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Interview
21.12.2022

VW-Betriebsratschefin: "Oft sitze ich als einzige Frau am Tisch"

VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo setzt bei dem Auto-Konzern die Interessen der Beschäftigten immer wieder durch.
Foto: Kevin Nobs, dpa

Daniela Cavallo vertritt 670.000 Beschäftigte. Die wohl mächtigste Betriebsratschefin der Welt über ihre italienische Herkunft, Gleichberechtigung und E-Autos.

Frau Cavallo, die Verantwortlichen des Willy-Brandt-Hauses hatten Sie eingeladen, eine Rede zu halten, die an das Erbe der Sozialdemokraten anknüpft. Zur Verblüffung vieler sagten Sie dort: „Eigentlich dürfte ich hier gar nicht stehen.“ Warum eigentlich?

Daniela Cavallo: Weil mir als Konzern- und Gesamtbetriebsratsvorsitzenden des Volkswagen-Konzerns immer wieder die Frage begegnet, wie es eigentlich sein kann, dass in einem männlich geprägten Automobil-Unternehmen eine Frau an der Betriebsratsspitze steht. Und das ist so, obwohl ich bereits seit Mai 2021 den Betriebsrat leite. Und viele fragen mich nach meinem Migrationshintergrund – und wissen, dass ich als Erste in meiner Familie Abitur gemacht und berufsbegleitend studiert habe. Auch deswegen habe ich gesagt, dass ich eigentlich in Lübeck nicht die sogenannte Willy-Brandt-Rede halten dürfe. Meine Biografie spricht eben gegen den Weg in eine solche Position.

Ihre Eltern stammen aus Italien.

Cavallo: Sie kommen aus einem kleinen Dorf in Kalabrien mit rund 1500 Einwohnern. Mein Vater ist dann nach Deutschland gekommen und hat bei VW in Wolfsburg in der Fertigung gearbeitet, unter anderem in Halle 54 beim Golf. Immer wieder höre ich, es sei ja eine Besonderheit, dass ich als Italienerin in Wolfsburg zur VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden gewählt wurde. Ich habe inzwischen neben dem italienischen aber auch den deutschen Pass. Mein Satz, dass ich hier eigentlich nicht stehen dürfte, bezieht sich also darauf, dass mein Weg in Deutschland leider noch nicht die Normalität darstellt. Das empfinde ich als traurig. Es gibt also in Deutschland noch viel zu tun. Karrieren wie meine müssen zur Normalität werden, ohne dass darüber gesprochen wird. 

Deutschland wird aber zunehmend diverser, also bunter. Ihr Werdegang ist das beste Beispiel dafür.

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Cavallo: Doch als meine Eltern Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre nach Deutschland kamen, war es undenkbar, dass eine Frau und Italienerin wie ich einmal an der Spitze des VW-Betriebsrats steht. Diese Form der Integration erschien unmöglich zu sein. Ich kann es sogar verstehen, dass heute immer noch Menschen verwundert sind, dass ich den Konzern- und Gesamtbetriebsrat von VW leite und die Interessen von weltweit rund 670.000 Beschäftigten vertrete. 

Doch viele bei VW freuen sich mit Ihnen, dass eine solche Karriere möglich ist.

Cavallo: Das stimmt. Ich spüre in den Reihen unseres Unternehmens bei vielen einen gewissen Stolz, dass ich als Frau und Italienerin die Interessen der Beschäftigten auf oberster Ebene vertreten kann. Dass ich das geschafft habe, ist ja auch ein Verdienst der VW-Belegschaft. 

Dennoch scheint die Auto- und Metaller-Welt immer noch eine Macho-Welt zu sein.

Cavallo: Für mich ist die Auto-Welt keine reine Macho-Welt mehr. 

Warum denn? Die meisten Führungsfunktionen sind nach wie vor mit Männern besetzt.

Cavallo: Doch zumindest die Betriebsratswelt ist in Deutschland längst keine Macho-Welt mehr, weil wir schon seit 2002 eine Geschlechter-Quote haben. Dadurch konnten immer mehr Frauen in die Betriebsräte einziehen. In der Mitbestimmung bei VW ist Geschlechter-Diversität eine Selbstverständlichkeit. Auf allen Ebenen sind die Betriebsratsgremien in einem schon recht guten Mix mit Frauen und Männern besetzt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieser Fortschritt ohne Quote nicht möglich gewesen wäre. 

Doch im Management gibt es noch erheblichen Nachholbedarf, was weibliche Führungskräfte betrifft.

Cavallo: Was Geschlechter-Diversität betrifft, sind wir als Betriebsrat sehr viel weiter, als das im Unternehmen der Fall ist. Ich kann das aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen. Als ich 2002 erstmals in den Betriebsrat einzog, diskutierten wir noch intensiv darüber, wie wir es schaffen können, gute Frauen für Betriebsratsgremien zu gewinnen. Heute ist das eine Selbstverständlichkeit. Wir müssen also nicht mehr dafür werben, dass sich viele Frauen für den Betriebsrat aufstellen lassen. Das passiert automatisch. 

