Markus Lanz ist ein geschickter und hartnäckiger Nachfrager. So versuchte er im Februar 2024 in seiner ZDF-Talkshow den Intel-Top-Manager Christoph Schell aufs Glatteis zu führen. Der aus dem baden-württembergischen Kirchheim unter Teck stammende Unternehmer wirkte gut vorbereitet und tappte nicht in die Lanz-Falle. Souverän argumentierte Schell als für Vertrieb und Marketing zuständiges Vorstandsmitglied des US-Chipherstellers, warum es aus seiner Sicht für Deutschland und Europa von Vorteil ist, wenn der Bau einer Halbleiter-Fabrik im ostdeutschen Magdeburg vom Staat mit rund 9,9 Milliarden Euro subventioniert würde.
Die Gesprächsrunde fand vor der Entscheidung des amerikanischen Konzerns statt, den Bau der Anlage und damit eine Investition über etwa 30 Milliarden Euro „um voraussichtlich zwei Jahre“ zu verschieben. Schell, der damals, wenn auch vergeblich, die FDP-Politikerin Linda Teuteberg von den Vorzügen der massiven staatlichen Unterstützung zu überzeugen versuchte, kehrt aus dem Silicon Valley nach Deutschland zurück und wird ab 1. Juli den Augsburger Roboter- und Anlagenbauer als Vorstandsvorsitzender lenken. Der 53-Jährige tritt damit die Nachfolge des langjährigen Chefs Peter Mohnen, 56, an. Das gab das Unternehmen am Mittwoch bekannt.
Neuer Kuka-CEO: Schell warb für die Intel-Fabrik in Magdeburg
Schell, der eindringlich und wortgewandt für die Produktion von Intel-Hightech-Chips in Magdeburg warb und eine „Aufbruchstimmung“ für die Region in Ostdeutschland versprach, wird das zum chinesischen Midea-Konzern gehörende bayerische Hightech-Unternehmen leiten. Technische Zusammenhänge kann der Manager, wie er bei Markus Lanz demonstrierte, allgemeinverständlich erklären. So argumentierte er gegenüber der Subventions-Allergikerin Teuteberg, auf den für Magdeburg vorgesehenen Chips, die in etwa so groß wie ein Fingernagel seien, könnten rund fünf Milliarden Schalter aufgebracht werden. Die Halbleiter wären etwa für Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz, der Autoindustrie oder auch für die Robotik bestens geeignet.
Mit Automatisierung und Robotern kennt sich Schell aus, gehört er doch laut seinem Profil auf dem sozialen Medium LinkedIn seit Januar 2023 dem Kuka-Aufsichtsrat an. Dass er einmal auf den bei Kuka und in Industriekreisen angesehenen Mohnen folgen würde, konnte im Februar 2024 bei seinem Lanz-Auftritt keiner ahnen, schließlich hat er es weit gebracht. Es kommt selten vor, dass Deutsche in Vorstände von US-Konzernen der Intel-Liga aufsteigen. Dass Schell als Schwabe aus dem kalifornischen Silicon Valley zum Vorstandsvorsitzenden des global ausgerichteten Kuka-Konzerns mit rund 15.000 Beschäftigten aufsteigt, weckt Erinnerungen an einen anderen, nicht minder spektakulären Führungs-Wechsel bei dem bayerischen Maschinenbauer: Auch der frühere Firmen-Chef Till Reuter wechselte vom Aufsichtsrat in den Vorstand. Mit Schell wird ein international versierter Vertriebs-Spezialist Kuka in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leiten. Reuter ist ein gelernter Investmentbanker, der das Augsburger Unternehmen mit großem Geschick aus einer finanziellen Krise herausgeführt hat. Dessen Nachfolger Mohnen ist ein Finanz-Experte. Er konnte für 2023 noch Rekord-Zahlen einfahren.
Der künftige Kuka-Chef ist ein Weltbürger
Schell erzählte einst bei Lanz, er lebe mit seiner Familie seit zehn Jahren in den USA. Sein auf der Kuka-Homepage zu findender Lebenslauf zeigt vor allem eines: Der Neu-Kukaner, der vor seiner Intel-Zeit lange für den amerikanischen Drucker- und Computerhersteller HP in Spitzen-Funktionen rund um den Globus gearbeitet hat, ist ein Welt-Bürger, der lange in Asien tätig war. Er kennt die für Kuka wichtigen Märkte USA und China.
