
Das sind die Whisky-Rebellen aus dem "verbotenen Tal"

Plus Eine schwäbische Familie hat sich mit der schottischen Schnaps-Lobby angelegt. Jetzt muss sie sich geschlagen geben. Im ganzen Streit geht es nur um ein kleines Wörtchen: Glen.
Die gelblich-golden schimmernde Flüssigkeit bewegt sich träge im Glas. Ein bisschen wie Öl bleibt sie an den Wandungen haften, bevor sie langsam hinabfließt. Der Schnaps hat im ersten Moment etwas Ungestümes in der Nase, bevor sanftere Aromen und florale Anklänge mit Frucht am Gaumen einen milderen Eindruck entfalten. Der beste Whisky der Welt schmeckt wahrscheinlich anders. Dass aber trotzdem die Welt – und nicht nur die des Whisky – über diesen Brand hier spricht, liegt an Jürgen Klotz und seinem Durchhaltevermögen. Manche würden es vielleicht auch Starrsinn nennen.
Klotz hält seit fast zehn Jahren stoisch an einem Namen für seine Spirituose fest, der schottische Geister weckte, die der Schnapsbrenner gar nicht gerufen hatte. Jedenfalls nicht wissentlich. Die Rede ist vom „Glen Buchenbach“, gebrannt im kleinen Dorf Berglen, unweit von Stuttgart im Rems-Murr-Kreis gelegen. Und genau die vier Buchstaben „Glen“ sind das Problem. Das Wort stammt aus dem Gälischen und heißt übersetzt „Tal“. Bekannte und von Whiskyfans verehrte schottische Brennereien tragen es im Namen: Glenfiddich etwa, Glenlivet, Glenmorangie, Glenfarclas. Whisky, der in den Tälern Schottlands gebrannt wird.
Jürgen Klotz ist ein großgewachsener, schlaksiger Typ. Er stößt mit dem Kopf fast an der Decke des kleinen Verkaufsraums der Waldhornbrennerei an. Wenn er seinen Whisky im Glas betrachtet, ist schwer zu sagen, was da mehr glänzt: seine Augen oder das Getränk. Mutter Gerlinde Klotz steht hinter dem kleinen Verkaufstresen und schüttelt den Kopf, bevor sie die Hände in die Luft wirft und sagt: „Das Gerichtsurteil ist ein Witz.“
Der Whisky "Glen Buchenbach" darf nicht mehr so heißen
Damit meint die im Gegensatz zum Sohn eher klein gewachsene Dame die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg, das fürs Erste die Hoffnung zunichte macht, sich doch noch gegen den schottischen Whiskyverband durchsetzen zu können. Ende Januar hat das Gericht die Berufung der Familie Klotz abgelehnt. Was nichts anderes heißt, als dass der Whisky nicht mehr als „Glen Buchenbach“ verkauft werden darf.
Das Schnapsbrennen hat in der Familie eine lange Tradition und umfasst mindestens vier Generationen. Der Schwerpunkt lag lange auf Obstbränden. Die erste Idee, einen Whisky zu destillieren, kam der Familie 2008. Zwei Jahre später war es dann soweit. Jürgen Klotz, der zuvor Whisky mehr als Wirkungsmittel in der Cola statt als eigenständiges Genuss-Medium zu schätzen wusste, brannte seinen ersten „Glen Buchenbach“. Bei der Wahl des Namens, das erzählt er jedenfalls, dachte der Mann überhaupt nicht an Schottland und die möglichen sprachlichen Spitzfindigkeiten, die sich aus „Glen“ noch ergeben sollten. „Glen ist die zweite Silbe des Ortes, in dem er gebrannt wird“, sagt Klotz und verweist auf seine Heimatgemeinde Berglen.
