Es ist kein Zuckerschlecken, für kleines Geld zu arbeiten. Gutverdiener sollten einmal diese Perspektive einnehmen, wenn sie sich über den Mindestlohn eine Meinung bilden. Auch der Schweiß derer, deren Lohntüte am Monatsende mager gefüllt ist, verdient Anerkennung.
Das gilt besonders, da in Deutschland wieder mehr statt weniger gearbeitet werden muss. Durch die Alterung der Gesellschaft gehen demnächst Millionen erfahrene Beschäftigte in die Rente, deren Arbeit gemacht werden muss. Mehr schuften, um unter dem Strich nur wenig mehr zu haben, ist dafür keine gute Motivation.
Die Inflation der letzten Jahre war brutal – höherer Mindestlohn ist nötig
Das Leben in Deutschland ist in den zurückliegenden Jahren sehr teuer geworden. Die Mieten klettern rasant. Wer im Supermarkt einkaufen geht, wundert sich, wie viel der Wocheneinkauf kostet. Hat man früher nicht die Hälfte dafür bezahlt? Die 190 Euro zusätzlich, die ab Januar bei Mindestlohnempfängern brutto auf dem Gehaltszettel stehen, werden gebraucht. Die Einigung in der Mindestlohnkommission ist auch ein Signal, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber in schwierigen Zeiten zu Kompromissen fähig sind. Das zeichnet Deutschland seit Jahrzehnten aus. Für den Zusammenhalt in der Gesellschaft ist es wichtig, dass Arbeit und Kapital nicht in wilden Kämpfen aufeinander losgehen.
Wichtig ist auch, dass die beiden staatstragenden Parteien Union und SPD die Steigerung in Richtung 15 Euro mittragen. Es gehört zum Preis, den CDU und CSU für die Koalition mit den Genossen entrichten. Mit ihrer Sozialpolitik tun Konservative und Sozialdemokraten den Beschäftigten mit schmalem Einkommen aber überhaupt keinen Gefallen. Die Sozialbeiträge für Rente, Kranken- und Pflegeversicherung steigen ungebremst. Wer wenig verdient, den schmerzen die höheren Abgaben. Der Mindestlohn kann keine Entschuldigung dafür sein, im Sozialstaat alles zu lassen, wie es ist.
Die Parteien im linken Spektrum müssen aufpassen, mit ihren Forderungen die Kommission nicht überflüssig zu machen. Wer braucht ein Gremium aus Expertinnen und Experten, das nach ökonomischen Grundlagen arbeitet, wenn das Ergebnis vorher feststehen soll? Die Mindestlohnkommission stand schon einmal vor dem Aus. Sie hat jetzt bewiesen, dass sie wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit zusammenbinden kann. Das schützt davor, dass die Unternehmen über Gebühr belastet werden. „Nach fest kommt ab“, sagen Handwerker und meinen damit das Anziehen einer Schraube. Für die Lohnschraube gilt dasselbe.
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