gerät für den europäischen Markt entwickeln. Denn: „Bei Kaufentscheidungen für Smartphones spielen die Kameras eine immer größere Rolle“, sagt Harsch.

In der klassischen und immer noch größten Sparte Fotoapparate ist es Leica gelungen, sich als digitale Luxus-Marke mit geringen Stückzahlen, aber hohen Preisen zu etablieren und damit eine zahlungskräftige Kundschaft anzusprechen. Die erfolgreiche Kamera M11 etwa kostet im Handel zwischen 8000 und 9000 Euro. Hinzu kommen neben den Smartphones weitere neue Geschäftsfelder wie Brillengläser, Wärmebildkameras oder Ferngläser. Wie wichtig Forschung und Entwicklung für das Unternehmen sind, zeigt sich auch daran, dass in diesem Bereich genauso viele Menschen beschäftigt sind wie in der Produktion.
Eine ganz entscheidende Säule des Konzeptes ist zudem das Vertriebsnetz. Rund 120 eigene Läden betreibt Leica weltweit, zuletzt wurden neue Filialen in New York, Paris, Amsterdam und Mexiko-Stadt eröffnet. Doch der Mann, der die Marke gerettet hat, will noch mehr. „Der Rest der Welt, das ist unsere Aufgabe“, sagt Andreas Kaufmann.
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