Keine halbe Stunde dauerte es, bis die 27 Mitgliedstaaten ihre Uneinigkeit in einem Votum bestätigten. Es fanden sich weder genügend EU-Länder, die sich für eine Verlängerung des Einsatzes von Glyphosat aussprachen, noch eine qualifizierte Mehrheit, die gegen die weitere Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters stimmte. Deshalb fiel die Entscheidung formell an die EU-Kommission. Die will ihrer eigenen Empfehlung folgen und beschließen, dass der Breitbandherbizid-Wirkstoff für weitere zehn Jahre auf den Feldern Europas genutzt werden darf, wie ein Sprecher am Donnerstag bekannt gab. Dementsprechend groß war die Empörung aufseiten der Gegner des Pflanzenschutzmittels.
Um den weiteren Einsatz zu verhindern, hätte es den Rückhalt von 15 der 27 EU-Ländern gebraucht, wobei diese zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Gemeinschaft ausmachen müssen – ohne Deutschland und Frankreich ein unmögliches Unterfangen. Beide enthielten sich wie bereits bei der ersten Abstimmung im Oktober. In der Bundesregierung hatte das Herbizid vor allem zwischen den Grünen und der FDP Streit ausgelöst.
CDU-Politikerin Schneider: "Ein Verbot würde die Situation verschlimmern"
Als „Sieg von Fakten“ lobte die christdemokratische EU-Parlamentarierin Christine Schneider das Ergebnis. „Wir wollen selbstverständlich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, aber solange es keine funktionierenden Alternativen gibt und in Europa Krieg herrscht, werden wir keine Gesetze unterstützen, die Landwirte an der Produktion von Lebensmitteln hindern“, so die CDU-Politikerin. Schon jetzt litten viele Menschen unter den gestiegenen Lebensmittelpreisen. „Ein Verbot von Glyphosat würde diese Situation noch verschlimmern.“ Anders sieht das die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus. Der „Natur-Killer Glyphosat“ sei „nachweislich umweltschädlich“. „Er tötet alle grünen Pflanzen und viele Mikroorganismen, lässt sich nicht abwaschen und kann weder durch Erhitzen noch durch Einfrieren abgebaut werden“, sagte die Grüne.
Über kein anderes Mittel wurde in den vergangenen Jahren so heftig und emotional gestritten, insbesondere nachdem die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), im Jahr 2015 Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hatte. Eine regulatorische Kehrtwende vonseiten Brüssels folgte daraufhin nicht. Die EU fühlte sich vielmehr gestärkt durch die Analyse der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). In deren Risikobewertung bekräftigten die Experten, dass sie „keinen Anlass zu Bedenken“ und „keine kritischen Problembereiche“ bei Mensch, Tier und Umwelt festgestellt haben, die ein Verbot des Herbizids rechtfertigen würden. Kritiker verweisen jedoch auf das Eingeständnis der Kommission, dass die Schlussfolgerungen der EFSA „einige Datenlücken“ aufweisen. Diese betreffen etwa die ernährungsbedingten Gefahren von Glyphosat und wie sich das Mittel auf Artenvielfalt und Biodiversität auswirkt.
Neue Bedingungen der Kommission: Fünf Meter Pufferstreifen
Deshalb, so betonte die Kommission, knüpft sie den Einsatz an Bedingungen. Bauern sollen etwa einen mindestens fünf Meter breiten Pufferstreifen einhalten. Um zu gewährleisten, dass pflanzenfressende Säugetiere, für die Glyphosat giftig ist, keinen Schaden nehmen, gibt es Auflagen, wie oft und in welchen Mengen das Herbizid eingesetzt werden darf.
Glyphosat wurde in den 1970er Jahren von der Firma Monsanto auf den Markt gebracht. Das weltweit meistverkaufte Herbizid stellt für zahlreiche Landwirte eine Allzweckwaffe dar. So bespritzen Bauern mit dem Pflanzengift ihre Felder, damit der Wuchs von Wildkräutern gestört wird und alle grünen Pflanzenteile absterben. Danach beginnen sie, Weizen, Roggen oder Gerste auszusäen.