Dann müsste sich Volkswagen, was die Förderung von Frauen betrifft, am Betriebsrat orientieren.

Cavallo: Wir stellen jedenfalls fest: Je höher die Hierarchie-Ebenen bei VW sind, desto weniger Frauen sind bei Besprechungen vertreten. Ich erlebe das immer wieder bei Terminen: Oft sitze ich als einzige Frau am Tisch. Das trifft gerade zu, wenn Top-Manager und Vorstände dabei sind. Das muss sich ändern. 

Wann wird eine Frau einmal VW-Chefin?

Cavallo: Das müssen wir mal sehen. Wir sind gerade erst mit Oliver Blume in der Nachfolge von Herbert Diess als Volkswagen-Chef gestartet. Mit der Entscheidung bin ich zufrieden. Herr Blume ist der richtige Mann an der VW-Spitze. Auf lange Sicht ist es natürlich möglich, dass einmal eine Frau Volkswagen führt. Dazu müssen wir aber erst einmal den Grundstein auf den unteren Ebenen legen. 

Wie funktioniert das?

Cavallo: Talentierte Frauen müssen bei Stellenbesetzungen häufiger eine Chance bekommen und dadurch sichtbarer werden. Wenn Planungen für die Nachbesetzung anstehen, muss noch stärker darauf geachtet werden, dass Frauen berücksichtigt werden und schließlich auch die Stellen bekommen. Wir müssen es schaffen, dass sich Frauen wie Männer auch über die Karriere-Stufen weiterentwickeln können. Da ist noch einiges zu tun. 

Wie werden Vorstände weiblicher?

Cavallo: Volkswagen setzt sich dafür klare Ziele, wie mehr Frauen Führungsaufgaben übernehmen können. An diesen Zielen können wir dann als Betriebsrat das Management messen. Nur so erfährt das Thema die nötige Aufmerksamkeit. Ohne Ziele und Vorgaben schaffen wir es nicht, dass mehr Frauen Führungsaufgaben übernehmen. Wir sind jedenfalls auf dem Weg zur Gleichberechtigung noch lange nicht angekommen. Angekommen sind wir erst, wenn wir nicht mehr über Ziele und Quoten für die Förderung von Frauen reden müssen. Diverse Teams auf allen Ebenen müssen selbstverständlich sein. 

Sie haben nach der Geburt ihrer beiden Töchter Elternzeit genommen, was damals bei VW für eine Betriebsrätin ungewöhnlich war.

Cavallo: Heute ist das zum Glück normal. Als ich meine Kinder bekam, war es unüblich, dass gerade junge Frauen wie ich als Betriebsrätin eine längere Auszeit nehmen und dann wieder auf ihren Posten zurückkehren. Damals saßen bei uns vor allem Frauen in Betriebsräten, die ihre Kinder-Planung abgeschlossen hatten oder keine Kinder wollten. Als ich in den Betriebsrat ging, habe ich von Anfang an meinen Kolleginnen und Kollegen offen gesagt, dass ich nicht auf Kinder verzichte. 

Wie reagierten sie?

Cavallo: Wenn man solche Themen offen anspricht, wird man auch unterstützt. Und genau diese positive Erfahrung habe ich gemacht, als ich Elternzeit genommen habe. Ich war die Elternzeit-Vorreiterin bei uns im Betriebsrat. Und mein Fall wurde immer wieder als Beispiel dafür herangezogen, dass es geht. Nach mir haben dann viele Mütter und auch Väter im Betriebsrat Elternteilzeit genommen. 

Der Betriebsrat bei Volkswagen ist mächtig, manchem zu mächtig. Mitbestimmung wird großgeschrieben. Das bekam auch der frühere VW-Chef Diess zu spüren. Er musste auch gehen, weil er den Betriebsrat nicht immer einbezogen hat und aus dem Nichts mit dem Abbau von rund 30.000 Arbeitsplätzen drohte.

Cavallo: Herr Diess und der Betriebsrat hatten bei solchen Themen unterschiedliche Auffassungen. 

Das ist höflich umschrieben. Als Diess nicht zu einer Betriebsversammlung kommen wollte, ließen Sie ihn selbstbewusst wissen: „Ein VW-Chef kommt zu einer Betriebsversammlung, Punkt. Das ist bei uns VW-Kultur.“ Er kam dann doch, sagte sein Treffen mit Investoren in den USA ab. Sie können sich durchsetzen. 

Cavallo: Als Betriebsratsvorsitzende von VW muss man sich durchsetzen können. Sonst hätte ich nicht diese Position inne. Das war bei Herrn Diess so und das wird auch bei Herrn Blume so sein. Betriebsrat und Unternehmensführung haben auch in der mitbestimmten VW-Welt nicht immer die gleiche Meinung. Doch Herr Blume begegnet uns auf Augenhöhe. Wir haben mit ihm die Basis für gute Kompromisse gelegt. Und uns ist nicht daran gelegen, alle paar Wochen Konflikte in der Öffentlichkeit auszutragen. Im Übrigen gab es auch mit Herrn Diess nicht dauernd Konflikte. 

Wann hatten sie sich lieb?

Cavallo: Wir standen als Betriebsrat voll hinter seiner Strategie, Volkswagen zu elektrifizieren. Und dass diese Strategie nach wie vor richtig ist, zeigt sich daran, dass wir sie unter Oliver Blume fortsetzen. Herr Blume hat aber andere Qualitäten als Herr Diess: Er nimmt das Management mit und sagt offen, wo wir stehen. Ich bin sehr mit der Arbeit von Herrn Blume zufrieden. Und er weiß, dass die starke Mitbestimmung wesentlich zum Erfolg von Volkswagen beiträgt. 

Der neue VW-Chef Oliver Blume kommt bei den Betriebsrätinnen und Betriebsräten gut an.
Foto: Sven Hoppe, dpa

Wie funktioniert die VW-Mitbestimmung?

Cavallo: Bei uns werden unterschiedliche Interessen, also etwa die der Belegschaft und des Managements, austariert. Wir nehmen uns Zeit, die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Bei VW ist die Strategie nicht nur Managern, also Vorständen vorbehalten. Auch die Arbeitnehmer-Seite denkt stark strategisch, um langfristig Erfolge zu erreichen. Wir wollen Industrie-Arbeit und damit Standorte wie Beschäftigung absichern. Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung sind bei Volkswagen gleichrangige und gemeinsame Ziele – das macht uns einzigartig und ich bin überzeugt: Es ist eine Erklärung für unseren Erfolg. 

Wie gehen Sie bei dem sehr ehrgeizigen Unterfangen für Betriebsrätinnen und Betriebsräte konkret vor?

Cavallo: Indem wir uns dem Wandel, also der Elektrifizierung und Digitalisierung, nicht in den Weg stellen. Wir gestalten den Wandel mit. Wer sich nicht verändert, kann nicht bestehen. Dabei führt die Mitbestimmung bei VW dazu, dass Entscheidungen manchmal länger brauchen. 

VW-Chef Herbert Diess hatte mit der Betriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo eine mächtige Gegenspielerin. Die Arbeitnehmervertreterin hatte den Manager offen angegriffen.

Was einen ungeduldigen Mann wie Diess genervt hat.

Cavallo: Doch wenn bei uns Entscheidungen, die mit uns diskutiert wurden, gefällt sind, werden sie auch von beiden Seiten getragen. Und das auch gegenüber der Belegschaft, selbst wenn es um schwierige Themen geht, also sich die Arbeitsplätze der Beschäftigten verändern. Unser Vorteil als Betriebsräte und Gewerkschafter ist, dass wir langfristig denken und nicht in Zeiträumen von Vorstandsverträgen. Wir wollen Arbeitsplätze auch für kommende Generationen sichern. Doch es gibt leider viele Unternehmen, die noch nicht für die Zeit, wenn die Verbrennungsmotoren auslaufen, so wie VW vorsorgen. Das bereitet vielen Betriebsräten Sorgen. Deswegen fordert die IG Metall Innovationen von den Geschäftsleitungen ein. Wegen all der Themen ist der eigene Arbeitsplatz so politisch wie noch nie. 

Was meinen Sie damit?

Cavallo: Das ist ein Resultat der Elektrifizierung und Digitalisierung, aber auch der Globalisierung. So mussten wir während der Corona-Pandemie schmerzhaft erkennen, wie sich gestörte Lieferketten weltweit auswirken. Bis heute stecken wir in der Halbleiter-Krise fest. Und der unsägliche Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat uns erneut aufgezeigt, wie international verflochten unsere Wirtschaft ist. Wegen all dem sind unsere Arbeitsplätze so politisch wie noch nie. Wir müssen jetzt alles daransetzen, Deindustrialisierung in Deutschland und Europa zu verhindern. Deswegen lasse ich nicht nach, gegenüber der Politik und in den Reihen meiner Gewerkschaft IG Metall den Blick dafür zu schärfen. Nur mit einer intakten Industrie können wir unseren Wohlstand verteidigen. 

Doch deutsche Produktionsbetriebe, die bisher nur mit billigem Gas aus Russland wettbewerbsfähig waren, könnten in Schieflage geraten. Wie hoch ist die Gefahr der Deindustrialisierung?

