Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Temu, Shein und Amazon Haul: Shopping aus China – Schnäppchen oder Gesundheitsgefahr?

Billiganbieter

Temu, Shein und Amazon Haul: Geiz ist geil oder Gefahr für die Gesundheit?

    • |
    • |
    • |
    Seit Juni können auch Kundinnen und Kunden aus Deutschland Amazon Haul nutzen. Keines der angebotenen Produkte kostet mehr als 20 Euro.
    Seit Juni können auch Kundinnen und Kunden aus Deutschland Amazon Haul nutzen. Keines der angebotenen Produkte kostet mehr als 20 Euro. Foto: Elisa Schu, dpa (Symbolbild)

    Der Schlüsselanhänger mit inspirierendem Spruch ist ein „Bestseller – Herzemoji“, die Make-Up-Schwämme sind „heiß begehrt – Raketenemoji“ und beim magnetischen Kabelhalter muss man schnell sein, denn er ist „in 106 Warenkörben – Augenemoji“. Seit Anfang Juni ist Amazon Haul in Deutschland verfügbar. Alle Produkte kosten weniger als 20 Euro, die meisten unter zehn. Waren, die mit „krass günstig – Feueremoji“ beworben werden, sind für nur einen Euro zu haben. Der Versandriese ist in den Wettbewerb der Billiganbieter eingestiegen. Die Branche steht jedoch unter massiver Kritik.

    12 Millionen Pakete kommen pro Tag in der Eruopäischen Union an

    Temu, Shein, Amazon Haul: Die Anbieter haben ein ähnliches Geschäftsmodell. Über die Online-Marktplätze können Kundinnen und Kunden bei den Herstellern Produkte erwerben, die ohne Zwischenhändler direkt aus China geliefert werden. 12 Millionen Pakete landen so in der EU – proTag. Während Temu als reine Plattform für Drittanbieter fungiert, setzt Shein stark auf eigene Marken. Bei Amazon Haul werden sogar nur eigene Produkte verkauft.

    Der größte Vorteil für die Kundinnen und Kunden sind die günstigen Preise. Der Werbeslogan von Temu „Shoppen wie ein Milliardär“ unterstreicht diesen Anspruch. Das europäische Pendant zur chinesischen E-Commerce-Plattform Pinduoduo ist seit etwas mehr als zwei Jahren in Deutschland verfügbar. Und war schnell in aller Munde, dank eines Werbebudgets, welches im zweistelligen Milliardenbereich vermutet wird.

    Laut Fabian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, war das Ziel von Temu zunächst nicht die Gewinner zu erzielen, sondern sich eine dominierende Marktposition zu erarbeiten. Preise wurden künstlich nach unten gedrückt. „Mittlerweile ziehen die Preise jedoch stark an.“ Die Firma wollte so vor allem Amazon unter Druck setzen. Das hat so gut funktioniert, dass die amerikanische Firma nun mit Haul auf dem Billigmarkt nachzieht. Der Name ist eine Anspielung auf sogenannte Shopping Hauls in sozialen Medien, wo vor allem Influencerinnen und Influencer ihre Neueinkäufe präsentieren. Die Sparte der Billiganbieter steht jedoch unter heftiger Kritik.

    Die EU-Kommission ermittelt gegen Temu und Shein

    Um die Kundinnen und Kunden zu Bestellungen zu motivieren, nutzen die Plattformbetreiber sogenannte Dark Patterns. Das sind manipulative Gestaltungsmuster, welche die Nutzerinnen und Nutzer zum unüberlegten Kauf verleiten sollen. „Man wird förmlich erschlagen von Bannern zu besonders schnell ausverkauften Produkten, von künstlich tickenden Countdowns für Schnäppchen oder von Glücksspielen für den Sonderpreis“, sagt Anna Cavazzini (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Verbraucherschutzausschusses im Europaparlament. Auf Anfrage heißt es von Temu: „Die interaktiven Funktionen unserer App sollen das Einkaufserlebnis verbessern und zusätzliche Rabatte ermöglichen.“ Ein Pressesprecher von Shein verweist auf interne Kontrollen zur Verhinderung von Dark Patterns.

    Viele Dark Patterns sind mittlerweile in der EU verboten. Die Plattformen nutzen sie dennoch weiter. Die EU-Kommission geht deshalb seit Ende Mai gegen Shein vor. Sie werfen dem Unternehmen mit Sitz in Singapur unter anderem die teils fiktive Preisgestaltung, den Druck auf die Verbraucher durch künstliche Kauffristen sowie falsche Angaben zur Nachhaltigkeit vor. Auch gegen Temu läuft ein Verfahren. Es drohen Strafen in Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Bei wiederholten Verstößen können die Plattformen sogar in der EU verboten werden.

