Der Ukraine ist mit ihren Drohnen-Angriffen auf mehrere Militärflugplätze in Russland ein spektakulärer Schlag gelungen. Die Zahl der zerstörten Flugzeuge ist zwar wohl kleiner als zunächst behauptet. Der ukrainische Generalstab erklärte am Dienstag, die russischen Streitkräfte hätten zwölf Flugzeuge eingebüßt. Der Geheimdienst SBU hatte zuvor von 41 zumindest beschädigten Flugzeugen gesprochen. Dennoch ist klar: Die „Operation Spinnennetz“ hat neue Maßstäbe im Drohnenkrieg gesetzt.
Die Attacke zeigt eindrücklich, wie sich die Kriegsführung im Zeitraffer-Tempo verändert hat. Und sie wirft die Frage auf, wie gut Deutschland auf die Abwehr von Drohnenattacken vorbereitet ist. Dass hier große Mängel bestehen, ist auch im Verteidigungsministerium längst bekannt. Doch das Schließen der „Fähigkeitslücken“ ist nicht einfach. Denn Drohne ist nicht gleich Drohne. Die unbemannten Flugobjekte können die Größe einer Spielzeugdrohne haben und als eine Art fliegende Bombe eingesetzt werden. Oder sie haben als sogenannte taktische Drohne Spannweiten von mehreren Metern und dienen vorwiegend der Aufklärung. Entsprechend unterschiedlich müssen auch die Abwehrstrategien aussehen.
Die Technologie entwickelt sich rasant weiter
Niklas Schörnig forscht am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF) in Frankfurt zur Zukunft der Kriegsführung. Er sagt, Militärs weltweit durchlebten gerade einen rapiden Lernprozess: „Bei der Bundeswehr hat man beim Stichwort Drohnen lange Zeit eher an Systeme wie Heron oder Predator gedacht, nicht an so kleine Flugobjekte, die eher fliegenden Minen gleichen.“ Gerade letztere seien sehr schwer abzuwehren, wenn sie in großer Zahl anfliegen. Auch andere Militärexperten sprechen von einer Kombination aus Frühwarnsystemen, elektronischen Störsignalen und klassischen Feuerwaffen, die nötig sind, um diese Art von Bedrohungen aus der Luft unschädlich zu machen. Gleichzeitig entwickelt sich die Technologie rasant weiter - schneller als es die bisherigen Beschaffungszyklen der Bundeswehr sind. Im Verteidigungsministerium gibt es darum mittlerweile eine eigene „Task Force Drohne“, die ein genaueres Bild der Chancen und Risiken liefern soll.
Die ersten Bestellungen für Drohnenabwehrsysteme sind inzwischen bei der Industrie eingegangen. So soll die neu aufgestellte Heeresflugabwehrtruppe bis zum Jahr 2028 etwa insgesamt 19 Flugabwehrpanzer vom Typ Skyranger 30 bekommen. Bei dem Fahrzeug sind ein 30-Millimeter-Geschütz und eine Abschussrampe für kleine Lenkflugkörper in einem Geschützturm integriert. Die Kanone verschießt sogenannte Splittergeschosse: Munition, die die nach dem Schuss in viele kleine Partikel zersplittert und so eine Wolke erzeugt, in der viele feindliche Drohnen in kurzer Zeit vom Himmel geholt werden können. Der Panzer soll nicht nur Drohnen, sondern auch Hubschrauber und Flugzeuge bekämpfen können und so etwa Militärkolonnen auf der Fahrt absichern.
Lenkflugkörper können Drohnen abwehren
2012 war die Heeresflugabwehrtruppe als Teil der Kampfunterstützungstruppen außer Dienst gestellt und vollständig aufgelöst worden. Nun hat die Truppe angesichts der neuen Bedrohungslage eine Kehrtwende vollzogen. Die Bundeswehr nutzt als Trägersystem für das Flugabwehrsystem den Radpanzer Boxer. Als Lenkflugkörper könnte eine Neuentwicklung des Schrobenhauser Rüstungsriesen MBDA zum Einsatz kommen. Das Unternehmen hat am Montag bekannt gegeben, künftig ein entsprechendes Produkt unter dem Namen „DefendAir“ anzubieten.
Lenkflugkörper sind schneller als Drohnen und können auch im Flug ihre Richtung ändern. Zudem können sie größere Distanzen überbrücken und Drohnen in weiterer Entfernung bekämpfen. So können auch eventuell gefährliche Frachten an den Drohnen auf Abstand gehalten werden. Dennoch bleiben große Drohnenschwärme eine Herausforderung. Außerdem können Flugabwehrpanzer nur eine sehr begrenzte Anzahl an Objekten schützen. Schörnig sieht daher weitere Alternativen im Fokus der Forschung: „In Zukunft dürften auch elektronische Abwehrmethoden an Bedeutung gewinnen“, sagt er.
Die Entwicklung von Schutzmaßnahmen gleicht einem Hase-Igel-Spiel. „Bislang spielt der Mensch bei der Kontrolle der Drohnen noch eine große Rolle. Klar ist allerdings, dass er bei den zunehmend autonomen Systemen immer das langsamste Glied in der Entscheidungskette ist“, erklärt Schörnig. Es bestehe die Gefahr, dass künftig in Kriegssituationen eine Maschine entscheide, ob und wann ein Angriff erfolgt und wie er ausgeführt wird. Ein Vorgehen, das bislang international abgelehnt wird.

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