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Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolbild)
Foto: Fabian Sommer, dpa (Symbolbild)

Aldi testet in London einen Supermarkt, der nicht nur ohne Kassiererinnen und Kassierer funktioniert, sondern ganz auf Kassen verzichtet.

Handel
21.02.2022

Aldi testet in London Einkaufen ohne Kassen

Von Susanne Ebner

Der Discounter probiert in London die neue Form des Supermarktbesuchs aus. Die Kundinnen und Kunden müssen dabei nicht den Geldbeutel zücken. Bezahlt wird mit einer App. Doch noch klappt nicht alles.

Es ist ein windig-grauer Februarmorgen in London, als Ruben Lopez mit einer Tüte in der Hand die neue Aldi-Filiale in Greenwich verlässt, ohne einmal seinen Geldbeutel gezückt zu haben. Der 22-jährige Student aus Spanien, der erst vor kurzem in die britische Hauptstadt gezogen ist, geht regelmäßig in dem neuen „Shop & Go“-Laden im Südosten Londons einkaufen.

Das Besondere: Der Supermarkt funktioniert ohne Kassen und Kassierer, bezahlt wird mithilfe einer App. „Es ist sehr praktisch, allerdings ist es schon etwas komisch, dass man sich mit keinem unterhält“, sagte Lopez. Ein Einkaufserlebnis, das auf den ersten Blick quasi ohne Menschen auskommt?

Mehrere Ketten testen wie Aldi Märkte ohne Kassen

Aldi ist mit seinem Testladen, der einen Vorgeschmack auf das Einkaufen der Zukunft geben könnte, nicht alleine. Auch Amazon sowie die britischen Supermarktketten Tesco und Sainsbury’s eröffneten vergleichbare Läden mit neuen Bezahlsystemen in der britischen Metropole, wo es schon lange üblich ist, Waren selbst zu scannen und kontaktlos mit der Debit- oder der Kreditkarte zu bezahlen. Doch wie läuft das Einkaufen in solch einem Supermarkt ab? Damit dies überhaupt möglich wird, muss man sich eine App auf das Smartphone herunterladen. Dort hinterlegt man seine Daten wie den Namen, die Anschrift sowie Informationen zur Kreditkarte. Außerdem wird der Kunde darüber aufgeklärt, wie das Einkaufen mit der neuen Technologie funktioniert. So ausgestattet betritt man den Markt, öffnet die Applikation und generiert einen QR-Code, den man – etwa vergleichbar mit dem Check-in am Flughafen – im Eingangsbereich scannt und so schließlich Zugang zum Einkaufsareal des Supermarktes erhält. Danach unterscheidet sich das Shopping-Erlebnis vor allem dadurch, dass man Käse, Wurst und Milch nicht etwa sichtbar in einem Einkaufswagen platziert, sondern stattdessen einfach in eine Tüte oder auch eine mitgebrachte Tasche stecken kann.

Ungewohnt zwar, aber auch praktisch. Waren scannen muss man zu keinem Zeitpunkt – weder mithilfe der App noch beim Bezahlen. Zum Schluss erreicht man nicht etwa eine Kasse, sondern eine weitere Schranke. Dort bleiben die Kunden einen kurzen Moment stehen, bevor sich diese öffnet und sie den Laden verlassen können, ohne den Geldbeutel gezückt oder Käse und Co. wieder aus der Tüte herausgenommen zu haben. „Dadurch spart man Zeit“, meinte Lopez.

Kameras und künstliche Intelligenz identifizieren die Waren

Aber wie funktioniert das technisch? Anders als in einem Rewe-Supermarkt in Köln beispielsweise, wo ebenfalls ein neues Bezahlsystem getestet wird, werden die Waren beim Discounter in London nicht mithilfe einer App vom Kunden selbst gescannt. Stattdessen erkennen Kameras kombiniert mit künstlicher Intelligenz, was die Kunden eingepackt haben. Die Abrechnung erfolgt dann automatisiert über die App. Dabei legt Aldi Wert auf Datenschutz. So werden die Kunden mit den Kameras laut Medienberichten nicht biometrisch, also personalisiert erfasst, sondern nur als Person an sich erkannt.

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Somit verzichte man darauf, aus den erfassten Daten umfassendere Schlüsse zum Einkaufsverhalten zu ziehen. Damit will der Discounter Vertrauen für ein neues Einkaufserlebnis aufbauen, dessen Technik unter anderem aus Deutschland kommt. Denn während das kassenlose Shopping-System in seiner Gesamtheit von dem US-amerikanischen Technologie-Anbieter Aifi stammt, wurde die App, die unter iOS und Android funktioniert, von der Osnabrücker Agentur Basecom entwickelt. „Unser Beitrag war es, verschiedene Dienstleistungs- beziehungsweise Softwareangebote miteinander zu verbinden – wie bei einem Blumenstrauß“, sagt Manuel Wortmann, Geschäftsführer von Basecom. Doch die Technik solcher Bezahlsysteme ist in der Testphase, und so gibt es noch die eine oder andere Herausforderung zu überwinden. So berichtete der spanische Student Ruben Lopez beispielsweise, dass ihm bei einem seiner ersten Einkäufe in der Filiale in Greenwich Waren abgerechnet worden seien, die er gar nicht gekauft hat. Dies soll laut Aldi insbesondere aufgrund des einfachen Sortiments jedoch sehr selten vorkommen. Wortmann zufolge sollen Kunden in diesem oder vergleichbaren Supermärkten falsche Berechnungen mithilfe der App außerdem zeitnah reklamieren oder stornieren können. Ungewohnt ist auch, dass man den Bon nicht sofort beim Verlassen des Ladens, sondern erst etwas später per E-Mail erhält.

In Deutschland sind Kundinnen und Kunden skeptischer

Es dauert auch schon mal eine halbe Stunde, bis der Beleg ausgestellt wird. „Die Zielsetzung ist, dass dies schneller geht“, kommentierte Wortmann. Verzögerungen gebe es, weil im Zweifel ein Mensch anhand von Kameraaufnahmen darüber entscheiden müsse, ob man tatsächlich beispielsweise eine Banane gekauft hat oder nicht, erklärte der Basecom-Chef. Doch das System lerne dazu und würde so mit der Zeit immer schneller. Unabhängig von der neuen Technik sind deutsche Discounter auf der Insel seit vielen Jahren beliebt. Der Konkurrent Lidl schließt mit über 900 Filialen in England, Schottland und Wales immer mehr zu dem Konkurrenten Aldi Süd auf.

Ob der Aldi-Konkurrent Lidl ebenfalls einen Supermarkt der Zukunft auf der Insel plant, darüber gab das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion keine Auskunft. Wie schnell es solche Läden in Deutschland geben wird, darüber entscheidet laut Wortmann weniger die Technik, sondern der Kunde. Denn während die Akzeptanz in London eher hoch sei, sei man in Deutschland zögerlicher. „Ich denke, dass Supermärkte dieser Art in der Breite frühestens in fünf bis zehn Jahren bei uns ankommen werden“, mutmaßt er.

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