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Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolbild)
Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolbild)

Nicht nur die Industrie: Robert Habeck fordert, dass auch Haushalte Gas sparen.

Engpässe
15.07.2022

Kommen auf Haushalte bei der Gasversorgung Einschnitte zu?

Von Michael Kerler

Wirtschaftsminister Robert Habeck stellt die bevorzugte Priorisierung der Haushalte in der Gasversorgung infrage. Der VdK warnt dagegen vor kalten Wohnungen.

Kommt es in Deutschland wirklich zu Engpässen bei der Gasversorgung, sind Haushalte eigentlich besonders geschützte Kunden. Für sie sind die Gasversorgungsunternehmen besonders verantwortlich, genauso wie zum Beispiel für Krankenhäuser, Pflegeheime, Hospize, Gefängnisse, Feuerwehr oder die Polizei. Wer aber davon ausgegangen ist, dass ein Gasmangel in Deutschland keine Auswirkungen auf die Haushalte haben wird, könnte sich getäuscht haben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte diese Woche, auch Verbraucherinnen und Verbraucher müssten "ihren Anteil leisten".

Habeck stellte damit die Priorisierung infrage, wonach bei Engpässen zuerst Industrie und Wirtschaft Einsparungen erbringen müssten. Wenn Industriebetriebe von der Gasversorgung genommen werden, wären die Folgen für große Teile der Wirtschaft massiv. Diese Folgen müssten nach Ansicht Habecks berücksichtigt werden. Auch private Kunden müssten deshalb einen Beitrag zur Einsparung von Gas leisten.

Habeck-Ministerium: "Alle Verbraucher müssen Beitrag zum Energiesparen leisten"

Eine Sprecherin Habecks präzisierte später, dass Kindergärten, Krankenhäuser und Privathaushalte geschützte Verbraucher seien, die weiter beliefert und nicht abgeschaltet werden. Es sei aber auch klar, dass bei einem Gasmangel "alle Verbraucher einen Beitrag zum Energiesparen leisten müssen." Der Hebel könnte das Energieeinspargesetz des Bundes sein. Denkbar sei es, Heizvorgaben zur Temperatur in den Wohnräumen abzusenken.

Nach Angaben des Mieterbundes müssen Vermieterinnen und Vermieter in der Heizperiode _ also in der Regel vom 1. Oktober bis 30. April _ die zentrale Heizungsanlage so einstellen, dass eine Mindesttemperatur in der Wohnung zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht werden kann.

EU: Büros und öffentliche Gebäude nur auf 19 Grad beheizen

Was öffentliche und kommerzielle Gebäude sowie Büros betrifft, schlägt die EU-Kommission bereits ein Absenken der Temperatur vor: Ein Entwurf für einen Notfallplan sieht vor, dass dort die Räume ab Herbst bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen.

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Die Industrie warnt inzwischen mit Nachdruck davor, im Ernstfall zuerst die Betriebe von der Gasversorgung zu nehmen: Er befürchte einen "Herzinfarkt der deutschen Wirtschaft" im Falles eines vollständigen Gasembargos, warnte der Präsident des Verbandes der chemischen Industrie, Christian Kullmann, in der Süddeutschen Zeitung. "Was nützt es, wenn die Haushalte zwar weiter Gas bekämen, es aber nicht mehr bezahlen könnten?", sagte er.

Familienunternehmer: Ohne Gasversorgung drohen Arbeitsplatzverluste

Eine Beteiligung der Haushalte fordern auch die deutschen Familienunternehmen: "Minister Habeck hat zu Recht die Diskussion eröffnet, wie jeder Verbraucher Gas einsparen kann", sagte Albrecht von der Hagen, Hauptgeschäftsführer des Verbandes "Die Familienunternehmer", unserer Redaktion. "Wenn Russland uns kein Gas mehr liefert, fehlen uns rund 50 Prozent", warnt er. "Mit den sicheren Gaslieferungen könnten zwar die Wohnungen wie bisher geheizt werden, aber die Industrie müsste dann dichtmachen. Was hilft es aber den Menschen, wenn sie in sehr warmen Wohnungen leben, aber den Arbeitsplatz verlieren, um Gas und Strom bezahlen zu können?"

Damit auch Unternehmen mehr Gas sparen können, fordern die Familienunternehmer rasche Gesetzesänderungen: Zum Beispiel schreibe die Arbeitsstättenverordnung vor, wie warm es in den Büros sein muss. "Etliche Unternehmen könnten auch von Gas auf Öl oder Strom umstellen, aber ohne eine Erlaubnis nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ist das illegal", sagt von der Hagen. "Da muss sofort ein Erlass her, dass die Behörden diese sehr wirkungsvolle Gaseinsparung wenigstens dulden." Die Bundesregierung könne auch sehr schnell damit beginnen, über eine Art Versteigerung den Unternehmen, die freiwillig auf Teile ihres Gasverbrauchs verzichten und damit auf Umsatz und Gewinn, eine Kompensation zu geben, fordert er.

Klaus Müller, Bundesnetzagentur: Statt 1500 Euro im Jahr bald bis zu 4500 Euro möglich

Bei den Verbrauchern dürfte der starke Anstieg der Gaspreise dazu führen, dass diese Energie sparen. Das Ende ist dabei noch lange nicht in Sicht. Einen regelrechten Preisschock erwartet Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur: "Bei denen, die jetzt ihre Heizkostenabrechnung bekommen, verdoppeln sich die Abschläge bereits - und da sind die Folgen des Ukraine-Krieges noch gar nicht berücksichtigt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "

Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine Verdreifachung der Abschläge einstellen, mindestens", kündigte er an. Das heißt, wer bisher 1500 Euro im Jahr für Gas bezahle, liege künftig bei 4500 Euro.

Verena Bentele, VdK: Von Rentnerinnen und Rentnern Gassparen zu fordern, ist zynisch

VdK-Präsidentin Verena Bentele warnt indes, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu überfordern oder sie gar in kalten Wohnungen sitzen zu lassen: "Die Versorgung der Privathaushalte muss weiterhin an oberster Stelle stehen", sagte Bentele unserer Redaktion. "Dazu braucht es Unterstützung für alle, die in schlecht isolierten Wohnungen leben und selbst daran nichts ändern können." Das seien meist Menschen mit geringen Einkommen, auch arme Rentnerinnen und Rentner. "Von ihnen verbindlich zu fordern, Gas zu sparen, ist zynisch und geht an der Lebensrealität vorbei", kritisiert sie. "Eine warme Wohnung, eine warme Mahlzeit darf für sie, aber auch für chronisch Kranke und Pflegebedürftige nicht zu Luxusgütern werden. Wenn sie dauerhaft frieren, kann das schwere gesundheitliche Probleme verursachen."

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Foto: Michael Kappeler, dpa
Foto: Michael Kappeler, dpa

Verena Bentle, Präsidentin des Sozialverbands VdK: "Eine warme Wohnung, eine warme Mahlzeit darf für Rentnerinnen und Rentner, aber auch für chronisch Kranke und Pflegebedürftige nicht zu Luxusgütern werden."

Die Zukunft der Gasheizung steht angesichts dieser Umstände mehr denn je infrage. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und Habeck planen aus Klimaschutzgründen das Gebäudeenergiegesetz so zu ändern, dass ab 2024 nur noch Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien arbeiten. Das liefe auf ein Ende der reinen Gasheizung hinaus.

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