Passend zur Weihnachtszeit gibt es am Freitag ein üppiges Finanzpaket für die Euro-Staaten: Schneller als vereinbart tilgt Griechenland knapp acht Milliarden Euro seiner Schuldenlast. Bereits im vergangenen Jahr zahlte Griechenland etwa fünf Milliarden Euro bilateraler Kredite vorzeitig zurück. Das überschüssige Geld stammt aus den stark gestiegenen Steuereinnahmen. Auch in diesem Jahr wächst das Bruttoinlandsprodukt des ehemaligen Pleite-Staates voraussichtlich um 2,3 Prozent. Es scheint, als wolle Griechenland den anderen EU-Staaten sein wirtschaftliches Comeback beweisen.
Schmelzender Schuldenberg, sinkende Arbeitslosenquote, Einführung der Sechs-Tage-Woche – stand Griechenland vor zehn Jahren noch vor dem Bankrott, floriert nun der Markt. Ein Wirtschaftswunder? Das nicht, stellt die griechische Ökonomin Effrosyni Adamopoulou im Gespräch mit unserer Redaktion klar: „Wir müssen berücksichtigen, dass der Staat nach wie vor auf einem niedrigen Niveau agiert.“ Als drei Hauptfaktoren für das steile Wirtschaftswachstum sieht die Expertin vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, die gestiegenen Investitionen internationaler Kapitalgeber, den wachsenden Inlandskonsum sowie das nach der Pandemie stabilisierte makroökonomische Umfeld. Rund ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geht auf den boomenden Tourismus zurück.
Zwei Reformen könnten als Vorbild für Deutschland dienen
Gute Voraussetzungen, die in diesem Jahr zu einem Haushaltsüberschuss von rund sechs Milliarden Euro führten – zumindest in der Primärbilanz, welche die Staatsverschuldung ausklammert. Die klingelnden Staatskassen sind laut Adamopoulou jedoch auch auf den Erfolg zweier struktureller Reformen zurückzuführen: die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und die Ausweitung der bargeldlosen Zahlung. Beides eingeführt im Kampf gegen die Steuerhinterziehung, welche als eine der Ursachen für die griechische Staatsschuldenkrise gilt. Die Reformen könnten auch ein Vorbild für Deutschland sein.
Insbesondere die Digitalisierung, die in Griechenland längst in jede Amtsstube eingezogen ist, hat vieles vereinfacht. „Egal, ob Privathaushalt oder Unternehmen – die meisten Verfahren können online eingereicht oder beantragt werden“, führt Adamopoulou aus. Diese digitale Transformation des öffentlichen Sektors war einer der Schwerpunkte im dritten wirtschaftlichen Anpassungsprogramm, welches Griechenland 2015 auferlegt wurde. Schritt für Schritt näherten sich die (Finanz-)Ämter dem Ziel an – schon seit 2021 können hier Rechnungen lediglich in elektronischer Form eingereicht werden.
Welches Potenzial in solch einer Verwaltungsreform steckt, weist eine kürzlich veröffentlichte Studie des Münchner ifo-Instituts auf. Die Fachleute beziffern die Verluste für die Wirtschaftsleistung aufgrund der hohen Bürokratielast deutscher Unternehmen mit etwa 146 Milliarden Euro jährlich. Eine elektronische Verwaltung reduziert den Arbeitsaufwand, wie auch Georgios Theodorakis von der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Thessaloniki anführt: „Besonders hervorzuheben ist das digitale Grundbuch, das alle Immobilien landesweit erfasst und so für mehr Transparenz und Effizienz sorgt. Die drastische Verkürzung der Bearbeitungszeiten bei Rentenanträgen zeigt ebenfalls, wie gezielte Maßnahmen Prozesse optimieren können.“
Deutschland kann von den Erfahrungen des krisengeschüttelten Landes lernen. Vor allem in Bezug auf Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und die gezielte Nutzung von Ressourcen zur Wirtschaftsförderung.
Georgios Theodorakis, Deutsch-Griechische Industrie- und Handelskammer
An rein elektronische Anträge und Rechnungen mussten sich auch die griechischen Bürgerinnen und Bürger erst gewöhnen. „Vor 2015 wurden rund 75 Prozent aller Transaktionen mit Bargeld beglichen“, sagt Adamopoulou. Mittlerweile werde bei den Privateinkäufen die Karte bevorzugt. Diesen Einstellungswandel hat auch eine ungewöhnliche Maßnahme des Finanzministers Euklid Tsakalotos beschleunigt: Im Rahmen einer Staats-Lotterie bekommen Bürgerinnen und Bürger für jeden Euro, den sie mit der Karte bezahlen, eine Losnummer vom Finanzamt zugeteilt. Aus diesem Topf werden monatlich 1000 Personen gezogen, die je 1000 Euro gewinnen. Bargeldlose Transaktionen sind für den Staat von Vorteil, da alle Kartenterminals über das Mobilfunknetz mit dem Fiskus verbunden sind. Heißt: Das Finanzamt kann alle Transaktionen in Echtzeit registrieren.
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