Ökonomen warnen: Was der Tankrabatt für die Gaskrise lehrt
Beim Konjunkturgespräch der IHK Schwaben in Augsburg warnen die Ökonomen Clemens Fuest und Volker Wieland vor den Folgen der Energiepreiskrise für die Industrie.
Vom neuen Normal ist während der Corona-Pandemie oft die Rede gewesen. Millionen Menschen arbeiteten plötzlich von zu Hause, Hygieneregeln und Kontaktbeschränkungen gehörten zum Alltag. Und nun? Nun hat die Wucht der Corona-Pandemie nachgelassen und die meisten Einschränkungen sind gefallen. Doch statt erleichtert zurückzuschauen auf schwierige vergangene Zeiten, muss sich die Welt schon wieder an ein neues Normal gewöhnen.
Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben, beschrieb diesen Zustand beim Konjunkturgespräch der Kammer am Donnerstag in Augsburg so: „Die Wirtschaft in Bayerisch-Schwaben bekommt Druck von allen Seiten: Hohe Preise für Energie und Rohstoffe sowie Schwierigkeiten in den globalen Lieferketten senken die Kaufkraft jedes einzelnen Euros.“
Die wahren Dramen jedoch spielten sich in der Ukraine ab, wo die Menschen Leid, Tod und Zerstörung erlebten. Daher gelte es, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht den Mut zu verlieren, appellierte der Kammer-Präsident.
Der drohende Lieferstopp für Gas sorgt für Unsicherheit
Als eher optimistischen Menschen bezeichnete sich auch Clemens Fuest, der Leiter des Münchner ifo-Instituts und einer der Hauptredner der Veranstaltung. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Aussichten sagte er aber auch: „Ein Pessimist ist auch ein Optimist, aber einer der nachgedacht hat.“ Eindeutig pessimistisch ist jedenfalls derzeit der Ausblick der Unternehmen in die Zukunft. Selbst wenn die Geschäfte derzeit noch gut liefen, drückten neben den Unsicherheiten in Verbindung mit dem Ukraine-Krieg vor allem die hartnäckigen Lieferschwierigkeiten sowie die stark gestiegenen Energiepreise den Ausblick. Die größte Sorge vieler Unternehmen dürfte akut jedoch die Möglichkeit eines russischen Lieferstopps für Gas darstellen.
Fuest konnte da zumindest vorsichtige Entwarnung geben. Noch im April hätten die Prognosen bei einem sofortigen Lieferstopp einen Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent vorhergesagt – der wegen vieler Unwägbarkeiten aber auch doppelt so hoch hätte ausfallen können. Inzwischen seien die Speicher glücklicherweise besser gefüllt als zunächst befürchtet. „Wenn jetzt kein Gas mehr fließt, liegt die Wahrscheinlichkeit für Rationierungen noch bei 20 Prozent“, erklärte Fuest. „Die Entscheidung, den Kauf von russischem Gas nicht sofort einzustellen, war aus wirtschaftlicher Sicht eindeutig richtig“, betonte Fuest.
Auf einen Importstopp zu verzichten, war für die Wirtschaft richtig
Dennoch rechnet er mit weiter massiv steigenden Preisen. „Dass sich private Gasrechnungen im Herbst verdreifachen, kann passieren“, sagte Fuest. Damit bleibt der Druck auf die Politik hoch. Denn der Ruf nach Entlastungen wird lauter. Doch Fuest warnte vor falschen Erwartungen. „Bei den Energiepreisen kann es für die Volkswirtschaft keine Entlastung geben, die Energiepreise sind gegeben. Was der Staat machen kann, ist umverteilen“, betonte Fuest. Das tut die Bundesregierung bereits mit hohen Summen, zum Beispiel mit dem Tankrabatt, der pro Monat mit rund einer Milliarde Euro zu Buche schlägt. Die Frage ist aber, wer von den Umverteilungsmaßnahmen profitiert.
Als Lehre aus den Erfahrungen mit dem Tankrabatt warnte Fuest vor einer allgemeinen Senkung der Energiesteuern oder vor Transferzahlungen für alle Bevölkerungsschichten. Entgegen aller Befürchtungen und Behauptungen hätten die Mineralölkonzerne die befristeten Steuersenkungen bislang weitgehend an die Verbraucher weitergegeben. Weil der Benzinverbrauch der Haushalte aber mit dem Einkommen steige, sei der Benzinpreisrabatt de facto eine Umverteilung an die Wohlhabenderen. Zudem sende er in Zeiten, in denen Energie gespart werden sollte, das falsche Signal. Die richtige Reaktion auf den Anstieg der Gaspreise sei daher, gezielt die Menschen zu unterstützen, die durch den Preisanstieg in Not geraten.
Deutschland könnte mit Fracking auch eigenes Gas fördern
Geldpolitik-Experte Volker Wieland, der an der Uni Frankfurt lehrt, bekräftigte die Verantwortung der Regierung dafür, dass die Energiepreise nicht weiter steigen. Neben einer Verringerung der Nachfrage und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz könne sie auch für eine verstärkte Förderung eigener Rohstoffe sorgen. „Wir kaufen lieber das Fracking-Gas in den USA, anstatt unsere eigenen Reserven zu fördern.“
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>> Deutschland könnte mit Fracking auch eigenes Gas fördern <<
Besser verarmter Libanon des Nordens, als selbst Gas zur "Überbrückung" gefördert...
Die schwäbische Wirtschaft schafft abgesehen von innovativen Ausnahmen nicht den Willen zur Energiewende. Auch beim Bericht von diesem Konjunkturgespräch fehlen die Aussagen, dass wir mit der Photovoltaik und der Windkraft eine preiswerte eigene Energiequelle haben. Dass jetzt deren Ausbau wirklich schwungvoll vorangetrieben werden muss.
Raimund Kamm