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Was Politökonomin Maja Göpel CDU-Chef Friedrich Merz rät

Future Week

Maja Göpel: „Es geht darum, handlungsfähig zu bleiben“

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    Maja Göpel ist Expertin für Transformationsforschung.
    Maja Göpel ist Expertin für Transformationsforschung. Foto: Frank Molter

    Sie gelten als Berufsoptimistin, Frau Göpel. Angesichts der Weltlage mal über einen Jobwechsel nachgedacht?
    MAJA GÖPEL: Ich habe mich selbst nie so genannt. Aber es ist doch so: Egal wie sich die Situation gestaltet, ich kann immer auf das Wünschenswerte hinarbeiten und versuchen, das Beste rauszuholen. Man kann natürlich sagen, das hat alles keinen Sinn mehr, aber dann stellt sich auch die Frage, wo positive Impulse herkommen sollen. Dass die Welt von Übermorgen nicht die Rosigste sein wird, ist klar. Aber die Zukunft ist prinzipiell offen und es geht darum, handlungsfähig zu bleiben.

    Was stimmt Sie gerade zuversichtlich?
    GÖPEL: Ich werde gerade sehr zum Frankreich-Fan-Girl. Ich finde das wahnsinnig erfrischend, dass dort eine klare Linie gegen die Erosion der regelbasierten Umgangsformen gezogen wird, sei es gegenüber Trump mit offensiven Klarstellungen und proaktiver Krisenpolitik, zum Beispiel bei Angeboten an US-Wissenschaftler oder beim europäischen Beistand für die Ukraine. Auch kuscht die französische Justiz nicht aus Feigheit vor einer rechtsradikalen Partei und verteidigt die öffentlichen Institutionen, egal, wer da dann „JesuisMarine“ vor sich hin postet und vom Deep State fabuliert. Was in Frankreich passiert, ist ein gutes Signal für Deutschland. Denn: Nur wer zu etwas konsequent „Nein“ sagt, kann sich dann auch ganz bewusst für etwas entscheiden

    Siehe USA...
    GÖPEL: Da wird das System von Checks-and-Balances gerade gewaltig herausgefordert und oft wurde einfach behauptet „das hält schon“. Aber die Institutionen, die da die Freiheit verteidigen sollen, das sind ja Menschen. Nur wenn die Werte haben, wenn ihnen das regelbasierte Miteinander etwas wert ist, gewinnen sie die Stabilität, den Mut und die Überzeugung, sich nicht einschüchtern zu lassen.

    Was tun Sie ganz konkret im Alltag, um positiv zu bleiben?
    GÖPEL: Vielleicht liegt es an meiner Sozialisierung, aber ich werde immer dann am widerständigsten, wenn ich das Gefühl bekomme: Damit dürfen die nicht durchkommen. Außerdem habe ich wahnsinniges Glück, von vielen Menschen umgeben zu sein, die positive Dinge tun – oder mir davon schreiben.

    Die Ampel-Koalition ist auch nicht durchgekommen, sondern gescheitert. Als wir das letzte Mal sprachen, war es gerade losgegangen. Ziehen wir mal ein Strich drunter: Wo hat die abtretende Regierung Deutschland nachhaltig nach vorne gebracht?
    GÖPEL: Bei der Energiewende.

    Das sehen viele Unternehmen aber anders.
    GÖPEL: Ich aber finde es total verrückt, dass über diesen Erfolg so wenig gesprochen wird. Die Peter-Altmaier-Delle ...

    ... der frühere CDU-Bundeswirtschaftsminister im letzten Kabinett Merkel....
    GÖPEL: ...wurde wieder ausgebeult. Viele vergessen: Wir waren schon mal auf einem Vorreiter-Weg unter sehr breiter gesellschaftlicher Beteiligung und mit technologieführenden Unternehmen vor Ort. Dann wurden Gesetze wieder geändert, der Ausbau der Erneuerbaren den Bürgern wieder aus der Hand genommen, die Entwicklung ging zurück und Arbeitsplätze gingen im großen Stil verloren. Die Ampel hat die Energiekrise trotz allem gut genutzt, um Beschleunigungsmechanismen zu etablieren und jetzt haben wir zum ersten Mal die Ausbauziele erreicht. Das hätte eine richtig gute Geschichte werden können, wenn nicht mit dem Heizungsgesetz das parteipolitische Taktieren in den Vordergrund gerutscht wäre: da wurde nicht mehr an der Verbesserung und Ergänzung von Maßnahmenpaketen gearbeitet, sondern allein an den Umfragewerten. Insbesondere auch aus der Opposition.

    Der Solarboom bringt die Stromnetze an die Belastungsgrenze.
    GÖPEL: Es geht darum, Menschen zu erreichen, die sagen: Dieser Öko-Krams ist mir total egal. Wenn die aber merken, dass bei ihnen auf dem Dach was montiert ist, was ihnen konkret was bringt, dann sind auch sie dabei. Hätte die Ampel zum Beispiel diese E-Auto-Prämie nicht auf so dusselige Weise ...

