
So will IG-Metall-Chef Hofmann sein Erbe verteilen

Wenn der Gewerkschafts-Vorsitzende im Oktober abtritt, soll er eine Frau und einen Mann als Nachfolger bekommen. Wie bei SPD und Grünen dürfe es jedoch nicht laufen.

Kathleen Dunton ist eine erfahrene Personal-Expertin. Sie besetzt Führungspositionen für deutsche und internationale Firmen. Die Spezialistin für alles Menschliche, allzu Menschliche, hat sich in einem Aufsatz mit dem Thema „Doppelspitze“ beschäftigt und kommt zum Schluss: „Das Konzept ist fragil.“ Denn wenn die beiden Manager nicht zusammenpassen oder sich ihre Einflussbereiche überschneiden, komme es zwangsläufig zum Konflikt. „Dann ist ein Scheitern fast nicht zu vermeiden“, hat Dunton erlebt.
Die Mächtigen der IG Metall wissen um diese Fallstricke und streben dennoch eine solche gleichberechtigte Tandem-Lösung an der Spitze der Organisation an. Wenn der jetzige Chef Jörg Hofmann, 67, am Gewerkschaftstag in Frankfurt am Main wohl am 23. Oktober abtritt, soll auf ihn das Duo aus der Vize-Vorsitzenden Christiane Benner, 54, und dem baden-württembergischen IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger, 56, folgen. Die Gewerkschafterin ist eine Diplom-Soziologin und gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. Im IG-Metall-Vorstand verantwortet sie Bereiche wie die Betriebs- und Mitbestimmungspolitik oder das Themenfeld der Gleichstellung.
Ein guter Tarifabschluss für die IG Metall
Zitzelsberger ist wie der ebenfalls aus Baden-Württemberg stammende Hofmann ein versierter Tarifpolitiker, der im vergangenen Jahr einen aus Sicht der Gewerkschaft guten Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie ausgehandelt hat. Die Beschäftigten bekommen dank des wiederum in Baden-Württemberg erkämpften Vertrages zunächst ab Juni 5,2 Prozent mehr Geld. Weitere 3,3 Prozent folgen im Mai 2024. Als Sahnehaube gibt es einen Inflationsausgleich von 3000 Euro, der in zwei Tranchen ausgezahlt wird.
Das ist natürlich nach dem Geschmack von rund 2,15 Millionen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Auch dank der erfolgreichen Tarifrunde konnte das Tempo des Mitgliederschwundes in den Corona-Krisen-Jahren zuletzt deutlich gebremst werden. Ende 2021 zählte die IG Metall etwa 2,17 Millionen Beitragszahler, während es 2020 noch 2,21 Millionen waren.
Da Tarifpolitik der Markenkern der Gewerkschaft ist, drängt Zitzelsberger als Mann nach oben an die Gewerkschaftsspitze. Benner steht ebenso bereit und war dem Vernehmen nach auf entsprechende Avancen, doch DGB-Chefin zu werden, nicht eingegangen. Letztlich übernahm dann Yasmin Fahimi, 55, den Posten beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Zitzelsberger muss sich nun wohl die Macht mit der anerkannten Gewerkschafterin Benner teilen. Nach dem Personal-Tableau bliebe Jürgen Kerner, die aus Augsburg stammende und in der Gewerkschaft beliebte Nummer drei, Hauptkassierer der IG Metall. Der 54-Jährige ist als Vorstandsmitglied der Industrie-Experte der Gewerkschaft.
Zunächst müssen die IG-Metall-Mitglieder überzeugt werden
Noch muss Hofmanns Plan, sein Erbe auf mehreren Schultern zu verteilen, über einige Hürden gewuchtet werden. Da die IG Metall basisdemokratisch aufgestellt ist, wird die Zweierpack-Lösung zunächst auf Bezirksebene ausgiebig erörtert. So stellten sich Benner und Zitzelsberger schon in München Fragen führender bayerischer IG-Metall-Funktionäre. Sie hätten dabei überzeugt, heißt es aus Teilnehmerkreisen.
Nach weiteren Gesprächsrunden soll der IG-Metall-Vorstand dann im März darüber abstimmen, inwieweit dem Gewerkschaftstag eine solche Doppelspitze vorgeschlagen wird. Ob es wirklich dazu kommt, hängt von der Stimmung unter den Delegierten ab. Denn zunächst bedarf es für die Einführung der neuen Vorstandsstruktur einer Satzungsänderung. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, die noch nicht als gesichert gilt. Um aber eine Panne beim Gewerkschaftstag zu vermeiden, wird Werbung in den IG-Metall-Regionen für das neue Vorstandsmodell gemacht.
Wie zu erfahren ist, wollen Hofmann wie auch seine potenziellen Nachfolger, Benner und Zitzelsberger, vermeiden, dass am Ende eine Doppelspitze wie bei der SPD oder den Grünen herauskommt. Denn Gewerkschafter haben bei den Parteiführungen beobachtet, „dass der eine schon mal zum gleichen Thema das sage und die andere dieses“. Das SPD-Zweigespann aus Saskia Esken und Lars Klingbeil wie auch das Grünen-Duo aus Ricarda Lang und Omid Nouripour gelten in der IG Metall demnach nicht als Vorbild.
So wünschen sich Gewerkschafter, dass Benner, Zitzelsberger und Kerner klar umrissene Themenfelder haben, zu denen nur sie aus dem künftigen Vorstand sprechen. Benner würde sich etwa zu wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen äußern, Zitzelsberger zu Tarif-Themen und Kerner zur Industriepolitik. Das könne auch gut funktionieren, verlautet aus Reihen der IG Metall, schließlich seien die drei Personen dazu länger im Gespräch. Das Trio würde damit vermeiden, dass es zu Überschneidungen kommt, wie das Personal-Expertin Dunton rät. Sollten jedoch die IG-Metaller auf dem Gewerkschaftstag den Weg für eine Satzungsänderung versperren und damit die Doppelspitze torpedieren, droht eine Kampfabstimmung zwischen Benner und Zitzelsberger, was beide Personen beschädigen würde.
Zu einem solchen offenen Kampf um die Führungsspitze der IG Metall kam es 2003, als die Nachfolge Klaus Zwickels zwischen Jürgen Peters und Berthold Huber ausgefochten wurde. Damals lautete eine Schlagzeile: „Die IG Metall bekämpft sich selbst.“ Eine Wiederholung des Desasters wollen einflussreiche Gewerkschafter mit aller Macht 2023 verhindern.
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