Staus gibt es nicht mehr nur auf der Autobahn. Auch in den Containerhäfen der Welt kommt es derzeit zu teils langwierigen Verzögerungen. Frachtschiffe müssen oft mehrere Tage warten, bis die Ladung gelöscht ist. Laut einer Analyse der Firma SeaIntelligence haben die Schiffe weltweit im Schnitt fast eine Woche Verspätung eingefahren. Nur 34 Prozent aller Schiffe sind noch pünktlich. In amerikanischen Häfen wie Long Beach und Los Angeles kommen die Schiffe sogar schneller an, als sie abgelöscht werden können. Das heißt die Schlange wird immer länger. „Fahrplangenauigkeit können Sie im Moment vergessen“, fast der Pressesprecher des Hamburger Hafens Bengt van Beuningen die Situation zusammen. Lieferungen dauern also länger und selbst im küstenfernen Bayern wird eine ganze Reihe von Produkten teurer.
Wie der Hamburger Hafen Waren in Bayern teurer macht
Das liegt nicht nur daran, dass Hafenterminals wegen der Corona-Maßnahmen weniger effizient arbeiten können. Besonders stark ist der Preisanstieg für den Verbraucher bei billiger Ware, die viel Platz einnimmt oder schwer ist: Schrauben, Spülmaschinen oder Fahrradteile zum Beispiel. Der sowieso hohe Frachtkostenanteil steigt also noch weiter. „Importierte Inflation“, nennt das der Ökonom Burkhard Lemper, Geschäftsführer des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und Professor für Maritime Operations an der Hochschule Bremen. Dieser Effekt wirke sich auch auf Verbraucherpreise aus.
Maximilian Bartel ist Vertriebsleiter für den deutschen Markt bei der Monheimer Elektronikfirma Hama. Er importiert viel aus Asien und berichtet, dass Container, die früher um die 1200 Dollar gekostet haben, nun bei etwa 8000 Dollar liegen. Fast siebenmal so teuer also. Er habe auch schon von 12000 gehört. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) legt Wert auf die Feststellung, dass diese Zahlen nur für kurzfristige Lieferungen, den sogenannten Spotmarkt, und auf bestimmten Routen gelten. Freilich wird dieser Spotmarkt in Zeiten coronabedingt schwer planbarer Ladenöffnungen deutlich öfter in Anspruch genommen. Zudem zählen die wichtigen Routen aus Südostasien zu den teurer gewordenen. Bei langfristigen Verträgen ist der Anstieg jedoch tatsächlich weniger deutlich. Bei der Hapag Lloyd sind die Kosten für einen 20-Fuß-Container mit einem langfristigen Vertrag von 1072 auf 1115 Dollar gestiegen. Grund für die Verteuerung ist, dass westliche Länder wie Deutschland mehr Waren aus Asien, insbesondere aus China, kaufen als umgekehrt. Das ist nichts Neues, aber im Zuge der Corona-Pandemie hat sich das Ungleichgewicht verschärft.
Warum es zu wenig Container für den Seehandel gibt
Während europäische und amerikanische Fabriken lange eingeschränkt waren, ging es in vielen asiatischen Ländern schnell zurück an die Arbeit. Dass Corona-Schutzausrüstung – wie Masken und Ähnliches – meist in China gekauft wird, kommt erschwerend hinzu. Die Container werden oft leer nach Asien zurückgebracht. Die Frachtkosten müssen also die Kosten für zwei Fahrten um die halbe Welt wettmachen.
Noch ein weiteres Problem des Seehandels wird so verschärft: Der Containermangel. „Sie kriegen einfach keinen Container mehr“, klagt Bartel. Er hört bereits aus China, dass sich dort Radios und andere Geräte stapeln, die nicht abtransportiert werden können. Obwohl Hama seine Lagerhaltung großzügig plane, sei es auf der deutschen Seite der Firma schon vereinzelt zu Engpässen gekommen, wenn die Nachfrage überraschend gestiegen ist. Durch die längeren Fahrtzeiten der Schiffe und das Handelsungleichgewicht sind die Container länger unterwegs, damit steigt der Bedarf: „Sie sind nicht da wo sie gebraucht werden“, beobachtet Ökonom Lemper. Das ist ein Problem, denn die Frachtboxen sind ein Flaschenhals für den globalen Seehandel. Wer etwas verschicken will, muss sich im Kampf um diese knappe Ressource durchsetzen und erhöht damit den Preis.
Wann die importierte Inflation wieder abnehmen könnte
Ein weiterer Grund für gestiegene Preise: Nachdem der Seehandel in der ersten Jahreshälfte geschrumpft war, hat er nun ein Rekordhoch erreicht. Weil viele Dienstleistungen nicht verfügbar sind, werden sie durch Konsum ausgeglichen. Wenn Fitnessstudios geschlossen sind, geht beispielsweise der Absatz von Heimtrainern in die Höhe. „Alles was schwimmt und einen Container transportieren kann ist gerade auf dem Meer“, fasst van Beuningen vom Hamburger Hafen die Situation zusammen. Die Logistikbranche hat das kalt erwischt: „Die Reeder haben ein so starkes Wachstum nicht erwartet, viele ihrer Schiffe vorzeitig verschrottet und Neubauten zurückgestellt. Die fehlen jetzt“, beobachtet Experte Lemper. 65 neue Frachter mit Platz für über 751.000 Standardcontainer wurden bereits weltweit in Auftrag gegeben, doch es dauert anderthalb bis zwei Jahre bis ein neues Schiff in See stechen kann.
Da es zu wenig Schiffe gibt können Reeder höhere Preise erzielen. Dass sie das tun, ist verständlich, denn für sie geht gerade ein mageres Jahrzehnt zu Ende. Laut Ralf Nagel, dem Geschäftsführer der VDR, hat die Logistik-Branche seit der Finanzkrise 2008 zehn schlechte Jahre hinter sich, in denen die Frachtkosten massiv gesunken seien. Stattdessen erlebt die größte deutsche Reederei Hapag Lloyd nun „das beste Jahr der Firmengeschichte“, wie Pressesprecher Tim Seifert es nennt – Und verzeichnet 2,7 Milliarden Euro Gewinn für 2020. Nicht nur der Seehandel boomt: Auch die Logistiksparte der Lufthansa hat als einzige Konzerntochter im Jahr 2020 Gewinn gemacht und diesen im Vergleich zum Vorjahr auch noch um deutlich erhöht. Entspannung erwarten die meisten Ökonomen erst mit dem Ende der Corona-Maßnahmen, wenn die Menschen Gelegenheit haben, mehr Geld für Dienstleistungen auszugeben. Dann rechnen sie mit einer Abnahme des Warenkonsums.
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