    ... binnen eines Adventswochenendes...
    GÖPEL: ... wieder kassiert und einfache Ladeinfrastruktur forciert, hätten wir jetzt mehr Speicher. Genau deshalb braucht es integrierte Politik. Deshalb ist systemisches Denken so wichtig.

    Die Ampel hat der neuen Regierung offenbar also doch das ein oder andere übriggelassen, was bei der Energiewende zu verbessern ist. Was erwarten Sie denn von Friedrich Merz und Schwarz-Rot?
    GÖPEL: Klar, niemand hat je behauptet, dass eine Energiewende in drei Jahren machbar oder einfach ist. Das Wichtigste ist, dass der Gesellschaft klar kommuniziert wird, welche Ziele sich diese Regierung setzt. Zum Beispiel: Welche Nachhaltigkeitsziele wollen wir erreichen? Wollen wir unbedingt an Rente mit 63 und anderen Klientelgeschenken festhalten oder wollen wir auch hier einmal so umstrukturieren, dass auch in Zukunft alle eine gute Altersversorgung haben? Zielkommunikation ist das Wichtigste. Dann Transparenz über die Kosten und Nutzen der Maßnahmen herstellen, also was passiert, wenn wir nicht handeln, und die Verteilungsfrage. Und schließlich Erfolgsindikatoren definieren, mit denen wir Fortschritte messen. Die Leute wollen Sicherheit in der Krise, in der wir stecken. Die kann in so unsicheren Zeiten aber nicht in exakten Prognosen zum Ergebnis liegen, sondern in der Qualität der Prozesse und dem Versprechen, dass im Zweifel nachgesteuert wird.

    Jetzt ist es aber so, dass die Union vor der Wahl – grosso modo – gegen eine Reform der Schuldenbremse und für sparsames Wirtschaften war und wenige Tage nach der Wahl Rekordschulden gemacht wurden. Klare Linie ist anders. Merz steht – die guten Gründe für den U-Turn hin oder her – bei vielen als Lügner da. Wie macht er daraus noch ein gutes Narrativ?
    GÖPEL: Den Zeitpunkt hat er leider verschlafen. In dem Moment, wo die Union bei über 34 Prozent in den Wahlkampf startet und bei 28,5 Prozent rauskommt, muss Merz Konsequenzen ziehen. Gerade wenn er sich dann zu abweichenden Ansätzen bekennt, muss er zumindest im persönlichen Beraterkreis mal durchwechseln, es waren ja nicht alle bei der CDU gegen die Schulden. Und er hätte klar kommunizieren müssen, wir sind ab dem Wahltag an Kompromissen orientiert. Das hat Markus Söder versemmelt, indem er bei den Grünen dann noch nachtreten musste, obwohl sie dann die staatsmännische Rolle der Unterstützer innehatten. Er könnte jetzt noch bei der Auswahl der Minister und Ministerinnen neues Vertrauen herstellen, das könnte große Signalwirkung entfalten.

    Vom CDU-Generalsekretär und als Wirtschaftsminister gehandelte Carsten Linnemann liest man auch schon mal Sätze wie: Wir brauchen jetzt volle Pulle Disruption. Was halten Sie davon?
    GÖPEL: Deshalb hätte ich als Herr Merz den ein oder anderen ausgetauscht. Die Gesellschaft hat keine Lust auf Disruption. Wie kann man denn so an den Leuten vorbeifunken? Man muss sich doch fragen, was ist die größte unbeantwortete Gefühlslage im Land. Das ist die Suche nach Sicherheit, „eine stabile Regierung“ war den Wählern aller Parteien wichtig. Auch die Wirtschaft will Richtungssicherheit und weniger Auflagen, aber keine Disruption, das macht schon der US-Präsident.

    Das größte Risiko dieses Planeten ist nicht Putin und nicht Trump, sondern der Klimawandel. Wie kommt der wieder ganz oben auf die Agenda?
    GÖPEL: Erstens müssen wir bei der Energiewende alles daransetzen, dass allein schon die reinen Marktkräfte, also der Preis pro Kilowattstunde, die Transformation weitertreibt. Fossile Energie darf also nicht mehr subventioniert werden, der CO₂-Preis muss verlässlich ansteigen und Übergewinne in den Unternehmen müssen wegbesteuert werden, sonst treibt das kurzfristig spekulierende Finanzkapital dagegen. Da brauchen wir maximale Transparenz, wie stark die Offensive der fossilen Lobby bei Staat und Unternehmen gerade ist, und mutige Politik.

    Zur Person

    Maja Göpel ist Politökonomin, Expertin für Nachhaltigkeitspolitik und Transformationsforschung. Sie ist Gründerin von „Mission Wertvoll” . Ihr jüngstes Buch „Werte. Ein Kompass für die Zukunft“ erschien im Brandstätter Verlag.

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