
Weitere lange Haftstrafe für „Mister Cum-Ex“ Hanno Berger

Der Cum-Ex-Skandal kostete den Staat Milliarden. Wie Hanno Berger zum Gesicht der Affäre wurde und was ihn nach dem Urteil des Landgerichts Wiesbaden erwartet.

Hanno Berger war einmal ein Mann, bei dem die Reichen und Mächtigen Schlange standen. Einer, der wusste, wie man viel Geld macht und wenig Steuern bezahlt. Einer, der erst für den Staat gearbeitet hat und dann in gewisser Weise gegen ihn. Hanno Berger steht wie kein anderer für den Cum-Ex-Skandal, der Staaten um Milliarden an Steuereinnahmen gebracht hat – und ihn selbst hinter Gitter.
Der einst angesehene Finanzberater wurde zum Gejagten, lebte fast neun Jahre lang im Exil in der Schweiz und wühlte sich durch Aktenordner und Gesetzestexte, durch Paragrafen, Gutachten und Urteile – beinahe besessen davon, seine Unschuld zu beweisen. Was für die einen Tricks und Gaunereien auf Kosten der Allgemeinheit waren, nannte er „Steuergestaltung“. Und tatsächlich ist er bis heute überzeugt davon, dass er zwar Lücken in Gesetzen genutzt, damit aber eben nicht gegen selbige Gesetze verstoßen hat. Die Justiz sieht das anders.
Landgericht Wiesbaden verurteilt Hanno Berger zu mehr als acht Jahren Gefängnis
Die Schweiz lieferte Berger Anfang 2022 nach all den einsamen Jahren in den Bergen von Graubünden doch noch nach Deutschland aus. Seitdem sitzt er hinter Gittern. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Nachdem der inzwischen 72-Jährige kurz vor Weihnachten in einem ersten Prozess in Bonn bereits zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden war, verhängte das Landgericht Wiesbaden an diesem Dienstag eine weitere Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen gegen den einst gefeierten Steueranwalt. Nachdem nun beide Urteile gefallen sind, kann per nachträglichem Beschluss eine Gesamtstrafe von bis zu 15 Jahren gebildet werden. Zudem sollen aus Bergers Vermögen „Taterträge“ von knapp 1,1 Millionen Euro eingezogen werden.
Bei Cum-Ex geht es, etwas vereinfacht gesagt, darum, rund um den Tag der Hauptversammlung, an dem börsennotierte Konzerne einen Teil ihrer Gewinne an die Anteilseigner ausschütten, mit deren Aktien zu handeln. Auf diese sogenannten Dividenden werden Abgaben fällig, die sich der Aktionär später via Steuererklärung rückerstatten lassen kann. Da die Wertpapiere im digitalen Handel aber binnen Sekunden immer wieder den Besitzer wechseln, kann nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden, wem sie im Moment der steuerpflichtigen Gewinnausschüttung tatsächlich gehört haben. Diesen Umstand machte Berger sich und seinen Kunden – vor allem vermögende Investoren und Banken, denen er die Geldanlage in großen Stil empfahl – zunutze.
Hanno Berger brachte Cum-Ex zur Perfektion
Für die Anleger ein lukratives Geschäft, für den Staat verheerend. Denn im Ergebnis bedeutete das Cum-Ex-Modell, dass mehrere Aktionäre gleichzeitig für einen Unternehmensanteil Eigentumsansprüche erhoben – und damit auch die bezahlten Steuern geltend machten. Kurzum: Der Staat erstattete Steuern, die in Wahrheit nie bezahlt worden waren. Viele machten in der Hochphase zwischen 2006 und 2011 solche Deals, doch Hanno Berger brachte sie zur Perfektion – und wurde so zum Gesicht des Skandals. Zu „Mister Cum-Ex“ oder „Staatsfeind Nummer 1“, wie er sich selbst einmal voller Sarkasmus nannte.
Für ihn selbst steht fest, dass die damals lückenhafte Gesetzgebung das Problem war und nicht die Anleger, die diese Lücken genutzt haben. Erst 2012 wurde das Steuerschlupfloch geschlossen. Als Berger im Dezember 2020 trotz seines großen Misstrauens gegenüber den Medien zwei Journalisten unserer Redaktion in seinem Exil in den Schweizer Bergen empfing, machte er keinen Hehl daraus, dass er sich den Staatsanwälten, die ihn überführen wollten, haushoch überlegen fühlte und nicht mit einer Auslieferung oder gar Verurteilung rechnete. „Wir haben dieses System zigfach auseinandergenommen und immer feiner durch die Mühlen gemahlen, bis wir hundertprozentig sicher waren, dass es legal ist“, erzählte er damals. „Steuergestaltung“ sei für ihn ein sportlicher Wettkampf, mal gewinne man und mal verliere man eben. Ein echtes Unrechtsempfinden konnte man auch später vor Gericht nicht erkennen.
Seinen Reichtum konnte Hanno Berger nicht genießen
Für Berger bedeuten die Urteile von Bonn und Wiesbaden, die beide noch nicht rechtskräftig sind, den Tiefpunkt am Ende eines beispiellosen Absturzes. In den 90er Jahren war der Pastorensohn, der in seiner Kindheit Altgriechisch lernte und Bach-Sonaten auf der Violine spielte, ganz oben im Staatsdienst angekommen. Damals fungierte er als Regierungsdirektor in Hessen und ranghöchster Steuer-Bankprüfer des Landes. Als er später die Seiten wechselte und Berater wurde, nahm er sein Wissen um das hoch komplizierte deutsche Steuerrecht mit – und machte damit nicht nur seine Mandanten reich, sondern auch sich selbst. Genießen konnte er diesen Reichtum allerdings nicht. Schon die Jahre in der Schweiz lebte er als Getriebener, nun wird er seinen Lebensabend hinter Gittern verbringen.
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