IG-Metall setzt Doppel-Wumms durch: Es stellt sich die Gerechtigkeitsfrage
Für Gewerkschaftschef Hofmann ist der Tarifabschluss ein Erfolg. Im Spiel gegen die Arbeitgeber gewinnt er 2:1. Doch die Unternehmerseite hat auch ein wichtiges Tor erzielt.
Das ist eine Machtdemonstration der IG Metall. Nach einer heftigen Warnstreikwelle und der Androhung eines länger laufenden Arbeitskampfes hat die Gewerkschaft einen Tarif-Abschluss erstritten, der aus Sicht der Beschäftigten noch einmal ein Stück besser als in der Chemiebranche ausfällt. Damit hat IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, dessen Amtszeit im kommenden Jahr zu Ende geht, auch all seinen internen Kritikern gezeigt, was er kann.
Das Ergebnis kommt einem Doppel-Wumms gleich: Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Schlüsselbranche mit Autoindustrie und Maschinenbau erhalten nicht nur in zwei Tranchen eine Einmalzahlung von 3000 Euro. Hinzu kommt, wiederum in zwei Portionen, eine Lohnerhöhung von insgesamt 8,5 Prozent. Weil die IG Metall 8,0 Prozent gefordert hat, ist klar: Hofmann hat in Zeiten mit zuletzt 10,4 Prozent Inflation zwei schöne Tore geschossen – und das ohne die Tarifauseinandersetzung weiter zu eskalieren. In Krisenzeiten hätte ein Groß-Konflikt den Ruf der Gewerkschaft beschädigt.
Tarifverhandlung mit IG Metall: Arbeitgeber gehen nicht torlos vom Platz
Doch die Arbeitgeberseite um Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf geht nicht torlos vom Platz. Ihr ist es zumindest gelungen, eine komfortable Laufzeit des Tarifvertrages von zwei Jahren durchzusetzen. Die Lohnerhöhungen werden also gestreckt: 2023 gibt es 5,2 und im Jahr darauf noch einmal maßvollere 3,3 Prozent. Damit herrscht für lange Zeit Ruhe im Lohn-Spiel.
Das ist ein klarer Erfolg für die Unternehmer, weil die Gewerkschaft für einen nur ein Jahr laufenden Tarifvertrag eingetreten ist. Dabei hat die IG Metall der Gegenseite erwartungsgemäß erneut zugestanden, dass Firmen, die nachweislich wirtschaftliche Probleme haben, entlastet werden.
Tarifvertrag ist klarer Kompromiss zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern
Der Abschluss ist also – wie immer – ein klassischer Kompromiss, der hohe Erwartungen für Beschäftigte anderer Branchen weckt. Wenn am 24. Januar kommenden Jahres die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen beginnen, steht Verdi-Chef Frank Werneke dank Hofmanns Sturmkünsten unter Zugzwang. Er muss mindestens so gut wie die IG Metall abschließen.
Dabei treibt der Verdi-Gewerkschafter mit seiner Forderung nach 10,5 Prozent mehr Lohn die Erwartungen auf die Spitze. Auch wenn die Menschen unter der hohen Inflation leiden, dürfen die Arbeitnehmer-Organisationen nicht überziehen, sonst befeuern sie mit zu kräftigen Gehaltserhöhungen die Teuerung nur weiter und müssen noch mehr fordern.
Gibt es in Deutschland eine Dreiklassen-Lohn-Gesellschaft?
Letztlich stellt sich eine Gerechtigkeitsfrage: Beschäftigte, die nicht das Glück haben, von so starken Gewerkschaften wie der IG Metall vertreten zu werden, müssen sich mit einem deutlich geringeren Lohn-Plus begnügen. Da zunehmend Betriebe die Flucht aus der Tarifbindung antreten, gibt es in Deutschland eine Zwei-, wenn nicht gar Dreiklassen-Lohn-Gesellschaft. Das weckt Neid und ist auf Dauer Gift für den sozialen Frieden.
Die Diskussion ist geschlossen.
Das ist genau der richtige Tarifabschluss, der die Stärke des deutschen Tarifsystems (ohne Streik!) wieder einmal bestätigt. Kleine Einkommen werden mit 3000 Euro netto, einer ordentlichen Tariferhöhung und den staatlichen Hilfen mindestens kompensiert, eine Lohn-Preis-Spirale wird dadurch nicht direkt ausgelöst und die Anpassung der Einkommen auf das höhere Preisniveau wird verschoben auf die Zeit nach der Krise (hoffentlich).
Hmmm, ich weiß nicht ob es ein Grund zum Jubeln ist, ja es federt es etwas ab aber auch nur minimal. Es reicht noch nicht mal um die Erhöhung der Lebensmittel abzufangen und da wollen wir von der Energie garnicht sprechen.
