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Ökonom Felbermayr sagt: Ein Deal mit Trump ist besser als kein Deal

Interview

Top-Ökonom Felbermayr: „Schicken wir also Orban zu Trump!“

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    Gabriel Felbermayr ist einer der führenden europäischen Ökonomen.
    Gabriel Felbermayr ist einer der führenden europäischen Ökonomen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Herr Felbermayr, es drohen Rückschläge für die Export-Industrie Deutschlands und Österreichs. Der Protektionist Trump steht mit der Zollkeule vor der Tür. Ihr neues Buch heißt: „Die Freiheit hat fertig. Wie die neue Welt(un)ordnung unseren Wohlstand gefährdet“. Wie viel Wohlstand verlieren wir? 

    Gabriel Felbermayr:  Die goldenen Jahre der Globalisierung sind mit Trump und dem Angriff Russlands auf die Ukraine endgültig vorbei. Export-Nationen wie Deutschland und Österreich sind stärker von neuen Handelsschranken und Zöllen betroffen als etwa Länder wie Frankreich. Je nach Szenario können zwei bis zweieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Feuer stehen. Wenn Trump Importe in die USA durch Zölle deutlich verteuert, werden vor allem mittelständische und stark exportorientierte Betriebe darunter leiden, die keine eigenen Fabriken in Amerika haben. Darunter fallen vor allem kleinere und mittelgroße Maschinenbauer, die sich keine Produktion in den USA leisten können. 

    Wie können die kleineren und mittleren Maschinenbauer dieser Trump-Falle entkommen?

    Felbermayr: Indem sie etwa in eine Produktion in den USA investieren, was aber für viele finanziell schwer zu stemmen ist. Sie können sich auch Partner in den USA suchen. Damit geben sie aber Umsatz an diese Firmen ab. Um weiter erfolgreich zu sein, suchen solche Maschinenbauer ihr Glück auf neuen Märkten wie Indien. Das ist aber mit hohen Aufwendungen verbunden. Am Ende ersetzen diese Firmen ein gut laufendes US-Geschäft mit einem nicht so gut laufenden Indien-Geschäft. Und dann läuft auch das China-Geschäft bei weitem nicht mehr so rund wie früher für unsere Export-Unternehmen.

    Wie können europäische Unternehmen dennoch erfolgreich sein?

    Felbermayr: Indem sie sich auf die Europäische Union und damit den europäischen Binnenmarkt als größten Markt der Welt stärker konzentrieren. Hier müssen weitere Regulierungen abgeschafft werden, die den Handel in Europa behindern. Wenn es international nicht mehr so gut läuft, muss es in unserem Heimatmarkt – und das ist die EU – besser laufen. Davon würde kein EU-Land so stark wie Deutschland profitieren. Wir brauchen mehr Europa für mehr Wohlstand. 

    Europa ist demnach die Hoffnung für Europa. Doch wie muss die Führung der EU mit Trump umgehen?

    Felbermayr: Die Spitze der Europäischen Union muss alles daransetzen, eine Eskalation im aufziehenden Handelskonflikt mit Trump zu vermeiden. Wir sollten uns von der Illusion verabschieden, dass wir den Jetzt-Zustand gegenüber den USA konservieren können. Ein Deal mit Trump ist besser als kein Deal. Wir brauchen jetzt gute Deals mit Trump. Er wird von uns Zugeständnisse verlangen. Trump wird uns beinhart erpressen. Die EU-Spitze muss sich daher rasch überlegen, was wir in Washington auf den Tisch legen können. Auch Europa muss eine Drohkulisse aufbauen. 

    Wie stellen Sie sich das vor? Soll EU-Kommissions-Chefin Ursula von der Leyen nach Washington fliegen und mit Trump dealen? 

    Felbermayr: Es nützt nichts, wenn Frau von der Leyen mit Trump etwas aushandelt, das später von Ungarn oder Frankreich torpediert wird. Warum sollte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban nicht nach Washington fliegen und für die EU mit Trump verhandeln? Vielleicht könnte er einen Deal mit Trump machen. Schicken wir also Orban zu Trump! Das könnte womöglich besser funktionieren, als wenn Frau von der Leyen das macht. 

    Und wie sollten wir dann konkret mit Trump dealen?

    Felbermayr: Wir könnten mit Trump etwa im Autobereich dealen. Denn amerikanische Konzerne, die Autos nach Europa einführen, müssen zehn Prozent Zoll zahlen, umgekehrt sind es für europäische Fahrzeuge, die in die USA eingeführt werden, nur 2,5 Prozent. Es wäre eine Überlegung wert, wenn wir Trump auch 2,5 Prozent für amerikanische Autos anbieten. Natürlich müssen wir in Europa Zugeständnisse gegenüber Trump machen, was unseren Agrarbereich betrifft. Wir sollten also überlegen, unseren Markt stärker für US-Agrareinfuhren zu öffnen. 

    Wie kann Europa aber eine glaubhafte Drohkulisse gegenüber Trump aufbauen?