    Durch Steuertricks entgehen der EU jedes Jahr viele Milliarden Euro

    Zwar haben sich Temu und Shein mit dem Direktversand ihren Platz am Markt erobert, es scheint jedoch ein Umdenken zu geben. Temu baut schon seit einiger Zeit Warenlager in den USA, womöglich eine Antwort auf die Zollpolitik von Donald Trump. Laut Köbler existieren nun ähnliche Pläne für Europa. Grund dafür könnten die geplanten Zollreformen der EU sein. Perspektivisch soll die aktuell geltende Zollfreigrenze von 150 Euro abgeschafft werden. Zudem ist eine Pauschalbesteuerung in Höhe von zwei Euro für Direktsendungen im Gespräch. Ein Teil der Einnahmen daraus soll die Kosten für die zusätzlichen Zollkontrollen decken, die dadurch nötig würden. Schon jetzt sind die Zollbehörden der EU-Mitgliedsstaaten überlastet.

    Die Billiganbieter verursachen viele Probleme in der EU, doch Steuern zahlen sie kaum. Durch verschiedene Finanztricks und Tochterfirmen in Irland und Singapur entgehen dem europäischen Fiskus laut Köbler jährlich etwa elf Milliarden Euro. Auch Amazon wird immer für ihre Steuervermeidungsmaßnahmen kritisiert.

    Das EU-Schnellwarnsystem Safety Gate hat im vergangenen Jahr mehr als 4000 Produkte aus dem Verkehr gezogen

    Viele der auf den Plattformen verkauften Produkte sind zudem eine Gefahr für die Gesundheit. Da ist zum Beispiel der Schnuller, an dem kleine Kugeln befestigt sind: super zum Spielen, aber auch zum Verschlucken. Der Stromadapter, der dem Nutzer Stromschläge verpassen kann. Die Puppe, deren giftige Chemikalien zur Unfruchtbarkeit führen können.

    Um dem Problem Herr zu werden, hat die Europäische Union das Schnellwarnsystem Safety Gate eingeführt. Erkennt eine nationale Behörde ein gefährliches Produkt, wird eine Gefahrenmeldung an die anderen Mitgliedsstaaten weitergegeben. Die Zahl der als gefährlich gemeldeten Güter in der EU hat sich in zwei Jahren nahezu verdoppelt, auf 4137. Etwa 40 Prozent davon stammten aus China. „Unsichere und illegale Produkte dürfen keinen Platz auf dem EU-Markt haben“, fordert Svenja Hahn, die für die FDP im EU-Ausschuss für Verbraucherausschuss sitzt.

    Laut Verbraucherzentrale ist es für Kunden oft schwierig, gefährliche Produkte zu erkennen

    Welche Produkte gefährlich sind und welche nicht, sei für Verbraucherinnen und Verbraucher oft schwierig zu erkennen, sagt Simone Bueb von der Verbraucherzentrale Bayern. Bei Elektroartikeln könne man auf das CE-Siegel achten, aber bei Kleidungsstücken gebe es keine Möglichkeit, herauszufinden, mit welchen Chemikalien zur Färbung genutzt wurden. Gefahren sieht sie zudem beim Datenschutz, der oft nur ungenügend ist. „Wir können nicht davon abraten, diese Plattformen zu nutzen, aber man sollte es sich gut überlegen“, sagt Bueb. Ob sich Amazon Haul mit besserer Qualität von den Konkurrenten absetzen kann, wird sich zeigen.

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Franz Xanter

    Alles recht und schön, aber persönlich gibt es doch mindestens zwei gravierende Punkte weiterhin anzumerken: 1. Generell die Problematik Influencer. Wir sich darauf verlässt, ist nach meiner Meinung verlassen. Influencer agieren doch nur und ausschließlich zu ihrem eigenen Vorteil. Also, Finger weg von solchen Empfehlungen. 2. Irgendwie wird scheinbar auch immer wieder vergessen, dass es sich bei der Käuferschicht doch um rechtsfähige, d. h. erwachsene Käufer handelt. Wenn folglich diese Käuferschicht sich von Billigangeboten teilweise blenden lässt, na dann ist dies eben so. Eigener Wille, eigene Entscheidung. Niemand ist gezwungen Billig zu kaufen.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden