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Wie die heimische Wirtschaft auf die geplante Erhöhung des Mindestlohns reagiert

Mindestlohn

„Überzogen und realitätsfremd“: Was die heimische Wirtschaft von 14,60 Euro Stundenlohn hält

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    Landwirte fordern Ausnahmen von der Erhöhung des Mindestlohns für die Branche.
    Landwirte fordern Ausnahmen von der Erhöhung des Mindestlohns für die Branche. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Von aktuell 12,82 Euro soll der gesetzliche Mindestlohn Anfang kommendes Jahres auf 13,90 Euro steigen. Am 1. Januar 2027 gibt es dann noch einen Zuschlag auf 14,60 Euro. Die zuständige Mindestlohnkommission hat darüber nach Angaben ihrer Vorsitzenden Christiane Schönefeld lange verhandelt, aber am Ende einstimmig entschieden. In der heimischen Wirtschaft stößt das Ergebnis in einer Umfrage unserer Redaktion teils auf entschiedene Kritik:

    Stephan Bissinger, Bezirkspräsident Schwaben des Bayerischen Bauernverbands: „Diese massive Anhebung des Mindestlohns wird die landwirtschaftlichen Betriebe zum Ausstieg aus arbeitsintensiven Kulturen zwingen. Die schwäbischen Sonderkulturbetriebe werden wie die im gesamten Bundesgebiet dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU nicht standhalten können. Diese Anhebung muss von den Betrieben auf den Verkaufspreis etwa von Erdbeeren, Spargel und so weiter aufgeschlagen werden. Unsere direkten Marktpartner, die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch der Groß- und Einzelhandel, werden derartige Preiserhöhungen mit großer Zurückhaltung beim Kauf quittieren. Die Folge ist ein Rückgang des regionalen Angebots von Obst und Gemüse. Um dies verhindern zu können, brauchen wir dringend eine Sonderregelung für saisonal Beschäftigte in der Landwirtschaft.“

    Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands: „Wir akzeptieren die Entscheidung der Mindestlohnkommission, doch der Anstieg um 8,4 Prozent ab 1. Januar und dann nochmals um fünf Prozent im Jahr darauf ist eine schmerzhafte Steigerung für unser von Krisen gebeuteltes Gastgewerbe und damit eine enorme Herausforderung. Schon seit 2022 sind die Arbeitskosten um 34,4 Prozent gestiegen. 2024 war für die Betriebe das fünfte Jahr in Folge mit realen Umsatzverlusten. Es ist zu befürchten, dass wir durch die gestiegenen Arbeitskosten nicht mehr jedem Talent eine Heimat bieten können. Wir brauchen dringend Entlastungen, um die Betriebe zu stärken, da die wirtschaftliche Belastungsgrenze erreicht ist. Umso wichtiger wird die Senkung der Umsatzsteuer auf Speisen auf sieben Prozent ab dem 1. Januar.“

    Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwaben: „Wir begrüßen, dass die Mindestlohn-Kommission sich schnell geeinigt hat und die Erhöhung deutlich moderater ausfällt als im Vorfeld prognostiziert. Eine Erhöhung auf 15 Euro schon im Jahr 2026, also eine Steigerung um 17 Prozent, wäre aus unserer Sicht nicht vermittelbar gewesen. Grundsätzlich sollten sich die jeweiligen Tarifparteien um Lohnanpassungen kümmern. Jedenfalls dürfen die Entscheidungen nicht politisch vorgegeben werden. Die Erhöhung des Mindestlohns wird sich auch auf das Handwerk auswirken. Im Gebäudereiniger-Handwerk beispielsweise liegt der Mindestlohn für ungelernte Arbeitskräfte bei 17,65 Euro, im Dachdeckerhandwerk bei 16 Euro. Um den Abstand zum dann geltenden Mindestlohn wieder herzustellen, wird es in den nächsten Tarifverhandlungen in den jeweiligen Gewerken wieder entsprechende Erhöhungen geben, was letztendlich weitere Preissteigerungen nach sich ziehen wird.“

    Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern: „Ein solcher Beschluss ist angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung überzogen und realitätsfremd. Die steigenden Lohnkosten sind für viele Handelsunternehmen in Bayern existenzbedrohend. Seit 2022 ist der Mindestlohn in Deutschland um mehr als 30 Prozent gestiegen. Der bayerische Handel kämpft mit der Kaufzurückhaltung der Verbraucher und extrem niedrigen Margen. Vor diesem Hintergrund können die Unternehmen die Erhöhung nicht mehr stemmen. Die Anhebung des Mindestlohns wird gravierende Auswirkungen auf die Beschäftigung haben.“

    Reinhold Braun, Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwaben: „Die politische Diskussion um den Mindestlohn hat viele Unternehmen verunsichert und sie hinsichtlich ihrer Personalpläne vorsichtig agieren lassen. Vor diesem Hintergrund ist die heutige Empfehlung der Mindestlohnkommission zu begrüßen, da sie bis Ende 2027 für Planungssicherheit sorgt. Die Kommission weicht in ihrer Empfehlung von dem politisch als erreichbar formulierten Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde ab. Sie trägt damit auch dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitskosten schon heute für mehr als jedes zweite IHK-Mitgliedsunternehmen in Bayerisch-Schwaben ein wirtschaftliches Risiko darstellen. Besonders betroffen sind aufgrund ihrer internationalen Wettbewerbssituation die Industrie sowie das arbeitsintensive Reise- und Gastgewerbe – so die Ergebnisse der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage. Problematisch bleibt, dass jede Erhöhung des Mindestlohns nicht nur Auswirkungen auf die Löhne der direkt Betroffenen hat, sondern den Druck auch auf höhere Lohngruppen und damit auf das gesamte Lohngefüge erzeugt. Das erhöht die Personalkosten und gefährdet Unternehmen, da sich die Mehrkosten nur bedingt durch höhere Preise an Kunden weitergeben lassen.“

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    3 Kommentare
    Wolfgang Schwank

    All die Zitierten, die sich selbst im satten 6stelligen Jahreseinkommensbereich bewegen, wissen natürlich, warum diese moderate Anhebung nicht richtig ist. 13,90 Euro ist ja so üppig, dass bei einer 40Stunden-Woche gerade mal 2.400 Eurto brutto rauskommen, netto also ca. 1.700 Euro bei Steuerklasse 1. Das ist weder Schlaraffeland sondern hart am Limitfür ein luxusfreies Leben. Noch eines, diese (angeblichen) Versteher der Wirtschaft denken an eines nicht. Bei Menschen in dieser Einkommensklasse flieest jeder zusätzliche Euro zwangläufig in den Konsum, was für die Nachfrasge positive Effekte hat. Das Gejammer dieser Wirtschaftsfunktionäre geht mir (und vermutlich vielen anderen) nur noch auf die Nerven.

    Felix Strobel

    Was zu beachten ist: Betriebe die sich jetzt aufregende haben bisher weniger gezahlt als zum leben reicht und zwingen Menschen damit zu Harz4. Sie belasten mit ihrem Geiz also unsere Staatskassen und liegen unserem Staat auf der Tasche.

    Wolfgang Boeldt

    Wenn ich mir die Stellungnahmen hier so durchlese ... der anvisierte Aufschwung in Deutschland wird wohl wieder mit einem "-" Zeichen vorne dran stattfinden. Ich picke nur mal die Gastronomie heraus. Wie viele Beschäftigte mit Mindestlohn hat ein mittelgroßer Gasthof? Lasse ich mal offen. Ob nun bereits stark überhöhten Preise in Gasthöfen not etwas stärker überhöht werden - wird sich nicht auswirken. Die meisten Wirtschaften sind voll, wenn auch eine Einschränkung an Stunden und Tagen in der Woche teilweise zu beobachten ist. Und noch dazu: ein höheres Einkommen iwrd nicht zu 100% gespart.

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