Cavallo: Wenn der Druck auf solche Unternehmen noch größer wird, sehe ich die Gefahr einer Deindustrialisierung. Die USA versuchen, auch deutsche Investoren mit Subventionen und niedrigen Energiekosten anzulocken. Wir als Betriebsräte müssen für Investitionen in Deutschland kämpfen. Das ist oft schwer: Als wir uns gegenüber der VW-Spitze schon 2010 für eigene Batteriefabriken ausgesprochen haben, wurden wir belächelt. Damals hieß es, das seien doch nur Zulieferteile. Aktuell bauen wir etwa eine Batteriezell-Fabrik in Salzgitter auf. Und jetzt fordern wir den Bau eines weiteren Batteriezell-Werkes in Deutschland. 

Wie stehen die Chancen, dass auch eine zweite Fertigung nach Deutschland kommt?

Cavallo: Der Wettbewerb wird hart. Mögliche deutsche Standorte müssen sich mit internationalen Standorten messen, an denen Energie günstig ist und reichlich Subventionen fließen. Auch bei VW ist es nicht selbstverständlich, dass wir in Deutschland eine zweite Batteriezell-Fertigung bekommen. Die Entscheidung fällt nicht kurzfristig, wir haben zum Glück noch etliche Monate Zeit. 

In der VW-Welt steht eine andere heiße Entscheidung an: Soll das neue Elektro-Auto Trinity im Wolfsburger Stammwerk gebaut werden oder entsteht dafür in der Nähe eine eigene Fabrik?

Cavallo: Das diskutieren wir gerade. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen worden. Fest steht, dass auch das Stammwerk in Wolfsburg elektrifiziert wird. Wir werden hier neben dem Werk in Zwickau das Elektroauto ID.3 einrüsten. Und das neue Elektroauto Trinity wird definitiv in Wolfsburg gebaut. Dafür ist es für mich zweitrangig, ob wir den Trinity im Stammwerk oder in einer neuen Fabrik auf der grünen Wiese fertigen. 

Diess war fasziniert von einer solchen neuen Giga-Factory unweit des Stammwerkes.

Cavallo: Aus meiner Sicht sind beide Möglichkeiten gut. Die Hauptsache ist, dass Beschäftigung gesichert wird. Den Plan für eine Umsetzung in den bisherigen Ausdehnungen des Stammwerkes hatten wir immer in der Schublade – nur war das eben bisher nur die zweitbeste Lösung. Jetzt hängt alles vom Zeitplan ab, also davon, wann welche Modelle im VW-Konzern geplant werden. Auf alle Fälle brauchen wir neben dem ID.3 und vor dem Trinity ein weiteres Elektroauto in Wolfsburg, um durch ein hohes Produktionsvolumen Arbeitsplätze zu sichern. Dieses Prinzip gilt auch für Audi, ob in Ingolstadt oder Neckarsulm. Dafür setzen wir uns als Betriebsrat ein. Und wir müssen Beschäftigte jeden Alters auf dem Weg der Elektrifizierung mitnehmen. Viele von ihnen sind noch nicht einmal ein Elektroauto gefahren. 

Besitzen Sie schon ein Elektroauto?

Cavallo: Nein. Ich fahre noch einen in meiner Heimatstadt Wolfsburg gefertigten Golf mit Benzinmotor. Ich bin stark mit dem Standort Wolfsburg verbunden. Deswegen fahre ich meistens Autos, die in Wolfsburg produziert werden. Und da wir hier bald das Elektroauto ID.3 bauen, werde ich mir überlegen, dieses Auto zu nehmen. Aber natürlich bin ich schon häufiger mit einem Elektroauto gefahren. 

Ihr Job ist stressig. Vor den VW-Werksferien haben Sie die Beschäftigten einmal mit der Anregung verabschiedet, öfter mal die Smartphones wegzulegen, alte Freundschaften zu pflegen und etwas zu tun, für das man lange wenig Zeit hatte. Wofür hatten Sie lange wenig Zeit?

Cavallo: Ein Buch zu lesen. Dabei mache ich das so gerne. Bei meinem Arbeitspensum komme ich aber meistens nicht zur Buch-Lektüre. Spät abends bin ich dafür einfach zu müde. Doch die Weihnachtszeit nutze ich jetzt vor allem dazu, um sie mit meiner Familie und meinen Kindern auszukosten. Es ist auch mal schön, Tage ohne Terminkalender zu verbringen. Und natürlich greife ich auch zu einem Buch. 

Daniela Cavallo, 47, ist seit Mai 2021 Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrates der Volkswagen AG. Nach dem Abitur absolvierte sie bei Volkswagen eine Ausbildung zur Bürokauffrau und studierte berufsbegleitend Betriebswirtschaft. Cavallo gehört der Gewerkschaft IG Metall an und ist seit 2002 als Betriebsrätin für Volkswagen tätig. 

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