Die Fastenzeit ist nicht gerade Hochsaison für Brauereien und Winzer. Viele Kundinnen und Kunden verzichten in den Wochen bis Ostern auf Bier, Wein und andere alkoholische Getränke. Immer mehr Menschen trinken aber auch sonst kaum noch oder gar keinen Alkohol. Das stellt die Branche vor existenzielle Herausforderungen. Neben steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal trübt das veränderte Konsumverhalten die Bilanzen. Viele Brauereien haben deshalb schon vor Jahren umgesteuert. Alkoholfreies Bier nimmt einen immer größeren Platz im Sortiment ein. Die meisten Winzer müssen diesen Weg erst noch gehen. Vielen von ihnen droht das Aus.
Simone Loose vom Institut für Wein- und Getränkewirtschaft an der Hochschule Geisenheim sieht die Weinhersteller gleich doppelt unter Druck. „Wir sehen eine starke Marktveränderung, und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Wein ist ein Luxusgut, das man als Kunde nicht unbedingt haben muss, wenn es finanziell etwas enger wird. Und zweitens sehen wir den langfristigen Trend, dass die Menschen weniger Alkohol trinken“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion.
Alkoholkonsum geht seit Jahrzehnten stetig zurück
Die Statistik belegt diese These: Der Alkoholkonsum in Deutschland sinkt seit Jahrzehnten langsam, aber stetig. Lag der Verbrauch an reinem Alkohol im Jahr 1980 noch bei mehr als 15 Litern pro Person, so waren es 40 Jahre später nur noch etwa 10 Liter jährlich. Das geht aus Zahlen des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit hervor. Die Weingüter trifft diese Entwicklung aktuell härter als die Brauer, obwohl auch der Bierkonsum bundesweit im vergangenen Jahr weiter gesunken ist.
Mehr als 40 Prozent der Braustätten liegen noch immer in Bayern, obwohl auch im Freistaat viele, vor allem kleinere Betriebe aufgeben. Insgesamt stemmt sich die Branche hierzulande aber wacker gegen den Deutschlandtrend und konnte ihren Absatz 2024 sogar leicht steigern. Eines der Erfolgsrezepte: Alkoholfreies Bier, das inzwischen fast neun Prozent des Geschäfts bayerischer Brauereien ausmacht. Bundesweit hat sich der Umsatz mit alkoholfreiem Bier binnen eines Jahrzehnts mehr als verdoppelt.
Folgen die Winzer dem Beispiel der Bierbrauer?
Müssen die Weingüter, ganz nüchtern betrachtet, also nur diesem ermutigenden Beispiel folgen, um die Erträge zu stabilisieren? „Die Weinbranche reagiert auf diese Situation. Aber wir wissen ja von den Bierbrauern, dass es einige Jahre dauert, bis man ein alkoholfreies Produkt hinbekommt, das geschmacklich mit dem ursprünglichen fast austauschbar ist“, sagt Loose. Die Expertin geht nicht davon aus, dass das für alle Betriebe der richtige Ausweg ist, da nur die großen Hersteller über die technologischen Möglichkeiten dazu verfügen. Alkoholfreien Wein herzustellen, bedeutet zusätzlichen Aufwand. „Es entstehen also auch weitere Kosten, die sich auf den Preis niederschlagen, selbst wenn sie gar nicht vollständig weitergegeben werden können“, sagt die Expertin. Vielen Verbrauchern dürfte die alkoholfreie Variante zu teuer sein.
Zwei Drittel der Winzereien könnten verschwinden
Für immer mehr Betriebe wird sich in den kommenden Jahren deshalb die Frage stellen, ob sich der Aufwand noch lohnt. „Vielen Winzern machen die hohen Produktionskosten, in Kombination mit dem Überangebot an Wein auf dem Markt und der sinkenden Nachfrage, deutlich zu schaffen“, sagt Loose. Anders als der Großteil der Brauereien kaufen die meisten Weingüter ihre Rohstoffe ja nicht ein, sondern erzeugen sie selbst auf großen Anbauflächen, die aufwändig und teuer bewirtschaftet werden müssen. Das lässt sich nicht von heute auf morgen umstellen. Die ernüchternde Prognose der Expertin: „Ich erwarte, dass es in 20 Jahren nur noch ein Drittel der Betriebe von heute geben wird, die sich erfolgreich an diese Veränderung angepasst haben.“
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