    Felbermayr: Indem wir mit einer deutlich stärkeren Besteuerung amerikanischer Digital-Konzerne wie Google, Amazon, Microsoft oder Apple drohen. Eine solche Steuer muss diesen US-Riesen richtig wehtun. Das wäre eine andere Nummer, als wenn wir Trump nur höhere Zölle für die Einfuhr von Harley-Davidson-Motorrädern, Whiskey und Orangensaft androhen.

    Dabei stecken die österreichische und die deutsche Wirtschaft schon ohne den Zoll-Krieger Trump in der Krise, wobei Österreich etwas tiefer nach unten gerauscht ist als Deutschland. Wie kam es dazu?

    Felbermayr: Österreich war lange erfolgsverwöhnt. Doch nach den Prognosen unseres Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung schrumpft das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr in dem Land um 0,6 Prozent, während das Minus im Vorjahr 1,0 Prozent betragen hat. In Deutschland ging das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 0,3 Prozent zurück. Und nach der Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungs-Institute stagniert die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr und liegt am Ende 0,1 Prozent im Minus. Österreich steckt im zweiten Jahr in der Rezession.

    Und das noch tiefer als Deutschland.

    Felbermayr: Ja, Österreich steckt tiefer in der Rezession als Deutschland. Dabei muss man berücksichtigen, dass Österreich in den Jahren 2021 und 2022 deutlich mehr Wachstum als Deutschland verzeichnet hat. In Österreich ist also in der Summe mehr übrig als in Deutschland.

    Aber warum ist Österreich selbst hinter Deutschland zurückgefallen?

    Felbermayr: Da kommt vieles zusammen: Die hohen Energiepreise nach dem Wegfall des russischen Gases haben sich in Österreich negativer auf die Bevölkerung als in Deutschland ausgewirkt. Zum einen war Österreich noch stärker vom russischen Gas abhängig als Deutschland, zum anderen gab es in Österreich keine Gaspreis-Bremse, die dämpfend auf die hohen Energiepreise gewirkt hätte. So sind die Energiepreise in Österreich stärker als in anderen Ländern gestiegen, was der energieintensiven Industrie besonders zugesetzt hat. Und dann ist auch noch die Inflation höher als in Deutschland.

    Liegt das vor allem an den hohen Energiepreisen?

    Felbermayr: Ja, und weil die Inflation in Österreich wegen der hohen Energiepreise höher als in Deutschland ist, sind auch die Löhne in Österreich über die sogenannte Benya-Formel deutlich gestiegen. Denn diese auf den früheren Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Anton Benya, zurückgehende Formel besagt, dass sich Lohnerhöhungen an der Inflation und der mittelfristigen Produktivitätssteigerung orientieren müssen. Durch die daraus resultierenden hohen Lohnsteigerungen hat die Industrie stärker an Wettbewerbsfähigkeit verloren als die deutsche.

    Bleibt Österreich auch 2025 in der Rezession gefangen? Die deutsche Wirtschaft soll kommendes Jahr wieder, wenn auch nur leicht, wachsen.

    Felbermayr:  Es gibt erste Anzeichen, dass die wirtschaftliche Lage in Österreich im kommenden Jahr besser wird. Durch die hohen Lohnsteigerungen haben die Menschen mehr Geld. Bisher ist ihr Geld nicht in den Konsum geflossen. Viele Österreicher haben das zusätzliche Geld gespart. Das ändert sich. Die Menschen werden sich etwa neue Autos kaufen und die Wirtschaft ankurbeln. Damit sollte die längste Rezession in der österreichischen Nachkriegsgeschichte zu Ende gehen.

    Österreich hofft dabei auf ein Anziehen der deutschen Wirtschaft im kommenden Jahr.

    Felbermayr: Schließlich ist Deutschland der wichtigste Handelspartner für Österreich. Wenn Deutschland mit einem etwa zehnmal so hohen Bruttoinlandsprodukt wie Österreich wieder wirtschaftlich auf die Beine kommt, wirkt sich das positiv auf die Alpenrepublik aus. 

    Doch in Österreich wie in Deutschland schreitet die Deindustrialisierung voran.

    Felbermayr: Die Industrie befindet sich in beiden Ländern in der Krise. Wenn Unternehmen investieren, dann im Ausland. Doch in Österreich hat die Industrie bis 2022 deutlich zugelegt, während die deutsche Industrie bereits seit 2017 Einbußen hinnehmen muss. Damit befindet sich die österreichische Industrie auf einem höheren Niveau als die deutsche.

    Gabriel Felbermayr, 48, ist seit Oktober 2021 Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung und Universitäts-Professor an der Wirtschafts-Universität Wien. Von 2010 bis 2019 leitete er das Ifo-Zentrum für internationale Wirtschaft an der Universität München. Von 2019 bis 2021 führte der im österreichischen Steyr geborene Ökonom das Kiel Institut für Weltwirtschaft als Präsident. 

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