Treibstoff aus Restaurants: Der Speiseöl-Sammler aus Shanghai
Der chinesische Unternehmer Liu Shutong lässt altes Speiseöl zu Bio-Dieselöl veredeln. Damit löst er gleich zwei Probleme auf einmal.
Die besten Ideen sind oft die naheliegenden. Als Liu Shutong in der südchinesischen Provinz Jiangxi aufwuchs, sah er fast täglich in den Abendnachrichten die Meldungen über kriminelle „Speiseöl-Banden“: Organisierte Kriminelle, die das hochgiftige, verbrauchte Öl aus Garküchen und Kanalisation auflesen, es primitiv filtrieren und zu einem Bruchteil des Einkaufspreises wieder am Markt verkaufen. Zu Spitzenzeiten um die Jahrtausendwende, soll jeder zehnte Liter Speiseöl in China solches „Gossen-Öl“ gewesen sein: gesundheitsgefährdend und oft mit Fäkalien versetzt. Doch selbst Todesstrafen konnten das Problem nicht ausradieren, zu lukrativ war das Geschäft.
Daran musste Liu denken, als er in seinem Auslandsstudium in den Niederlanden beim Energieriesen SkyNRG ein Praktikum absolvierte. Der Firma gelang es, Speiseöl mit einem speziellen Verarbeitungsprozess zu Kerosin für Flugzeuge zu veredeln. Das Problem war nur, dass es den Niederländern an nachhaltigem Öl mangelte – denn Palmöl machte allein aufgrund der Regenwaldrodungen jeglichen Umweltnutzen zunichte.
Shutong fragte: „Öl und Treibstoff: Wieso kann man das nicht verbinden?“
„Ich bin durch ganz Ostasien gereist, von Taiwan über Hongkong bis Japan und Südkorea. Was ich mich gefragt habe: Wieso sollen wir all diese wertvollen Ressourcen nach Europa schiffen? China leidet unter hohen Emissionen. Wir wollen unser Speiseöl lokal sammeln, lokal konvertieren und lokal benutzen“, sagt Liu Shutong. Seine Geschäftsidee war geboren: In seinem Heimatland gibt es Speiseöl zur genüge. Abertausende Lokale, Hotpot-Restaurants und Straßenküchen verwenden Unmengen davon jeden Tag. „Öl und Treibstoff: Wieso kann man das nicht verbinden?“
Wer den heute 34-jährigen Shutong in Shanghai besucht, trifft einen untypischen Unternehmer: Statt Anzug trägt er Fleece, seine Gestik strahlt Bescheidenheit aus, jede Silbe wählt er mit Bedacht. Was Liu mit seinem Start-up MotionEco erreicht hat, wäre Grund genug für stolzen Pathos: In mehreren Millionenstädten hat er ein Händler-Netzwerk aus Scooter-Fahrern aufgebaut, die Restaurants abklappern und verbrauchtes Speiseöl abholen. Dieses wird an lokale Energiefirmen weiterverkauft, wo sie das Material weiterverarbeiten und als Bio-Dieselöl verwenden. Bislang hat Mo–tionEco nur 2.000 Tonnen Öl im Jahr eingesammelt. Doch angesichts eines riesigen Markts an 1,4 Milliarden Chinesen, 120 Millionenstädten wäre das Potenzial endlos. Denn jeder Liter Bio-Öl verbraucht in seiner Herstellung nur rund ein Zehntel an Schadstoffen im Vergleich zu herkömmlichem Treibstoff.
Solche Graswurzel-Ideen sind überaus wichtig in einem Land, das in absoluten Zahlen der größte Klimasünder weltweit ist. Und der Energiebedarf ist stark steigend. Die Öl-Konzerne Sinopec und Petrochina belegen mit über 160 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr die ersten Plätze der größten Schadstoffemittenten unter allen öffentlich gehandelten Ölfirmen weltweit. Sie stoßen mehr aus als so mancher Staat als Ganzes.
Warum auch im Reich der Mitte ein Umdenken einsetzt
Und doch vollzieht sich allmählich auch im Reich der Mitte längst ein Umdenken: Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet in China der weltweit größte Windpark steht, jede zweite Solarzelle verbaut wird und die Verkehrswende beschlossene Sache ist. Bis 2060, so hat es Staatschef Xi Jinping letztes Jahr vor der UN-Vollversammlung versprochen, werde China schadstoffneutral wirtschaften. Die Signale sind längst auch an der Basis angekommen. Start-up-Gründer Liu Shutong sagt: „Mittlerweile redet jeder über erneuerbare Energien. Die Stimmung hat sich merklich geändert, die Leute kümmern sich mehr um Nachhaltigkeit.“ Und plötzlich wird der Kleinunternehmer, der zuvor von mächtigen Kapitalgebern belächelt wurde, auch in die Konferenzräume der großen Ölfirmen gelassen, um sein Geschäftsmodell zu pitchen.
Ob der Plan des Jungunternehmers aufgeht, ist noch offen. Doch das Beispiel Liu Shutong belegt auch, wie sehr Kooperationen in einer globalisierten Welt die Lösungssuche für eine bessere Zukunft befruchten.
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Es ist durchaus sympatisch wenn ein Jungunternehmer/Erfinder bescheiden ist und nachdenkt, bevor er etwas sagt.
Sollte für alle ein Beispiel sein.
Und wenn China bis 2060 schadstoffneutral sein will, sollte man das genau beobachten ob das klappt.
Man sollte aber auch genau beobachten, ob es im Westen mit seinen Selbstverpflichtungen klappt.