Deutsche Wirtschaft verlangt von Scholz gute Beziehungen zur Schweiz
Nach dem geplatzten Rahmenabkommen suchen die Schweiz und Europa nach einem gemeinsamen Weg. Die deutsche Wirtschaft ruft Kanzler Olaf Scholz auf, voranzugehen.
Wenn am Donnerstag der Schweizer Bundespräsident nach Berlin zum Besuch bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt, geht es nicht nur um ein nettes Kennenlernen. Für den Schweizer Ignazio Cassis geht es um die gute wirtschaftliche Zukunft seines Landes, die gefährdet ist, seit das Rahmenabkommen mit der EU geplatzt ist. Für Scholz ist die Fallhöhe geringer.
Die deutsche Wirtschaft sorgt sich um einen reibungslosen Handel mit der Schweiz, der gerade bei der Versorgung mit Medizinprodukten in der Pandemie eine wichtige Rolle zukommt. Die Unternehmen bitten Scholz daher, sich mit den EU-Partnern für einen Neustart der Beziehungen einzusetzen. "Derzeit droht eine schrittweise Verschlechterung der Handelsbeziehungen zur Schweiz. Der rechtliche Rahmen für Handels- und Investitionsbeziehungen benötigen dringender denn je moderne Updates", sagte der Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Volker Treier, unserer Redaktion. Die Unternehmen auf beiden Seiten sähen sich zunehmend mit Rechtsunsicherheit und neuen Handelshürden konfrontiert.
Der schleichende "Schwexit" belastet den Handel
Das liegt daran, dass die EU nach dem Scheitern der Verhandlungen im Mai keine neuen Abkommen mit den Eidgenossen schließt und die bestehenden Verträge nicht mehr aktualisiert, die zum Beispiel die Anerkennung von behördlichen Zulassungen regeln. Vom schleichenden "Schwexit" ist die Rede, analog zum Austritt Großbritanniens aus der EU, dem Brexit. Zwar war die Schweiz nie Mitglied des Staatenklubs, ist diesem aber eng verbunden. Die Unternehmen aus der Alpenrepublik profitierten vom privilegierten Zugang zum großen EU-Binnenmarkt.
Die Europäische Union wollte die Sonderbehandlung der Schweiz nicht mehr ohne Gegenleistung fortsetzen. Sie bestand darauf, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofes auch in der Schweiz gelten sollten, was aber für die dortige Regierung nicht akzeptabel ist. Die Unabhängigkeit gehört zum Kern der nationalen Identität. Darüber hinaus verlangten die Europäer Geld von dem wohlhabenden Land. Hier immerhin gibt es Bewegung. Die Schweiz hat über eine Milliarde Euro gezahlt, die für die wirtschaftliche Entwicklung ärmerer EU-Länder vorgesehen ist.
Bundespräsident Cassis ist sich bewusst, dass er die Blockade nicht schnell wird lösen können. "Es ist jetzt ein Moment der Geduld", sagte er vor wenigen Tagen bei seinem Antrittsbesuch in Wien. Scholz ist gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der mächtigste Politiker der EU, weshalb der Sozialdemokrat einen Neustart anschieben könnte. Neben dem DIHK setzt sich auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) dafür ein. "Angesichts geopolitischer Spannungen ist ein langwieriger Konflikt mit der Schweiz überflüssig", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Die EU ist für die Schweiz der wichtigste Handelspartner, und die Schweiz der viertgrößte für die EU. Über die Hälfte der Schweizer Exporte gehen in die Europäische Union. Deutschland ist dabei mit Abstand der größte europäische Partner der Eidgenossenschaft.
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