Aber alles beim alten, wenn Heuer alles um 50% teurer wird anstelle der vorhergesagten 100% jubeln alle. Irgendwie sind wir alle schon leicht an der Leine zu halten.
Ist es die Aufgabe von Tarifabschlüssen höhere Lebenshaltungskosten abzufedern?
Ja darum ging es auch bei den Warnstreiks. Den Arbeitnehmer zu entlasten um die Kosten abzufedern.
Jedenfalls hat der Tarifabschluss mehr als der, mittlerweile schon standardmäßige, Friedensumzug gebracht.
Tarifverträge sind hauptsächlich dazu da, da´ß Arbeitnehmer gewisse Rechte bekommen und auch durchsetzen können, wie z.B. Arbeitsbedingeungen, Datenschutz, Aus- und Weiterbildung, Standortgarantien usw.. Auch der Lohn ist eine Komponente von Tarifverträgen; er sollte sich aber nach der Produktivität des Unternehmens, der Branche richten.
Wolfgang B., Die von Ihnen genannten Inhalte von Tarifverträgen sind Nebenaspekte. Entscheidend ist natürlich die Lohnhöhe und da wollen die Vertreter der Aŕbeitnehmer natürlich das Maximale herausholen. Das ist auch völlig gerechtfertigt. Allerdings hat das deutsche Mitbestimmungsrecht immer dafür gesorgt, dass die Gewerkschaften den Bogen nicht überspannen - für Deutschland ein eindeutiger Standortvorteil.
Wolfgang B.
Jeder setzt seine Prioritäten bei einem Tarifvertrag anders. Ist ja okay aber soweit ich mitbekommen habe, hat keiner bei den Streiks nach Weiterbildungsangeboten, Datenschutz oder Ähnliches gerufen. Nicht auf der IGM Seite noch auf Seite der Arbeitnehmer. Manche Diskussion sind wirklich unnötig und dienen, so mein Gefühl, einzig dem Zweck Rentner die Zeit zu vertreiben. Ich sollte mich hier wirklich wieder mehr aufs wesentliche konzentrieren sonst diskutiere ich irgendwann noch über den Pigmentanteil von diversen Farben.
"Auch der Lohn ist eine Komponente von Tarifverträgen; er sollte sich aber nach der Produktivität des Unternehmens, der Branche richten."
Und wer sollte die Produktivität ihrer Meinung nach Beurteilen? Feuerwehrleute erhalten dann weniger weil sie in der Dienstzeit nur zu 10% unterwegs sind dafür bekommen dann Pflegekräfte mehr weil sich trotz vieler Versprechungen seit 2020 nichts großes bewegt hat?
Die Deutsche Bahn machte 2021 ein Minus von 910 Millionen Euro von den ausgefallenen/defekten/verspäteten Zügen wollen wir gar nicht anfangen und trotzdem erhält der Bahnchef Richard Lutz eine Gehaltserhöhung um 10% auf 990.000 € pro Jahr. Aber den Mitarbeitern dann erzählen wollen 10% sind nicht möglich?
Und was Datenschutz im Tarifvertrag zu suchen hat verstehen wohl auch nur Sie.
Arbeitsbedingungen, Förderung, Aus- und Weiterbildung, Urlaub... sind Nebenbedingungen? Dann sprechen Sie mal mit Gewerkschaftern oder Arbeitergebervertretungen. Dem Herrn der glaubt, Datenschutz sei nicht möglicher Teil von Tarifverträgen empfehle ich mal sich ein wenig umzusehen. Ich verzichte auf Dutzende von Links. Er ist wohl der einzige der es nicht versteht.
"Arbeitsbedingungen, Förderung, Aus- und Weiterbildung, Urlaub... sind Nebenbedingungen?"
Das sind keine "Nebenbedingungen", sondern Nebenaspekte der jährlichen Tarifverhandlungen, da sich daran nicht ständig etwas ändert, sondern jahre- oder jahrzehntelang mehr oder weniger festgeschrieben ist.
Auf die Straße gehen die Leute regelmäßig, weil sie mehr Geld wollen. Darüber sollte man eigentlich nicht diskutieren müssen, da es offensichtlich ist.
Wegen mir ..aspekte.. . Ich kenne keinen Tarifvertrag, und ich kenne einige, in denen z.B. Aus- und Weiterbildung, Arbeitsbedingungen jahrzehntelang festgeschrieben sind. Hier kann man z.B. ein wenig blättern:https://www.agv-vers.de/tarifpolitik/tarifvertraege.html
Ja, ein Teil der Leute gehen auf die Strasse weil sie mehr Geld wollen. Schauen Sie sich mal im gesamten medizinischen Bereich um - dort geht es oft auch um "schlechte Arbeitsbedingungen". Gilt insbesondere für sie sog. "einfachen Jobs"