Damit Whisky überhaupt Whisky heißen darf, muss der Schnaps – gebrannt aus Getreide – mindestens drei Jahre im Holzfass reifen. Als diese Zeit um und der erste „Glen Buchenbach“ in Flaschen gefüllt war, dauerte es nicht lange und Jürgen Klotz bekam Post. „Mein Bruder Michael hatte ein bisschen Ware über Amazon zum Kauf angeboten“, erinnert sich Klotz und denkt, dass die Schotten auf diese Weise erstmals Wind von der Brennerei in der württembergischen Provinz bekommen haben müssen. „Als wir den Brief bekommen haben, in dem steht, dass wir den Namen nicht nutzen dürfen, haben wir erst mal nichts gemacht.“

Auch die Klageandrohung ignorierten die Klotzens, weil sie mehr oder weniger dachten, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse. Wer verklagt schon eine winzige Brennerei, die breit und unmissverständlich auf dem Etikett der Flasche „Swabian Whisky“ – also schwäbischer Whisky – stehen hat, wegen des Verstoßes gegen europäisches Recht? Wegen Irreführung des Konsumenten, weil der im Sinne „geschützter geografischer Angaben“ den Schnaps aus Berglen aufgrund des „Glen“ mit schottischem Whisky verwechseln könnte? „So blöd kann doch kein Konsument sein!“, ruft Frau Klotz aus und schüttelt wieder den Kopf.
2500 Whisky-Marken gegen die kleine schwäbische Brennerei
Um ein Gefühl für den ungleichen Kampf zwischen Familie Klotz als winzigem David und der Scotch Whisky Association (SWA) als übermächtigem Goliath zu bekommen, ein paar Zahlen: Der Verband verweist darauf, dass mehr als 2500 unterschiedliche Marken bei ihm organisiert sind. Dahinter steckt ein Exportvolumen von jährlich mehr als fünf Milliarden Euro. Und Klotz? Im Vergleich nicht mal „unter ferner liefen“. Seine Brennerei, die er nur im Nebenerwerb betreibt, stellt vermutlich nicht mal genug Schnaps her, um die versammelte schottische Whisky-Lobby auch nur in einen Schwips zu versetzen.
Wenn es darum geht, sich Herkunftsbezeichnungen nach europäischem Recht schützen zu lassen, sind auch bayerische Produzenten zahlreich vertreten. Das Landwirtschaftsministerium in München teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit: „Insgesamt sind in Bayern 53 regionaltypische Spezialitäten EU-geschützt. Derzeit hat Bayern 31 Spezialitäten in der Kategorie ,Geschützte Geografische Angaben’, zehn Spezialitäten der Kategorie ,Geschützte Ursprungsbezeichnung’.“ Auch zwölf Spirituosen-Spezialitäten seien geschützt. Im Reigen der geschützten Spezialitäten stehen unter anderem Produkte wie die „Bayerische Brezn“, der „Allgäuer Bergkäse“ oder der „Schrobenhausener Spargel“ und die „Nürnberger Rostbratwürste“.

Nach Angaben des Ministeriums obliegen Kontrollen im Handel der jeweiligen Lebensmittelüberwachungsbehörde: „Koordinierende Stelle ist dabei das Umweltministerium. Das ,Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte’ an der Landesanstalt für Landwirtschaft ist in Bayern zuständige Kontrollbehörde für Herstellerkontrollen im Bereich der geschützten Bezeichnungen.“ Sieht ein Produzent sich durch andere Hersteller in seinen Rechten verletzt, kann er sich dorthin und an die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde wenden. Je nach Sachlage kann es dann einen Strafbefehl geben – oder der Fall landet bei der Staatsanwaltschaft. Auch zivilrechtliche Klagen sind möglich.
Allerdings: „Auf Ebene der Herstellerkontrollen gab es in Bayern in den vergangenen Jahren eine überschaubare Anzahl an Verletzungen des Schutzes“, teilt das Ministerium mit. Mögliche Sanktionen bei Verstößen sind das Verbot der Nutzung der geschützten Bezeichnung. Im Rahmen von Bußgeldverfahren sind immerhin Strafen in Höhe von bis zu 25.000 Euro vorgesehen.