Nach Informationen unserer Redaktion gab es mehrere Kandidaten für die Kuka-Nachfolge. Am Ende überzeugte Schell sowohl die Arbeitgeber- wie die Arbeitnehmerseite. Bei seinem Lanz-Auftritt wurde deutlich, für welchen Kontinent sein Herz besonders schlägt. Er gab dort, ehe Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, seiner Hoffnung Ausdruck, dass Europa gestärkt wird. Als Lanz ihn zu provozieren versuchte, die deutsche Industrie brauche nicht wirklich die für Magdeburg vorgesehenen Intel-Hightech-Chips, zeigte der künftige Kuka-Chef Durchsetzungsfähigkeit. Er ließ den Moderator und Provokateur freundlich, aber bestimmt wissen: „Da widerspreche ich ihnen jetzt.“ Und der Manager konterte ebenfalls trocken die Kritik der FDP-Frau Teuteberg, Milliarden-Subventionen für Intel müssten für Mittelständler wie Hohn klingen: „Das Wort Hohn finde ich nicht adäquat.“ Für Schell sind Halbleiter-Produktionen von zentraler Bedeutung für Industrie-Länder. Früher sei im Mittelpunkt gestanden, ob Staaten einen Zugang zu Öl haben oder nicht . Heute stünden Halbleiter-Fabriken im Zentrum.
Christoph Schell zeigte Anteilnahme mit den Opfern in Magdeburg
Interessant war auch die Bemerkung des Managers, er sei zu Intel gegangen, weil er Europäer und Deutscher sei, also seiner Heimat beim Aus- und Aufbau der für den Wohlstand von Industrie-Nationen wichtigen Chip-Produktionen helfen wolle. Dabei hat er Magdeburg und die dortigen Menschen in sein Herz geschlossen. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in der Stadt schrieb Schell auf LinkedIn: „Ich bin zutiefst betroffen. Ich hatte in den letzten zwei Jahren die Gelegenheit, viele wunderbare und engagierte Menschen in Magdeburg und Sachsen-Anhalt kennen zu lernen.“ Seine Gedanken seien bei den betroffenen Opfern, den vielen Verletzten, ihren Familien und den Menschen, mit denen sein Team und er zusammenarbeiteten.
Kuka bekommt mit Schell einen neuen Chef, der aus seiner Zeit im Silicon Valley weiß, wie wichtig der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für einen Roboterbauer ist, wenn er weiter zusätzliche Wachstumsfelder außerhalb der Autoindustrie erschließen will. Am Ende wird auch der neue Mann von den chinesischen Eigentümern daran gemessen, ob er die Kosten in Deutschland im Griff hat und entsprechende Gewinne erwirtschaften kann. Kuka konnte zwar den Auftragseingang im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent auf rund 4,1 Milliarden Euro steigern, der Umsatz ging indes um 7,9 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro zurück, während der Gewinn vor Zinsen und Steuern um schmerzliche 51,6 Prozent auf 76,5 Millionen Euro einbrach. Die Entwicklung geht vor allem auf rückläufige Geschäfte in Amerika und Europa zurück, während der Konzern in Asien zulegen und einen Rekordumsatz einfahren konnte.
Chinesische Kuka-Eigentümer leiden unter Gewinneinbruch
Doch die chinesischen Eigentümer leiden unter dem Gewinneinbruch ihrer Augsburger Tochter. Wie berichtet, hatte Midea nach Informationen unserer Redaktion den Druck auf Kuka erhöht, die Kosten am Standort Augsburg mit rund 3200 Beschäftigten spürbarer in Griff zu bekommen und bessere Ergebnisse zu erzielen. Das war sicher ein Grund, warum Mohnen „auf eigenen Wunsch“, wie es offiziell heißt, vorzeitig zum 1. Juli geht, obwohl sein Vertrag bis Ende des Jahres gelaufen wäre. Zur Vorlage der Geschäftszahlen für 2024 sagte der scheidende Vorstands-Chef nach einer Mitteilung von Mittwoch: „Gerade in herausfordernden Zeiten sind Wettbewerbsfähigkeit und Flexibilität wichtiger denn je. Hier begleitet Kuka Kunden dabei, ihre Produktion effizienter zu gestalten.“

Der Roboter- und Anlagenbauer leidet unter den geopolitischen Spannungen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, die sich negativ auf das Investitionsverhalten von Kunden auswirken. Mohnen beobachtet eine Zurückhaltung, was Investitionen von Unternehmen in E-Mobilität betrifft. Darunter leidet auch Kuka. Es gibt dennoch positive Tendenzen: Das Unternehmen verzeichnete in den ersten drei Monaten dieses Jahres Zuwächse, was Auftragseingang, Umsatz und Ergebnis (Ebit) betrifft. Mohnen blickt vor seinem Abgang noch einmal voraus: „Wir fokussieren uns darauf, Automatisierung intuitiver und autonomer einsetzbar und damit für unsere Kunden noch einfacher zu machen.“ Dabei spiele Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle. Den Ball wird der Mann aus dem Silicon Valley sicher weiter nach vorne spielen. Einstweilen sagte er schon einmal: „ Ich bin begeistert vom weltweiten Spektrum und Erfolg der Kuka-Gruppe und überzeugt von den Wachstumsperspektiven, die gerade durch das Zusammenspiel von Robotik, Automatisierung und KI die Welt des Arbeitens und des täglichen Lebens verändern werden.“ Es sei ihm eine Ehre, diese Entwicklung künftig als globaler Kuka-CEO voranzutreiben. Schell freut sich auf das Kuka-Team.
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