Whisky-Streit: Sogar der Europäische Gerichtshof war im Spiel
Apropos Geld: Familie Klotz hat eine Menge davon in die Hand genommen, um sich gegen das angestrengte Namensverbot durch den schottischen Whiskyverband zu wehren. Die Auseinandersetzung fand zunächst außergerichtlich zwischen den Anwälten der SWA und der Familie aus Berglen statt. 2018 kam der Europäische Gerichtshof ins Spiel, verwies den Fall zur Entscheidung aber zurück nach Deutschland. 2019 schließlich kam es am Landgericht Hamburg zum Prozess und zu einem Urteil. Das Gericht entschied, dass durch den Namensbestandteil „Glen“ die besonders geschützte geografische Angabe „Scotch“ beeinträchtigt werde. „Glen“ sei im Sinne des Rechts eine unzulässige Anspielung, Verbraucher hätten durch den Namenszusatz eine Assoziation zu schottischem Whisky.
„Unsinn“, sagt Jürgen Klotz im Verkaufsraum und stellt das Glas mit seinem Whisky auf die Theke. Gutachten, die von den Schotten in Auftrag gegeben wurden, seien schon wegen der Wahl der Befragten keine gute Grundlage für die Argumentation des Gerichts. „Das Recht verlangt, dass der Verbraucher nicht in die Irre geführt wird“, kritisiert Klotz. Doch in den Gutachten sei nicht der durchschnittliche Verbraucher zu Wort gekommen, sondern explizit Whisky-Konsumenten. Sie hätten einen anderen Blick auf den Begriff „Glen“. „Der stammt eigentlich ursprünglich aus Irland und England“, sagt Klotz. Er heiße eben nichts anderes als Tal. „Insofern hat das Landgericht Hamburg lediglich festgestellt, dass es in Schottland Täler gibt“, betont Klotz und zuckt mit den Schultern. Nach dem Urteil ging Jürgen Klotz noch in Berufung – die nun vom Oberlandesgericht Hamburg abgewiesen wurde.

Der schottische Whiskyverband verweist auf Anfrage auf seine Pressemitteilungen, die nach der Klageabweisung veröffentlicht wurden. Darin wird SWA-Direktor Alan Park so zitiert: „Die Scotch Whisky Association hat auf ihren globalen Märkten konsequent gehandelt, um die Verwendung schottischer Merkmale und Herkunftsangaben für Produkte zu verhindern, die keine schottischen Whiskys sind.“ Das sei für den Schutz des Nationalgetränks von entscheidender Bedeutung und schrecke all jene ab, die versuchten, den guten Ruf von Scotch Whisky auszunutzen und Verbraucher möglicherweise in die Irre zu führen.
Jürgen Klotz rückt die Flaschen in den Regalen des Ladens zurecht. Noch steht auf ihnen „Glen Buchenbach“. Aber nicht mehr lange. Bis 31. März hat die Familie Klotz Zeit, die alten Bestände abzuverkaufen. Danach wird der Whisky aus Berglen „Buchenbach Gold“ heißen. Viel ist ohnehin nicht mehr übrig von den alten Flaschen.
Die Familie Klotz will nicht weiter mit den Schotten streiten. Theoretisch stünde ihnen noch der Gang vor den Bundesgerichtshof und zum Europäischen Gerichtshof in Straßburg offen. „Aber wir lassen’s jetzt gut sein“, sagt Jürgen Klotz. Nicht etwa, weil man sich nicht im Recht sehe. Sondern weil man für weitere Schritte Gegen-Gutachten aufbieten müsste, die sehr teuer seien. „Und wir haben ja bis jetzt schon ungefähr 20.000 bis 30.000 Euro für die Auseinandersetzung ausgegeben“, sagt Jürgen Klotz, der sich bei dem Satz ein Grinsen nicht verkneifen kann. Denn: „Nichts hätte unseren Whisky so bekannt gemacht wie der Streit mit den Schotten.“ David gegen Goliath. Darum seien die Verfahrenskosten am Ende gut angelegt. Zumal es auch in Zukunft einen „Glen Buchenbach“ geben wird. So will die Familie Klotz nämlich fortan ihren Gin nennen, wogegen weder Schotten noch Iren oder sonstwer etwas haben können.
Der Whisky dieses Namens ist aber endgültig Geschichte. „Buchenbach Gold aus dem verbotenen Tal“ wird er in Zukunft offiziell heißen. Die Familie Klotz hat sich „das verbotene Tal“ übrigens markenrechtlich schützen lassen. Nur zur Sicherheit.
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